Das BAG hat seine Rechtsprechung zum Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern bei Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG der neuen Rechtsprechung des BGH zur Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters aus den Jahren 2007 und 2008 angepasst. Hiernach reicht es für die Zurechnung der wirtschaftlichen Lage einer Konzernobergesellschaft nicht mehr aus, dass diese die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich dauernd und umfassend geführt hat und sich dabei konzerntypische Gefahren verwirklicht haben (BAG-Urteil vom 15. 1. 2013 – 3 AZR 638/10, DB0596085).
Der Entscheidung des BAG lag eine Klage eines Versorgungsempfängers gegen die Rechtsnachfolgerin des früheren Arbeitgebers auf Kaufkraftanpassung der Betriebsrente zugrunde. Der Kläger bezog ab Januar 1999 eine ihm arbeitsvertraglich zustehende Betriebsrente. Im September 1999 wurde der Vertrieb, das Lager und die Patente seines früheren Arbeitgebers verkauft und im Lauf des Jahres 2000 sämtliche Beschäftigte entlassen. Im Jahr 2005 wurde die persönlich haftende Gesellschafterin des früheren Arbeitgebers als übertragender Rechtsträger auf die Beklagte verschmolzen. Hierdurch ging im Weg des Collapse Merger auch das Gesellschaftsvermögen des früheren Arbeitgebers mit allen Aktiva und Passiva auf die Beklagte über. Der Kläger macht die Anpassung einer Betriebsrente ab Januar 2005 von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des früheren Arbeitgebers geltend. Er meint, dass es aufgrund der Verschmelzung allein auf die finanzielle Situation der Beklagten und nicht seines früheren Arbeitgebers ankäme. Im übrigen sei der Anspruch auf Zahlung einer höheren Betriebsrente nach den Grundsätzen des Berechnungsdurchgriffs im Konzern anhand der wirtschaftlichen Lage der Konzernobergesellschaft zu beurteilen.
Das BAG folgt der Rechtsprechung der Vorinstanz und lehnt die geltend gemachte Anpassung der Betriebsrente ab. Zum Anpassungsstichtag, dem 1. 1. 2005, habe der frühere Arbeitgeber eine Anpassung der Betriebsrente aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage verweigern können. Irrelevant für die Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrVG sei die wirtschaftliche Lage der Beklagten, da die nach dem Anpassungsstichtag erfolgte Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf die Beklagte nicht vorhersehbar war.
Außerdem könne dem früheren Arbeitgeber zum Anpassungsstichtag entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG nicht die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft zugerechnet werden. Nach § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG trifft eine Anpassungsprüfungspflicht dasjenige Unternehmen, das als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt hat bzw. am Anpassungsstichtag diese im Weg der Rechtsnachfolge übernommen hatte. Dabei ist grundsätzlich allein auf die wirtschaftliche Lage dieses Unternehmen abzustellen. Nur ausnahmsweise kann dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens zugerechnet werden (sog. Berechnungsdurchgriff). Diese Ausnahme setzt einen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung zwischen den Konzernunternehmen im Sinn einer Einstandspflicht und Haftung des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner voraus, da nur dann der Versorgungsschuldner im Innenverhältnis Rückgriff auf die Konzernobergesellschaft nehmen kann und die aus der Rentenanpassung erwachsenden zusätzlichen Verpflichtungen seine eigene wirtschaftliche Lage nicht weiter beeinträchtigen.
Für den qualifiziert faktischen Konzern, also den Konzern, der nicht durch Gewinnabführungs- bzw. Beherrschungsverträge (sog. Vertragskonzern) sondern durch die tatsächliche, dauernde und umfassende Führung der Geschäfte der Konzerntochter durch die Konzernmutter begründet wurde, wurde bislang eine solche Innenhaftung bereits dann angenommen, wenn die Leitungsmacht ohne Rücksicht auf die Interessen des abhängigen Unternehmens ausgeübt wurde. Diese Rechtsprechung gab der BGH jedoch 2007 auf und verlangte fortan unter Weiterentwicklung der Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens (BGH-Urteil vom 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, DB 2007 S. 1802). Dogmatisch ist die Existenzvernichtungshaftung nunmehr als Unterfall der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB und damit als Verhaltenshaftung der Gesellschafter anzusehen. Danach setzt die Verhaltenshaftung des Gesellschafters nach § 826 BGB den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft bzw. deren Vertiefung voraus.
Dieser neuen Rechtsprechung des BGH schließt sich das BAG an. Da dem früheren Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt die Insolvenz gedroht habe, fehle es vorliegen an dem für die Existenzvernichtungshaftung im qualifiziert faktischen Konzern erforderlichen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinn einer Einstandspflicht. Weiterhin fehle es auch an sonstigen Vertrauenstatbeständen, die einen Rückgriff auf den sog. Berechnungsdurchgriff rechtfertigen.
Auch nach der neuen Rechtsprechung des BAG bleibt es zwar weiterhin bei der grundsätzlichen Anerkennung des sog. Berechnungsdurchgriffs, doch gelten hierfür jedenfalls im qualifiziert faktischen Konzern strengere Voraussetzungen. Dem Anspruchsteller obliegt es nunmehr, die strengen und engen Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung zu beweisen und ein sittenwidriges insolvenzverursachendes Verhalten des Rechtsnachfolgers darzulegen, was jedoch in vielen Fällen nicht gelingen wird. Welche Auswirkungen die Rechtsprechungsänderung auf den Berechnungsdurchgriff im Vertragskonzern hat, bleibt abzuwarten.