Freigabeverfahren

Mit Hilfe des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG kann einem rechtswidrigen Beschluss der Hauptversammlung dennoch zur Bestandskraft verholfen werden (Überblick zur Rechtsprechung Wilsing/Saß DB 2011, 919). Kürzlich hat dazu bei einer Diskussionsrunde ein erfahrener Rechtsanwalt bemerkt, er sei zwiegespalten: Von Montag bis Freitag nütze er das Verfahren professionell, am Samstag und Sonntag trüge er Bedenken. Im Folgenden sei auf zwei Bücher hingewiesen, die in diesem Sinne als Wochenendlektüre dienen mögen. Es handelt sich um eine Habilitations- und eine Dissertationsschrift. Erstere stammt von Michael Nietsch mit dem einprägsamen Titel: „Freigabeverfahren“. Die zweite Arbeit ist von Christian Jocksch verfasst: „Das Freigabeverfahren gem. § 246a AktG im System des einstweiligen Rechtsschutzes“.

Nietsch greift vor allem die Abwägungsklausel des § 246a Abs. 2 Nr. 3 als „Irrweg“ an. Nach herrschender Lesart ist die Grenze die „besondere Schwere des Rechtsverstoßes“; unterhalb dieser Schwelle wird nach wirtschaftlichen (!) Erwägungen zwischen dem Gesellschaftsinteresse und dem Interesse des Klägers (= Antragsgegners) abgewogen. Diesem nach dem Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes naheliegenden Konzept widerspricht der Verfasser energisch, auch unter Bemühung verfassungs- und europarechtlicher Argumente. Stets habe es um die Erfolgsaussicht der die Eintragung hindernden Beschlussmängelklage zu gehen. Unter den Bedingungen eines Eilverfahrens sei hierzu eine Prognose zu treffen. Nur wenn sich das Gericht dazu nicht in der Lage sieht könne hilfsweise eine Abwägung erfolgen.

In diesem wichtigen Punkt stimmt die Arbeit von Jocksch überein. Für ihn ist sogar Maßstab für die besondere Schwere des Rechtsverstoßes die Erfolgsaussicht der Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren. Sei der Erfolg absehbar, dürfe kein Freigabebeschluss ergehen. Sofern Nichtigkeitsgründe vorliegen, könne das Vollzugsinteresse der Gesellschaft grundsätzlich nicht überwiegen.

Einen interessanten Vorschlag unterbreitet Jocksch für die Frage, ob und inwieweit der Registerrichter an die Freigabeentscheidung gebunden ist. Nach gegenwärtiger Rechtspraxis soll der Registerrichter noch eigens prüfen, soweit das OLG nicht dazu gesprochen hat. Diese u.U. schwierige Arbeitsteilung verwirft der Verfasser und hält den OLG-Senat für verpflichtet, bei allen Freigabegründen zusätzlich die Eintragungsfähigkeit des Beschlusses zu prüfen (und im Tenor auszusprechen). Ein Problem ist bei dieser Konstruktion, dass im Freigabeverfahren nicht von Amts wegen ermittelt wird. De lege ferenda plädiert der Autor für eine Überführung in ein FamFG-Verfahren.

Diese knappen Bemerkungen können nur einen kleinen Teil der Vorschläge und Detailanalysen der beiden Werke notieren, die 2013 im Tübinger Verlag Mohr Siebeck erschienen sind. Sie sollen dazu anregen, die jüngsten gewichtigen Abhandlungen aus der Rechtswissenschaft zur Kenntnis zu nehmen – auch werktags.

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