Leiharbeitnehmer sind bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer im Einsatzbetrieb zu berücksichtigen, wenn sie in der Regel beschäftigt werden. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden (Beschluss vom 13. 3. 2013 – 7 ABR 69/11, DB0581585).
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) legt in § 9 die Zahl der Betriebsratsmitglieder nach der Anzahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer fest: Je mehr Arbeitnehmer beschäftigt werden, desto mehr Betriebsratsmitglieder gibt es. Der Gedanke dahinter ist einfach – und richtig: Je größer ein Betrieb ist, desto mehr Aufgaben muss der Betriebsrat wahrnehmen und desto mehr Mitglieder braucht er. Bei 5 bis 100 Arbeitnehmern kommt es darüber hinaus auch auf die Wahlberechtigung der Arbeitnehmer an.
„In der Regel“ heißt: Vorübergehende Schwankungen werden ausgeklammert. Es kommt auf die üblicherweise vorhandene Anzahl an Arbeitnehmern an. Zu den Arbeitnehmern zählte die Rechtsprechung bislang nur Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert sind. Eingegliedert sind Leiharbeitnehmer, sie haben aber kein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzbetrieb: sie sind Arbeitnehmer des Verleihers.
Leiharbeitnehmer zählten daher nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG für die Größe des Betriebsrats im Einsatzbetrieb nicht mit, selbst wenn sie länger als drei Monate eingesetzt werden – und damit nach § 7 Satz 2 BetrVG selbst den Betriebsrat wählen dürfen im Einsatzbetrieb (Beschluss vom 16. 4. 2003 – 7 ABR 53/02, DB 2003 S. 2128; vom 10. 3. 2004 – 7 ABR 49/03, DB 2004 S. 1836). Kurzformel: „Sie wählen, aber sie zählen nicht.“
Diese Rechtsprechung hat der Siebte Senat jetzt ausdrücklich aufgegeben. Er begründet dies mit einer an Sinn und Zweck des Schwellenwerts begründeten Auslegung. Schon bei der nächsten Betriebsratswahl – regulär wird wieder zwischen 1. 3. und 31. 5. 2014 gewählt – sind daher Leiharbeitnehmer nach Maßgabe der neuen Entscheidung zu berücksichtigen.
In vielen Betrieben wird nicht nur die Anzahl der Betriebsratsmitglieder ansteigen. Die Entscheidung wird sich auch auf die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder auswirken. Die bisherige Rechtsprechung zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern – auch hier zählten Leiharbeitnehmer bislang nicht mit – wird nicht mehr zu halten sein. In vielen Betrieben dürften daher mehr Betriebsratsmitglieder freizustellen sein, weil jetzt die Schwelle für weitere Freistellungen erreicht wird.
Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten ist seit Ende 2011 in Fluss: Für einen anderen Schwellenwert im BetrVG (§ 111) fand der erste Senat des BAG, Leiharbeitnehmer seien mitzuzählen, wenn sie länger als sechs Monate beschäftigt werden (Urteil vom 18. 10. 2011 – 1 AZR 335/10, DB 2012 S. 408).
Im Dezember 2011 entschied der siebte Senat, dass Arbeitnehmer des öffentlichen Diensts, die aufgrund einer Personalgestellungin Privatbetrieben tätig sind, bei den Schwellenwerten der organisatorischen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes im Einsatzbetrieb mitzählen (Beschluss vom 15. 12. 2011 – 7 ABR 65/10, DB 2012 S. 1336). Hier existiert allerdings mit § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG eine Sondervorschrift, die das anordnet.
Anfang 2013 entschied der zweite Senat des BAG – entgegen nahezu einhelliger Ansicht –, Leiharbeitnehmer seien im Einsatzbetrieb bei dem Schwellenwert des Kündigungsschutzgesetzes zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel” vorhandenen Personalbedarf beruht (Urteil vom 24. 1. 2013 – 2 AZR 140/12, DB 0573780).
Für viele andere Schwellenwerte ist noch nicht entschieden, ob Leiharbeitnehmer mitzählen. Es ist aber eine Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar, Leiharbeitnehmer Stammarbeitnehmern gleichzustellen und sie mitzuzählen, wenn sie regelmäßig eingesetzt werden. Zünglein an der Waage werden Leiharbeitnehmer daher bei vielen Schwellenwerten in Zukunft wohl nicht mehr sein.