Vor einigen Tagen hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die einem Steuerpflichtigen vor dem 1. Januar 2009 zugeflossen sind, weiterhin unbeschränkt als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden können. Das im Jahr 2009 mit der Abgeltungssteuer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eingeführte Abzugsverbot für Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 EStG) finde auf diese Ausgaben keine Anwendung (FG Köln v. 17.4.2013 – 7 K 244/12 [nicht rechtskräftig]).
Die auf den ersten Blick technische Aussage wird interessant, wenn man den Hintergrund näher betrachtet: Der Kläger hatte Kapitaleinkünfte für das Streitjahr 2010 in Höhe von € 11.000 erklärt. Daneben machte er Steuerberatungskosten in Höhe von € 12.000 als Werbungskosten geltend, die im Rahmen einer Selbstanzeige von Kapitalerträgen der Jahre 2002 bis 2008 entstanden sind. Das Finanzamt gewährte aber lediglich den Sparer-Pauschbetrag. Die Anerkennung der tatsächlich entstandenen Werbungskosten lehnte es unter Hinweis auf ein einschlägiges Schreiben des Bundesfinanzministeriums ab. Danach sei das mit der Abgeltungssteuer eingeführte Werbungskostenabzugsverbot im Hinblick auf das geltende Abflussprinzip auch anzuwenden, wenn die ab 2009 entstandenen Kosten früher zugeflossene Kapitalerträge betreffen.
Das Finanzgericht Köln sah dies anders. Es begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem Wortlaut der einschlägigen Anwendungsregelung (§ 52a Abs. 10 Satz 10 EStG). Diese sehe ausdrücklich vor, dass die entsprechenden Vorschriften der Abgeltungssteuer erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden seien. Neben den tatsächlichen Werbungskosten in Bezug auf die Einkünfte vor 2009 gewährte das Gericht dem Kläger für die Kapitalerträge aus dem Streitjahr 2010 selbst zusätzlich den Sparer-Pauschbetrag. Denn hier kämen im Grunde zwei Besteuerungssysteme nebeneinander zur Anwendung. Für den nach Abzug des Pauschbetrages und der (nachträglichen) Werbungskosten entstehenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen greife auch die Verlustabzugsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG nicht ein. Denn auch diese komme nur für Kapitalerträge zur Anwendung, die erst nach 2008 zugeflossen seien.
Im Ergebnis stehen damit dem „steuerlichen Mehrertrag“ aus der Selbstanzeige in Höhe von € 11.000 zusätzliche Werbungskosten in Höhe von € 12.000 gegenüber. Bezieht man auch die Kosten der Finanzverwaltung für die Bearbeitung der Selbstanzeige und die Prozesskosten mit ein, wird deutlich: Die Selbstanzeige war für den Fiskus ein Verlustgeschäft, und zwar ein ziemlich deutliches. Verdient an der Sache haben ein Steuerberater und die Mitarbeiter der Finanzverwaltung …
Schlimmer noch ist: Das alles war absehbar. Denn schon seit Längerem wird – gerade auch im Zusammenhang mit der Nacherklärung ausländischer Kapitalerträge – die Frage erörtert, ob der Vollzugsaufwand für den Steuerpflichtigen und (!) die Finanzverwaltung in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag steht. Wie eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft von Ende 2012 zeigt, findet in der Finanzverwaltung aber – jedenfalls dort – weder eine vernünftige (Personal‑)Kostenrechnung statt (Bremische Bürgerschaft, Drs. 18/647, Antwort auf Frage 5), noch scheint überhaupt die Erkenntnis vorhanden zu sein, dass die durch Bescheid der Finanzverwaltung geltend gemachten „Steuermehrerträge“ nicht zwingend auch im selben Umfang endgültig sind (ebda., Antworten auf Frage 3 und 4, die zeigen, dass die Verwaltung nicht einmal das Problem erkannt hat).
Man darf vor diesem Hintergrund gespannt sein, welche weiteren Wendungen manch‘ anderer spektakulärer Fall von Selbstanzeigen (etwa Hoeneß) noch nimmt. Denn die Werbungskosten, die auf der Grundlage der Judikatur des FG Köln dort zugrunde zu legen sind, dürften beträchtlich sein. Der Aufwand für eine Berechnung von Spekulationsgewinnen, um die es dem Vernehmen nach in diesem Fall geht, ist deutlich größer als bei der bloßen Verbuchung von Zinseinnahmen. Wenn dann noch Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB wegen der Schäden hinzukommen, die wegen der Verletzung des Steuergeheimnisses entstanden sind (etwa in Form der Kündigung von Verträgen), wird deutlich: Das durchaus legitime Ziel höherer Steuergerechtigkeit sollte nicht als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Finanzverwaltung und steuerberatende Berufe dienen. Was wir brauchen, ist ein gerechtes und effizientes Steuersystem.