Hinweise in Stellenanzeigen auf die erwünschte Berufserfahrung von Bewerbern sind in Deutschland noch gängige Unternehmenspraxis. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem in einer aktuellen Entscheidung nun Grenzen gesetzt (Az. 8 AZR 429/11).
Der damals 36jährige Kläger hatte sich bei der Berliner Charité für ein Traineeprogramm beworben, das sich an „Hochschulabsolventen/Young Professionals“ und Berufsanfänger richtete. Der Kläger verfügte über circa acht Jahre Berufserfahrung. Auf seine Bewerbung erhielt er eine Absage und verklagte die Charité auf Schadenersatz. Dabei berief sich der Kläger unter anderem auf eine Altersdiskriminierung und damit einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) durch die Beschränkung des Traineeprogrammes auf Berufseinsteiger.
Das Arbeitsgericht Berlin und das LAG Berlin-Brandenburg wiesen die Klage ab. Beide Gerichte vertraten zwar die Ansicht, dass die Ausschreibung einer Stelle nur für Berufsanfänger eine mittelbare Altersdiskriminierung bewirke, da Berufsanfänger in der Regel eher jünger seien. Allerdings sei die Diskriminierung im Fall der Charité durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt: Das Traineeprogramm diene zur beiderseitigen Erprobung und der Erlangung von Erfahrungen und Kenntnissen. Damit komplettiere es die Ausbildung und diene als Einstieg in das Berufsleben. Aus personalpolitischen Gründen sei die Beschränkung auf Berufsanfänger daher sachlich gerechtfertigt, weil die Programmteilnehmer möglichst langfristig an das Unternehmen gebunden werden sollten.
Am 24. 1. 2013 wurde die Sache vor dem BAG verhandelt (Az. 8 AZR 429/11). Das Gericht bestätigte, dass die Beschränkung des Traineeprogramms auf Berufsanfänger ein Indiz für eine Altersdiskriminierung darstelle, verwies die Sache aber zur weiteren Sachverhaltsaufklärung sowie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Berlin-Brandenburg zurück. Die Entscheidungsgründe des BAG liegen noch nicht vor. Offensichtlich hält das BAG die Ausführungen der unteren Instanzen zur Rechtfertigung der Altersdiskriminierung für nicht stichhaltig. Der Pressemitteilung des BAG zu dem Verfahren ist aber zu entnehmen, dass die Charité sich mit anderen Argumenten doch noch entlasten kann: Sie hatte sich in den Tatsacheninstanzen darauf berufen, nur Bewerber mit den Examensnoten „gut“ oder „sehr gut“ für das Traineeprogramm berücksichtigt und den Kläger, der nur über durchschnittliche Examina verfügte, schon aus diesem Grund ausgeschlossen zu haben. Diesem Vorbringen, das der Kläger bestritten hatte, wird das LAG Berlin-Brandenburg nun weiter nachgehen müssen. Kann die Charité die Differenzierung nach Examensnoten nachweisen, ist nach Ansicht des BAG das Indiz einer Altersdiskriminierung widerlegt (Pressemitteilung Nr. 5/13 des BAG vom 24. 1. 2013).
Es ist allerdings fraglich, ob diese Erwägungen auch auf Unternehmen der Privatwirtschaft übertragbar sind. Öffentliche Arbeitgeber wie die Berliner Charité sind gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen. Privatwirtschaftliche Arbeitgeber sind dagegen völlig frei darin, einem Bewerber trotz schlechterer Noten den Vorzug zu geben. Bisher hat das BAG es nicht ohne weiteres akzeptiert, wenn Arbeitgeber eine Diskriminierung unter Hinweis auf die unterhalb des Anforderungsprofils liegenden Noten oder die mangelnde Qualifikation eines AGG-Klägers zu widerlegen versuchten. Das BAG hat zwar mehrfach entschieden, dass eine Diskriminierung dann nicht vorliegen kann, wenn ein Bewerber „objektiv ungeeignet“ für die ausgeschriebene Stelle ist (z. B. Urteil vom 19. 8. 2010 – 8 AZR 466/09). Was genau aber bedeutet das? Legt ein Arbeitgeber Wert darauf, nur die Jahrgangsbesten oder nur Bewerber ab einer bestimmten Notenstufe einzustellen, reicht es dann aus, dass er diese Anforderungen in der Stellenanzeige dokumentiert? Das BAG hält das formelle Stellenprofil nicht für entscheidend, um die objektive Eignung des Bewerbers festzustellen. Es fragt vielmehr nach den Anforderungen, die an die jeweilige Tätigkeit „nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung“ gestellt werden. Ein für den Arbeitgeber unsicheres Kriterium. Faktisch zwingt ihn dies bisher im arbeitsgerichtlichen Prozess zum Nachweis, dass wirklich nur die Jahrgangsbesten in der Lage wären, den fachlichen Anforderungen an die Stelle gerecht zu werden. Diesen Nachweis werden die wenigsten Arbeitgeber erbringen können. Es wäre zu wünschen, dass das BAG mit der Entscheidung vom 24. 1. 2013 in diesem Bereich mehr Rechtssicherheit schafft.
Die Entscheidung des BAG fügt sich in eine Reihe von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen der vergangenen Jahre ein, durch die die Freiheit von Unternehmen bei der Stellenausschreibung immer weiter eingeschränkt wurde. Das AGG macht es abgelehnten Bewerbern leicht, sich auf Rechtsverstöße zu berufen. Enthält die Stellenanzeige ein diskriminierendes Merkmal, ist dies ausreichendes Indiz für einen Rechtsverstoß im Auswahlprozess. Der Arbeitgeber trägt dann vor Gericht die volle Beweislast dafür, dass er AGG-konform gehandelt hat. Bei Einführung des AGG in 2006 fürchteten Personalverantwortliche und Arbeitsgerichte in Deutschland daher eine Flut von Schadenersatzprozessen. Die befürchtete Klagewelle ist zwar ausgeblieben. Nach wie vor gibt es allerdings die viel zitierten „AGG-Hopper“, die systematisch Stellenanzeigen durchsuchen und das Führen von AGG-Prozessen als Geschäftsmodell betreiben. Auch der mittlerweile 38jährige Kläger hatte parallel zu dem Verfahren gegen die Charité weitere AGG-Prozesse geführt. Eine Vielzahl paralleler Klageverfahren wird von den Arbeitsgerichten allerdings nicht mehr als ausreichender Hinweis für eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung und damit als Ausschlusskriterium für eine Diskriminierungsklage akzeptiert (BAG, Urteil vom 13. 10. 2011 – 8 AZR 608/10).
Im Ergebnis haben Arbeitgeber in AGG-Prozessen immer schlechtere Karten. Ist erst einmal ein Indiz für ein nichtdiskriminierungsfreies Auswahlverfahren gesetzt, ist der Entlastungsnachweis aufwändig und bindet erhebliche Ressourcen. Arbeitgebern ist vor dem Hintergrund der jüngsten BAG-Entscheidung bis auf weiteres zu raten, in Stellenanzeigen von Hinweisen auf die erwünschte Berufserfahrung von Bewerbern abzusehen und den zu erwartenden operativen Mehraufwand für die Personalabteilung in Kauf zu nehmen.