Keine Beschallung der Nebenräume einer Hauptversammlung

„Eine Übertragung der Hauptversammlung in Nebenräume wird aktienrechtlich nicht verlangt.“ Das ist die Kernaussage des BGH-Beschlusses v. 8.10.2013 (II ZR 329/12), DB 2014 S. 827. Die Auffassung, es sei der gesamte Präsenzbereich zu beschallen, ist damit erledigt. So aber haben es manche Instanzgerichte und Kommentare gesehen, weil sonst das Teilnahmerecht des Aktionärs beeinträchtigt sei. Diese Praxis hat zu skurrilen Anfechtungen geführt wie etwa mit der Behauptung, der Handtrockner in der Toilette sei zu laut gewesen, um ausgerechnet dort das Geschehen akustisch wahrzunehmen (Siemens/Osram-Fall, dazu OLG München v. 10.4.2013). Der II. Zivilsenat hat die Gelegenheit ergriffen, in einem Nichtannahmebeschluss mit knappen Worten diese Wucherung der Praxis zu kappen. Zutreffend wird die Verantwortung des Aktionärs betont: „Wenn eine zugesagte Übertragung in solche Räume nicht stattfindet, kann der Aktionär dies beim Verlassen des Versammlungsraums unschwer erkennen. Er kann sich dann selbst entscheiden, ob er in den Versammlungsraum zurückkehren will.“ Der BGH unterscheidet nicht, ob das Subtraktionsverfahren oder das Additionsverfahren bei der Beschlussfassung praktiziert wird.

Insbesondere bei dem Subtraktionsverfahren wurde ein hoher Aufwand getrieben, um den Präsenzbereich (Foyer, Garderobe, Waschräume, Cateringbereich) zu beschallen und z.T. auch mit Videobildern zu versorgen. Das war schon bisher übertrieben und ist nach dem BGH-Diktum künftig nicht mehr nötig. Dem verständigen Aktionär ist klar, dass er nur im eigentlichen Versammlungsraum den Verhandlungen folgen und abstimmen kann. Darauf mag der Versammlungsleiter zu Beginn der HV eigens hinweisen, aber auch diese Belehrung ist (in den Worten des BGH) „aktienrechtlich nicht verlangt“. Auch der Beginn der Abstimmung muss nicht zwingend den außerhalb des Versammlungsraums sich aufhaltenden Aktionären kommuniziert werden.

Eine Zugangs- und Abgangskontrolle wird man weiterhin an den Zugangsräumen zum eigentlichen Versammlungssaal vornehmen, wofür handfeste praktische Gründe sprechen. Diese Kontrolle dient der Erstellung des Teilnehmerverzeichnisses, das die Grundlage der Stimmenberechnung namentlich beim Subtraktionsverfahren bildet. Die Aktien der Aktionäre innerhalb des Präsenzbereichs werden als „Ja“-Stimmen gewertet. Zu diesen Kontrollen hat sich der BGH-Beschluss nicht geäußert.

Dass die Übertragung in Nebenräume aktienrechtlich nicht verlangt wird, heißt nicht, dass sie zu unterbleiben hat. Selbstverständlich kann die Gesellschaft weiter die Neben-und Waschräume beschallen lassen. Obwohl: Bald meldet sich einer, der sich wegen der „aktienrechtlich nicht verlangten“ Tonkulisse beim Essen oder anderen Verrichtungen gestört fühlt … !

Und eine wichtige Ergänzung zum Schluss: Die Hauptversammlung kann auch in mehreren Räumen stattfinden. In Deutschland gab es diesen Fall bei der Hauptversammlung der damaligen Daimler Benz AG im Jahr 1998, als es um die Fusion mit Chrysler ging. Da die Versammlungshalle nicht ausreichte, wurden daneben große Zelte aufgestellt, die Bestandteil der HV waren. Die Verhandlungen aus der Halle wurden per Lautsprecher in die Zelte übertragen. Die Zelte waren ebenso „Haupträume“ wie die Halle, in der sich Vorstand und Aufsichtsrat und ein Teil der Aktionäre aufhielten. Würde die Idee einer HV an mehreren Orten, die simultan durch Audiovideo-Übertragung verbunden sind, wieder aufgegriffen, so wäre der BGH-Beschluss hier nicht einschlägig.

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