Betriebsfortführung in der Insolvenz – Nutzung von geleasten Fahrzeugen

RA Dr. Hendrik Boss, Partner, Taylor Wessing, München

Vor kurzen hat der BGH (BGH-Urteil vom 28. 6. 2012 – IX ZR 219/10, DB 2012 S. 1740) Gelegenheit gehabt offene Fragen zur Abwicklung eines nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO fortgesetzten Nutzungsverhältnisses zu klären. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Leasinggeber den Insolvenzverwalter eines Speditionsunternehmens auf Zahlung der Kosten der Abholung von geleasten Nutzfahrzeugen und Wertersatz wegen Beschädigung der Nutzfahrzeuge während des vorläufigen Insolvenzverfahrens verklagt. Schon vor Beantragung des Insolvenzverfahrens hatte der Leasinggeber die Leasingverträge fristlos gekündigt.

Das Insolvenzgericht hatte den beklagten Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren zum vorläufigen starken Insolvenzverwalter bestellt und eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 InsO erlassen. Diese untersagt die Verwertung oder Einziehung von Sachen durch die Gläubiger, die einem Ab- oder Aussonderungsrecht unterliegen, dies gilt auch für geleaste Sachen. Durch die Anordnung soll der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des Insolvenzschuldners bis zur endgültigen Entscheidung über die Verwertung fortführen können. Der Leasinggeber hatte vom Insolvenzverwalter die vereinbarte Nutzungsentschädigung erhalten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Beendigung der Nutzung der Fahrzeuge hatte das Leasingunternehmen den Insolvenzverwalter aufgefordert, die Fahrzeuge zurückzugeben. Nachdem dies nicht geschehen war, ließ es die Fahrzeuge auf eigene Kosten von einem Drittunternehmen sicherstellen.

 Der BGH führt aus, dass durch die oben genannte Anordnung hoheitlich ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis geschaffen werde, aufgrund dessen der Insolvenzverwalter die Sache nutzen könne. Der Gläubiger hat in den ersten drei Monaten nach Erlass der Anordnung einen Anspruch auf Ersatz des durch die gewöhnliche Nutzung eingetretenen Wertverlustes. Danach stehe dem Gläubiger durch den Verweis in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 Hs. 2 InsO auf § 169 Satz 2 und 3 InsO ein Anspruch auf Zinszahlungen als Nutzungsentschädigung zu. Diese Nutzungsentschädigung decke dann den Wertverlust aufgrund des gewöhnlichen Gebrauches mit ab.  Diese Ansprüche werden durch einen Anspruch auf Entschädigung für übermäßige, vom betrieblichen Zweck her nicht gedeckte Nutzungen und Beschädigungen der genutzten Sachen ergänzt. Soweit diese Ansprüche nicht durch laufende Zahlungen befriedigt werden, stellen sie  Masseverbindlichkeiten dar.

 Im vom BGH entschiedenen Fall war streitig, wann die Beschädigungen an den Fahrzeugen eingetreten waren. Wären diese vor Erlass der Anordnung entstanden, so stünde dem Leasingunternehmen nur eine Insolvenzforderung aus dem Leasingvertrag mit dem Insolvenzschuldner zu. Wären die Beschädigungen jedoch im Zeitraum der Nutzung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nach dem Erlass der Anordnung entstanden, so wäre der Ausgleichsanspruch eine Masseforderung.

 Angesichts der Schwierigkeiten des Gläubigers, den Zustand der überlassenen Sachen im Zeitpunkt der Anordnung zu dokumentieren, hat der BGH dem vorläufigen Insolvenzverwalter auferlegt, diesen nach Erlass der Anordnung zu dokumentieren. Erfüllt der vorläufige Insolvenzverwalter diese Obliegenheit nicht, so steht dem Gläubiger lediglich eine Beweiserleichterung im Hinblick auf die Substantiierung seines Sachvortrages zu. Eine Beweislastumkehr oder gar – wie vom Berufungsgericht angenommen – eine unwiderlegliche Vermutung hat der BGH jedoch als zu weitgehend abgelehnt. Als praktische Konsequenz ist Leasinggebern in Insolvenzfällen zu empfehlen, vom Insolvenzverwalter die Dokumentation des Zustands der Leasinggegenstände einzufordern, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.

 Die Kostenerstattung für die Abholung der Leasinggegenstände begründet, so der BGH, lediglich eine Insolvenzforderung. Die Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO begründet eine gesetzliche Nutzungsentschädigung und ggf. einen Wertverlustausgleich. Der Anspruch auf Rückgabe hingegen folgt schon aus dem Leasingvertrag und ist schon mit Abschluss des Vertrages aufschiebend bedingt entstanden.

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