Frauenquote oder bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

1. Die Oppositionsfraktionen haben vor einigen Wochen im Bundestag zwei Gesetzentwürfe zur „Frauenquote“ im Aufsichtsrat und – zum Teil – auch in weiteren Führungsgremien von Unternehmen vorgelegt (Entwürfe eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien [GlTeilhG, BT-Drucks. 17/11139] und eines Gesetzes zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen [ChGlFöG, BT-Drucks. 17/8878]). Auch wenn die Entwürfe in einigen Punkten der Kritik an früheren Entwürfen mit gleichem Ziel Rechnung tragen, können Sie in der vorliegenden Form nicht überzeugen.

Zunächst aber gilt es festzuhalten: Das mit den vorgeschlagenen Regelungen betreffend die Gleichstellung berufstätiger Frauen und Männer verfolgte generelle Anliegen, die Gleichstellung von Frauen in den Fokus zu nehmen und zu fördern, verdient nachdrückliche Unterstützung. Die Entwürfe verfehlen aber das selbstgesetzte Ziel einer Gleichstellung der Geschlechter, weil sie die Ursachen für die mangelnde Präsenz von Frauen in Führungspositionen in Deutschland – die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, insbesondere Kindern – überhaupt nicht in den Blick nehmen und andererseits den Fokus mit Führungspositionen in der Wirtschaft willkürlich auf einen kleinen Teil der Führungspositionen beschränken, bei denen sich das gleiche Problem stellt.

Im Ergebnis würden die vorgeschlagenen Regelungen daher dazu führen, dass die – auch bei Männern – in Führungspositionen verbreitete Kinderarmut erhalten bliebe (oder sogar aus­ge­baut würde) und sich nur „Umschichtungen“ innerhalb der Geschlechterverteilung auf dieser Ebene ergäben, die im Ergebnis sogar zu Lasten derjenigen Frauen gehen könnten, die zur Zeit auf nachgeordneten Unternehmensebenen mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.

2. Im Mittelpunkt der beiden von den Oppositionsfraktionen vorgelegten Gesetzesentwürfe stehen zwingende Geschlechterquoten. Diese sind zunächst einmal grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Festsetzung einer solchen Quote für die geschäftsleitenden Organe von Gesellschaften ist dabei (noch) kritischer zu sehen als eine solche im Hinblick auf den Aufsichtsrat.

Bedenken bestehen vor allem vor dem Hintergrund der nach Art. 14 GG gewährleisteten Eigentumsgarantie. Im Hinblick auf die Aufsichtsräte wird das Eigentum an den entsprechenden Gesellschaften schon durch die Vorschriften der Mitbestimmung (wesentlich) beeinträchtigt. Eine Geschlechterquote würde die Auswahlfreiheit bei der Besetzung der Aufsichtsräte noch weiter beschneiden, was sich im Ergebnis nicht mehr mit Art. 14 GG vereinbaren lässt. Das gilt in besonderem Maße für Inhaber wesentlicher Beteiligungen (zu denen auch, aber nicht nur die Beteiligungen an Familienunternehmen gehören). Dazu kommt noch, dass die von den vorgeschlagenen Quotenregeln betroffenen Unternehmen in aller Regel einem Unternehmensverbund angehören. Die Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten stellt sich hier in der Folge oftmals als Geschäftsführungstätigkeit des beherrschenden Unternehmens dar, was wiederum den Kern dessen unternehmerischer Freiheit berührt und den Konflikt mit der Eigentumsgarantie weiter verschärft. Darüber hinaus ergeben sich weitere Probleme etwa im Zusammenhang mit Entsenderechten in den Aufsichtsrat.

Widersprüchlich ist, dass die Quotenregelungen den Aufsichtsrat nicht als Einheit betreffen sollen, sondern für die Teilgremien „getrennt zu betrachten“ sein sollen. Auch die vorgesehenen Härtefallregelungen können den Konflikt mit Art. 14 GG im Ergebnis nicht hinreichend abmildern. Größtes Problem ist aber, dass die Quotenvorgaben offensichtlich der Qualität der Überwachung über die betreffende Gesellschaft vorgehen sollen.

3. Eine Frauenquote ist schließlich auch nicht vor dem Hintergrund der nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gegebenen Pflicht des Staates zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen von Frauen (oder Männern) geboten. Denn diese Verpflichtung zielt auf eine Chancengleichheit und gerade nicht auf eine Ergebnisgleichheit bei der Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund von Art. 157 Abs. 4 AEUV. Viel­mehr ist (insbesondere auch vor dem Regelungshintergrund des die aktuellen europäischen Vor­gaben umsetzenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes [AGG]) festzuhalten, dass eine wie hier vorgeschlagene Bevorzugung auf Grund des Geschlechts europarechtlich unzulässig sein dürfte.

4. Eine Frauenquote ist nicht ohne Alternativen. So ist an die Etablierung von Verhandlungsprozessen statt strikter gesetzlicher Vorgaben oder die Vorgabe einer Teilzeitbeschäftigtenquote zu denken, zielt diese doch auf das eigentliche, hinter einer Unterrepräsentanz von Frauen liegende Problem. Weitere Möglichkeiten für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestehen etwa und insbesondere auch im Steuerrecht.

Wichtiger und zielführender als eine Quotenregelung erscheint zudem die Verstärkung der öffentlichen Diskussion über die hinter der empirisch gegebenen Lage stehenden Gründe, um eine nachhaltige (strukturelle) Veränderung zu erreichen. Als geeignet erscheint hierfür – ähnlich dem Ansatz des § 161 AktG – die zwingend ausgestaltete Publizität.

Hierfür bietet sich vor allem der Lagebericht an. Allerdings kommt es für die zielgerechte Ermöglichung einer öffentlichen Diskussion darauf an, nicht (lediglich) Publizität im Hin­blick auf die Anteile der beiden Geschlechter an besetzten Führungspositionen, sondern auch (bzw. vor allem) im Hinblick auf die familiäre Situation aller Führungskräfte in solchen Positionen zu verlangen.

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