Die Arbeiten an dem schon vor vielen Monaten vorgelegten Regierungsentwurf einer Aktienrechtsnovelle 2012 sind schon lange ins Stocken gekommen. Wer etwas recherchiert, wird schnell darauf stoßen, dass die Gründe gar nicht in den bisherigen Regelungspunkten der Aktienrechtsnovelle 2012 selbst liegen, sondern in „unerledigten Restanden“ der letzten Reform des Umwandlungsrechts (durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 11. Juli 2011), mit denen sich die CDU-/CSU-Fraktion seinerzeit nicht durchsetzen konnte (siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/5930, S. 8). Nachdem sich inzwischen aber auch der 24. Parteitag der CDU Deutschlands im November 2011 der Position der CDU‑/CSU-Fraktion angeschlossen hat, dürfte ein Fortgang der Arbeiten an der Aktienrechtsnovelle 2012 von der Lösung der umwandlungsrechtlichen Fragen abhängen.
Vor diesem Hintergrund sollen hier die einzelnen CDU-Parteitagsbeschlüsse vorgestellt und Lösungsmöglichkeiten erörtert werden.
1. Gleichbehandlung der Anteilsinhaber von übertragendem und übernehmendem Rechtsträger bei Verschmelzungen
Zunächst fordert der Parteitag, „die Ungleichbehandlung der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers und des übertragenden Rechtsträgers bei der Rüge des Umtauschverhältnisses im Rahmen von Verschmelzungen zu beseitigen“.
Hintergrund ist (bekanntlich), dass das deutsche Recht bei Maßnahmen des Umwandlungsrechts die Grundfrage, ob eine solche Umwandlung durchgeführt werden darf, von der Frage abspaltet, zu welchen Bedingungen dies geschieht. Zu den Bedingungen gehört dabei vor allen Dingen das „Umtauschverhältnis“, mit anderen Worten der „Preis“ für die Verschmelzung sowie einige damit im Zusammenhang stehende Faktoren (vor allem diesbezügliche Informationen [siehe insoweit § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG n. F.]). Das hat – im Grundsatz – zur Folge, dass umwandlungsrechtliche Maßnahmen nicht mit der Begründung angegriffen werden können, sie erfolgten zu einem „unangemessenen“ Preis. Die Preiskontrolle begründet dementsprechend keine Möglichkeit, einen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter zu einem Umwandlungsvorgang anzufechten, sondern kann nur in einem die Umwandlungsmaßnahme als solches nicht mehr blockierenden Spruchverfahren geltend gemacht werden.
Allerdings differenziert das Gesetz hier zwischen dem „übernehmenden“ und dem „übertragenden“ Rechtsträger: Denn der genannte Grundsatz wird nur auf den Rechtsträger angewandt, der bei einer Verschmelzung untergeht (der „übertragende“ Rechtsträger), während bei dem Rechtsträger, der eine andere Gesellschaft „aufnimmt“, die allgemeinen Grundsätze gelten (§ 14 Abs. 2 UmwG). Das bedeutet, dass bei einem solchen Rechtsträger eine Umwandlung (immer noch) mit der Begründung unangemessenen Preises angegriffen werden kann.
Diese Differenzierung ist sachlich sicher eine schwer nachvollziehbare Ungleichbehandlung, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass eine Aufspaltung des Rechtsschutzes beim übernehmenden Rechtsträger deutlich schwieriger gesetzlich zu realisieren ist als beim übertragenden Rechtsträger. Die Praxis hat zudem mit diesem unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzmechanismus seit vielen Jahren zu leben gelernt: Zurückgehend auf den (wohl ersten) Fall der Verschmelzung DaimlerChrysler werden Verschmelzungen nämlich soweit immer möglich derart gestaltet, dass es beim übernehmenden Rechtsträger keine Minderheitsgesellschafter gibt, die gegen einen Umwandlungsbeschluss vorgehen könnten, gegebenenfalls in der Weise, dass eine Umwandlung zunächst in einem Zwischenschritt auf einen solchen „sauberen Rechtsträger“ erfolgt. Ganz entsprechend haben rechtstatsächliche Studien der letzten Zeit nur von verschwindend wenigen Fällen berichtet, in denen solche Umwandlungsmaßnahmen Gegenstand von Klagen waren (die kürzlich bekannt gewordene „Baums-Studie“ berichtet von drei Fällen, in denen ein Verschmelzungsbeschluss einer übernehmenden Gesellschaft angegriffen wurde).
Die bislang geringe Zahl bekannt gewordener potenzieller Anwendungsfälle bedeutet freilich nicht, dass es nicht noch mehr Fälle geben könnte. Denn es ist nicht auszuschließen, dass es Unternehmen gibt, die sich mit Blick auf den bei einem Unternehmensrechtsträger für die Gesellschaft bzw. die Mehrheitsgesellschafter nachteilig ausgestalteten Rechtsschutzmechanismus von erwogenen Umwandlungsmaßnahmen abhalten lassen. Hinzu kommt, dass ein „Umdrehen“ des Umwandlungsvorgangs mit Blick auf den Rechtsschutzmechanismus nicht in allen Fällen möglich ist oder dies unvertretbare Kosten auslöst (zu denken ist an Fälle, in denen rechtsträgerbezogene Genehmigungen eine Rolle spielen). Andererseits ist zu bedenken, dass eine Angleichung des Rechtsschutzmechanismus bei der Umwandlung hinsichtlich des übernehmenden Rechtsträgers an den des übertragenden Rechtsträgers beim übernehmenden Rechtsträger zur Einlegung von Rechtsbehelfen führen könnte, die bislang nicht oder nur erschwert möglich waren.
Gleichwohl spricht viel dafür, die Frage doch offener zu prüfen, als dies bislang seitens der Bundesregierung geschehen ist.
2. Ausgleichszahlungen bei zu niedriger Bemessung des Umtauschverhältnisses auch durch Anteilsgewährung
Eine zweite Forderung geht dahin, „den Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, Ausgleichszahlungen bei zu niedriger Bemessung des Umtauschverhältnisses durch die Gewährung von Anteilen statt durch bare Zuzahlung vorzunehmen“.
Hintergrund der Überlegung ist dabei, dass bei Umwandlungen (insbesondere Verschmelzungen) im Allgemeinen „real“ Anteile gegen Anteile getauscht werden. Nach geltender Rechtslage kann aber eine Fehlbewertung im Rahmen des beschriebenen Spruchverfahrens zu einem baren Zuzahlungsanspruch führen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 UmwG), der für die „schuldende Gesellschaft“ durchaus erhebliche Lasten mit sich bringen kann, nachdem sie zunächst im Einklang mit der gesetzlichen Lage nur Anteile leisten musste, deren Bewertung naturgemäß mit Unsicherheiten belastet ist. Es wäre vor diesem Hintergrund durchaus konsequent, auch eine eventuelle „Nachzahlung“ in Form von Aktien/Anteilen und nicht in bar vorzusehen. Das steht auch mit dem systematisch vergleichbaren Vorgehen bei öffentlichen Übernahmen im Einklang, bei denen in bestimmten Fällen ebenfalls eine Nachzahlung statt in bar auch in Aktien vorgesehen ist (§ 31 Abs. 4 WpÜG; anders aber § 31 Abs. 5 WpÜG).
Allerdings gibt es für dieses Vorgehen, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Beschaffung der erforderlichen Aktien, bislang in der Wissenschaft keine einheitliche Linie. So plädiert Bayer in ZHR 172 (2008), 24 ff. für eine Bereitstellung im Wege des Erwerbs eigener Aktien oder der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, während der DAV-Vorschlag von 2007 (NZG 207, 497, 503) sich für eine Sachkapitalerhöhung ausspricht. Einigkeit besteht aber – das sei festgehalten – jedenfalls insoweit, als Kapitalschutzgesichtspunkte einer Aktiengewährung nicht mehr grundsätzlich entgegenstehen sollen. Uneinigkeit besteht auch hinsichtlich der Frage, ob Aktien primär oder – so der DAV-Vorschlag – nur im Wege der Ersetzungsbefugnis geleistet werden sollen. Die schon angesprochene Vergleichbarkeit mit dem Übernahmerecht spräche aber sogar für die Einführung einer Ersetzungsbefugnis in umgekehrter Richtung, nämlich dergestalt, dass primär Aktien und nur nach Wahl der „Schuldnergesellschaft“ Geld zu leisten wäre.
Auch wenn die Stoßrichtung des Vorschlages richtig ist, darf nicht übersehen werden, dass die vom CDU-Parteitag geforderte Lösung der korrekten Unternehmens- bzw. Anteilsbewertung einen noch höheren Stellenwert beimisst.
3. Keine Zustimmung der Anteilseigner zu Bagatell-Ausgliederungen
Schließlich fordert der Parteitag, „das Erfordernis der Zustimmung der Anteilseignerversammlung bei Bagatell-Ausgliederungen zu beseitigen“.
a) Eine Ausgliederung erfordert bislang – als Unterfall der Spaltung – eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung des ausgliedernden Rechtsträgers (§§ 125, 135 Abs. 1 i.V.m. §§ 13, 65 Abs. 1 UmwG).
Gegen dieses Zustimmungserfordernis der Anteilseigner gibt es aber schon seit langer Zeit Bedenken. Schon in dem im Jahre 1988 vorgelegten Diskussionsentwurf zum Umwandlungsgesetz war etwa insoweit eine Bagatellausnahme vorgesehen worden (§ 204 DiskE – UmwG [1988]: 10 % des Reinvermögens oder 10 % des Grundkapitals mit nachträglicher Berichtspflicht). Begründet wird dies damit, dass sich durch die schlichte „Aufspaltung“ einer Gesellschaft in Mutter- und Tochtergesellschaft wirtschaftlich nichts ändere.
Dieses Argument ist freilich angreifbar: Denn die Rechte und Kompetenzen der Gesellschafter der Obergesellschaft können nicht in gleichem Maße hinsichtlich der in eine Tochtergesellschaft verlagerten Vermögenswerte ausgeübt werden. Rechtssystematisch kommt im Übrigen hinzu, dass Umwandlungen als Satzungsänderungen nach deutschem Rechtsverständnis grundsätzlich in die Kompetenz der Eigentümer fallen, die diese in Form von Beschlüssen ausüben. Dieses System zu verändern bedeutet eine Abkehr von bislang als zentral angesehenen Rechtsvorstellungen.
Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass es solche Entwicklungen schon seit längerer Zeit gibt. So hat der Gesetzgeber in Form des „genehmigten Kapitals“ für die Kapitalerhöhung schon seit vielen Jahrzehnten eine Kompetenzverlagerung von der Hauptversammlung auf die Verwaltung vorgesehen, die kürzlich – im MoMiG – auch auf die GmbH erweitert wurde. Der Verfasser hat deshalb schon vor längerer Zeit darauf verwiesen, dass dieses Konzept durchaus systematisch stimmig auch auf Ausgliederungen übertragen werden könne (Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung [1986], S. 179 ff.).
In jüngerer Zeit sind – insbesondere und gerade durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 11. Juli 2011 (§ 62 Abs. 5 UmwG n.F.), vorher aber auch schon durch die Einführung des übernahmerechtlichen Squeeze Out (§§ 39a, 39b WpÜG) – weitere Fälle hinzugekommen, in denen die Beschlusskompetenz der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung aufgegeben und durch andere Mechanismen der Kontrolle ersetzt wurde. Diese Maßnahmen gehen allerdings sämtlich auf europäisches Recht zurück. Für die vergleichbare Fragestellung der Überprüfung der Angemessenheit des Ausgabekurses junger Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss wird demgegenüber ebenso am Kontrollmechanismus der Anfechtungsklage festgehalten, obwohl auch hier schon vor vielen Jahren – auch vom Verfasser dieser Zeilen – die Einführung eines Spruchverfahrens gefordert wurde. Vor diesem Hintergrund darf die Gefahr nicht übersehen werden, dass die Rücknahme von Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungszuständigkeiten bei Ausgliederungen jenseits europarechtlich zwingend vorgegebener Maßnahmen den „Einstieg in ein neues System“ darstellt, das bislang im geltenden Recht zwar bereits vorhanden ist, aber nur punktuell.
b) Ungeachtet der Grundsatzfrage dürfte eine rechtssichere Abgrenzung von Bagatellfällen und solchen, die unverändert in die Zustimmung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung fallen sollen, auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen und andererseits auch manipulationsanfällig sein; sie haben zudem – wie schon der angesprochene Vorschlag im DiskE-UmwG – eine erhebliche Reichweite. Allerdings gibt es auch in Bezug auf den Umfang – wie bereits erwähnt – mit dem genehmigten Kapital Vorbilder, wenngleich auf der Kapitalbeschaffungsseite.
4. Zusammenfassung
Allen vorgeschlagenen bzw. geforderten Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie den Unternehmen zusätzliche Flexibilität einräumen sollen. Das hat aber vor allen Dingen damit zu tun, dass der Rechtsschutzmechanismus gegen Entscheidungen (vor allem) von Publikums-Aktiengesellschaften sehr zeitaufwändig ausgestaltet ist. Die vorgeschlagenen bzw. geforderten Maßnahmen, mit denen die Kompetenzen der Hauptversammlung beschnitten und die entsprechenden Maßnahmen damit dem Rechtsschutzmechanismus gegen Hauptversammlungsbeschlüsse entzogen werden, können daher auch als Antwort auf diesen defizitär ausgestalteten Rechtsschutzmechanismus angesehen werden. Eine andere Maßnahme als die Reduktion des Anwendungsbereichs für diesen Rechtsschutzmechanismus könnte daher auch darin bestehen, eben diesen Rechtsschutzmechanismus grundlegend zu reformieren.