Kein Akteneinsichtsrecht in Kartell-Bonusanträge in Verfahren vor deutschen Gerichten

Philipp Werner, Partner, McDermott Will & Emery Belgium LLP, Brüssel

Abnehmer des Kaffeeröster-Kartells sind mit ihren Anträgen auf Offenlegung der Gerichtsakten und Bonusanträge in einem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf in den wesentlichen Punkten gescheitert. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 22. 8. 2012 – V-4 Kart 5 + 6/11 (OWi) festgestellt, dass eine Offenlegung von Anträgen nach der Bonusregelung des Bundeskartellamts (Bekanntmachung Nr. 9/2006 vom 7. 3. 2006) auch in Gerichtsverfahren nicht in Frage kommt.

Im Jahr 2009 stellten mehrere Kaffeeröster Bonusanträge beim Bundeskartellamt, das gegen drei Kartellanten in der Folge wegen Preisabsprachen Geldbußen i. H. von ca. 160 Mio. € verhängte. Die Kartellanten erhoben gegen diese Bußgeldbescheide Einspruch beim OLG Düsseldorf.

Mehrere Abnehmer stellten als Geschädigte des Kartells Anträge auf Akteneinsicht in die Verfahrensakten einschließlich der Bonusanträge, im Rahmen von Überlegungen, Schadensersatzklagen gegen die Kartellanten zu erheben.

Mit seinem ablehnenden Beschluss hat das OLG Düsseldorf klargestellt, dass das Vertrauen der Kronzeugen auf eine vertrauliche Behandlung ihrer eingereichten Anträge samt der dazugehörigen eingereichten Unterlagen das Offenbarungsinteresse der Antragsteller überwiegt. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist es für die Befriedigung des Informationsinteresses der Abnehmer i. d. R. ausreichend, wenn der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts offengelegt wird.

Das ist eine schlechte Nachricht für Vertragspartner von Kartellanten und andere Unternehmen, die überlegen, Schadensersatzklagen gegen Kartellanten zu erheben. Eine Einsicht in die Verfahrens- oder Gerichtsakten würde diesen Unternehmen möglicherweise die Substantiierung der Schadenshöhe und der Kausalität erleichtern. Das Bundeskartellamt (wie auch andere Wettbewerbsbehörden einschließlich der Europäischen Kommission) fürchtet aber, dass eine solche Offenlegung die Attraktivität der Kronzeugenregelung mindern und damit die Kartellverfolgung durch die Behörden erschweren würde. Das Bundeskartellamt hat folgerichtig den Beschluss des OLG Düsseldorf in einer Pressemitteilung begrüßt.

Die Geheimhaltung von Bonusanträgen war in der jüngeren Vergangenheit ein viel diskutiertes Thema für Rechtsprechung und Literatur. Der EuGH hat es in der Pfleiderer-Entscheidung aus dem Jahr 2011 nicht ausgeschlossen, dass Dritte Zugang zu Kronzeugenanträgen bekommen, die bei nationalen Kartellbehörden eingereicht wurden. Der EuGH entschied, dass es Sache der nationalen Gerichte sei, im Einzelfall und auf Grundlage des nationalen Rechts nach einer Interessenabwägung zu entscheiden, ob einem Dritten der Zugang zu diesen Informationen zu gewähren ist. Dem Urteil lag eine Vorlagefrage des Amtsgerichts Bonn zugrunde, das über diese Frage zu entscheiden hatte. Mit Beschluss vom 18. 1. 2012 – 51 Gs 53/09 hatte das vorlegende Gericht dann die Einsicht in Bonusanträge in den Verfahrensakten des Bundeskartellamts unter Anwendung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze verweigert.

Auch das Europäische Wettbewerbsnetz, über das die nationalen Wettbewerbsbehörden innerhalb der EU untereinander und mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten, hat bereits in einer Entschließung einen einheitlich hohen Schutz im Rahmen der einzelnen Rechtsordnungen für die Unterlagen von Kronzeugen in ganz Europa als unerlässlich für die Verfolgung von Kartellverstößen bezeichnet. Die Europäische Kommission plant, entsprechende Regelungen zur Geheimhaltung von Kronzeugenanträgen noch in diesem Jahr zu verabschieden.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf bietet in der Zwischenzeit Kronzeugen Schutz vor Offenlegung ihrer Bonusanträge in Gerichtsverfahren.

Kommentare sind geschlossen.