Das BAG hat mit Urteil vom 13. 3. 2013 – 5 AZR 954/11 (DB 2013 S. 1361) die Grundlage für Lohnnachforderungen von Zeitarbeitnehmern und Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung auf „equal pay“-Basis gelegt, deren Dimension über die der CGZP-Entscheidung des Jahres 2010 noch hinausgehen dürfte. So wurden völlig neue Anforderungen an die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von mehrgliedrigen Tarifverträgen aufgestellt. Der mehrgliedrige Tarifvertrag umfasst ein Regelwerk, das zwar in einer Vertragsurkunde zusammengefasst ist, aber von mehreren Arbeitnehmervertretungen gleichzeitig unterschrieben wurde. In dem vom BAG am 13. 3. 2013 entschiedenen Fall hatten auf der Seite der Arbeitnehmervertretungen mehrere sog. Christliche Gewerkschaften den mehrgliedrigen Tarifvertrag geschlossen. Auch bei den Tarifwerken des iGZ bzw. des BAP sind mit den einzelnen Mitgliedsgewerkschaften des DGB mehrere Tarifvertragsparteien vertreten. Folglich können auch diese Tarifvertragswerke mehrgliedrige Tarifverträge sein.
Das BAG hat nunmehr die Anforderung aufgestellt, dass bei der Einbeziehung eines solchen mehrgliedrigen Tarifvertrags im Arbeitsvertrag von vornherein klargestellt werden muss, welcher Teil dieses tariflichen Regelwerks für den Zeitraum einer Überlassung jeweils gilt. Aus dem Arbeitsvertrag heraus müsse der Mitarbeiter erkennen können, auf welchen Teil des mehrgliedrigen Tarifvertrags sich der Arbeitgeber für den jeweiligen Kundeneinsatz jeweils beruft, um damit das gesetzliche „equal pay“-Gebot abzulösen. Dass z. B. für seinen Einsatz in der Metall- und Elektro-Industrie der mit der IG Metall vereinbarte Tarifvertragsteil und für seinen Einsatz in der Chemischen Industrie der Tarifvertragsteil mit der IG BCE gilt. Erfüllt der Arbeitsvertrag diese Anforderungen nicht, fehlt es an der wirksamen Einbeziehung eines Tarifwerks und es gilt der gesetzliche „equal pay“-Grundsatz.
Arbeitsgerichte und Sozialversicherungsträger werden in der Folge die verwendeten Klauseln zur Einbeziehung der DGB-Tarifverträge an den Anforderungen des BAG messen. Diese Inbezugnahmeklauseln haben diese Anforderungen wohl ausnahmslos nicht erfüllt. Daher ist zu befürchten, dass kurzfristig umfangreich Lohnnachforderungen und – mit wirtschaftlich deutlich weitergehenden Konsequenzen – Sozialversicherungsträger Beitragsnachforderungen auf „equal pay“-Basis stellen, ähnlich wie dies im unmittelbaren Anschluss an die CGZP-Entscheidung des BAG im Jahr 2010 erfolgt ist. Insbesondere infolge solcher Beitragsnachforderungen würden der Zeitarbeitsbranche wirtschaftliche Konsequenzen i. H. von mehr als 2 Mrd. € drohen. Kunden der Zeitarbeit werden ein erhebliches Risiko sehen, für diese Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung in die Subsidiärhaftung genommen zu werden.
Aber die Gleichsetzung der DGB-Tarifverträge mit denjenigen der Christlichen Arbeitnehmervereinigungen erfolgt zu Unrecht. Bereits am 4. 6. 2013 – also ausdrücklich nach dem und in Kenntnis des BAG-Urteil(s) – hat das LAG Freiburg (Az.: 22 Sa 73/12) in Bezug auf die Wirksamkeit einer Vertragsklausel zur Einbeziehung des DGB-Tarifwerks entschieden, dass diese wirksam sei. Das LAG hat erkannt, dass es sich bei den DGB-Tarifverträgen um ein einheitliches Tarifwerk handelt. Bei einem solchen Tarifwerk verhandeln auf der Seite der Arbeitnehmervereinigungen auch mehrere Gewerkschaften. Diese handeln jedoch – wie eine BGB-Gesellschaft – als eine Tarifgemeinschaft. Mit ihrer Organisationsrichtlinie Zeit- und Leiharbeit vom 5. 3. 2003 haben sich die DGB-Gewerkschaften zu einer solchen Tarifgemeinschaft zusammengeschlossen.
Folglich – so das LAG – wurden mit der arbeitsvertraglichen Klausel nicht mehrere Tarifvertragswerke gleichzeitig, sondern nur ein einziger – eben ein einheitlicher DGB-Tarifvertrag der Zeitarbeit – in Bezug genommen. Die arbeitsvertragliche Klausel sei somit hinreichend transparent. Die auf „equal pay“-Nachzahlungen gerichtete Klage wurde abgewiesen. Nachforderungen haben die Zeitarbeitsunternehmen also zu befürchten; begründet sind diese aber wohl nicht.