OLG Frankfurt stärkt Vorstandskompetenz beim Unternehmenserwerb

In einem für die M&A-Praxis bedeutsamen Urteil vom 7.12.2010 hat das Oberlandesgericht Frankfurt festgehalten, dass der Erwerb einer Beteiligung unabhängig von der hierbei geschaffenen Anteilsquote bei der erwerbenden Aktiengesellschaft  zu den  vorstandsautonomen Geschäftsführungsangelegenheiten gehört, wenn die Satzung den Unternehmenserwerb  generell zulässt. Das folgt aus § 76 AktG („Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten“).

Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach der sog. „Holzmüller-“ bzw. „Gelatine-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofes kommt dann nicht in Betracht. Im“Holzmüller“-Urteil aus dem Jahr 1982 hatte der BGH  angenommen, der Vorstand sei verpflichtet, die Zustimmung der Hauptversammlung  einzuholen, wenn er einen Betrieb, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens ausmacht, durch Übertragung auf eine zu diesem Zweck errichtete Tochtergesellschaft aus dem bisherigen Gesellschaftsunternehmen ausgliedere. Dies folge aus einer „Ermessensschrumpfung“. Danach schlage das gesetzlich eingeräumte Ermessen des Vorstands in eine Pflicht zur Vorlage an die Hauptversammlung um, wenn der Vorstand „vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie“ – die Entscheidung – „in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen“.

Später hat der BGH im Fall „Gelatine“ (2004)  zwar grundsätzlich an der „Holzmüller“-Entscheidung festgehalten, aber den Ausnahmecharakter und die daraus folgenden hohen Anwendungsvoraussetzungenstärker betont und eine Dreiviertel-Mehrheit für die Beschlußfassung in der Hauptversammlung der Erwerbergesellschaft verlang. Vor allem unter Rechtssicherheitsgesichtspunkten hat diese Rechtsprechungslinie zum Teil harsche Kritik erfahren. Die Praxis behilft sich mit Satzungsklauseln, wonach der Vorstand auch ohne Zustimmung der Hauptversammlung Beteiligungskäufe tätigen kann. Um eine derartige „Konzernöffnungsklausel“ ging es in dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall.

Zu Grunde lag dort der folgende Sachverhalt: Im Sommer 2008 schloss die Commerzbank AG mit der Allianz SE einen Vertrag über den Erwerb der Dresdner Bank AG ab. Die Satzung der Commerzbank AG enthielt eine Konzernöffnungsklausel, die zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck – insbesondere durch den Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen – zu fördern. Zunächst erwarb die Commerzbank AG über 60 % der Dresdner Bank-Aktien gegen Barzahlung, die Übertragung einer Commerzbank-Tochtergesellschaft sowie die Ausgabe von Commerzbank-Aktien aus genehmigtem Kapital. Wegen der Finanzkrise wurde die Struktur der Maßnahme für die verbleibenden 40 % der Dresdner Bank-Aktien geändert. Anstelle einer geplanten Verschmelzung erwarb die Commerzbank AG die Restbeteiligung nunmehr gegen Barzahlung. Anschließend wurde die Dresdner Bank auf die Commerzbank AG verschmolzen.  Nach der ordentlichen Hauptversammlung 2009 stritten die Kläger mit der Commerzbank AG um die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse für Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft. Sie argumentierten, dass für den Erwerb die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen gewesen wäre. Das OLG Frankfurt hat der Commerzbank AG Recht gegeben und die Klagen abgewiesen.

Bewertung: Das Landgericht Frankfurt hatte im erstinstanzlichen Urteil noch eine Hauptversammlungszuständigkeit analog „Holzmüller“ aufgrund der Veränderung der Kapitalstruktur bei einer Erhöhung des Verschuldungsgrades und des Einstiegs des SoFFin angenommen. Dem ist das OLG Frankfurt mit Recht entgegengetreten. Es betonte, dass eine hauptversammlungspflichtige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstandes dann nicht vorliege, wenn – wie hier –  in der Satzung der Gesellschaft bereits der Erwerb von Unternehmen im Unternehmensgegenstand erwähnt ist. Nur soweit weitere hauptversammlungspflichtige Maßnahmen geplant sind, wie etwa eine Verschmelzung, bedarf diese Einzelmaßnahme eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses, nicht aber der gesamte Transaktionsplan.

Das Urteil macht deutlich, wie wichtig die sorgfältige Gestaltung des Unternehmenszwecks in der Satzung ist, und es stärkt die Privatautonomie der Aktionäre: Durch eine Konzernöffnungsklausel kann der Handlungsspielraum des Vorstands für M&A-Transaktionen rechtssicher abgegrenzt werden (OLG Frankfurt – 5 U 29/10, DB 2010 S. 2788).


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