Der BGH hat gestern seine Entscheidung zur Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank verkündet (Az: II ZR 353/12). Bei dem Rechtsstreit geht es im Kern um die Frage, ob der von der Deutschen Bank 2010 im Rahmen ihres Übernahmeangebots gezahlte Kaufpreis angemessen war und damit den gesetzlichen Anforderungen genügte. Der BGH hatte dabei über Fragen zu entscheiden, die für die Beratungspraxis bei öffentlichen Übernahmen von zentraler Bedeutung sind.
Fall und Urteil
Die Klägerin, das Börsenjournal Effecten-Spiegel, hielt vor der Übernahme durch die Deutsche Bank 150.000 Postbank-Aktien. Diese verkaufte sie im Rahmen des freiwilligen Übernahmeangebots Ende 2010 an die Deutsche Bank. Den dabei von der Deutschen Bank gezahlten Preis von 25 € pro Aktie hält die Klägerin für zu niedrig; er verstoße gegen die übernahmerechtlichen Mindestpreisregelungen. Die Klägerin verlangt deshalb die Zahlung eines Differenzbetrags i. H. von fast 5 Mio. €, was einer Verdopplung des Kaufpreises entsprechen würde. Nachdem das LG und das OLG Köln die Klage in den Vorinstanzen abgewiesen hatten, hat der BGH das Urteil des OLG Köln gestern aufgehoben und die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts an das OLG zurückverwiesen.
Hintergründe
Die Deutsche Bank und die Deutsche Post, die damalige Mehrheitsaktionärin der Postbank, hatten mit Verträgen vom 12. 9. 2008 und 14. 1. 2009 vereinbart, dass die Deutsche Bank die von der Deutschen Post gehaltenen Postbank-Aktien in drei Schritten erwerben sollte: einen ersten Teil durch sofortige Übertragung der Aktien für ca. 24 €, einen zweiten Teil über eine Pflichtumtauschanleihe für ca. 45 € und einen dritten Teil aufgrund von Call- und Put-Optionen für ca. 49 € je Aktie. Die Klägerin behauptet u. a., dass die Deutsche Bank unmittelbar nach Abschluss dieser Verträge ein Pflichtangebot hätte unterbreiten müssen. Die das Pflichtangebot auslösende Kontrolle habe die Deutsche Bank jedenfalls aufgrund übernahmerechtlicher Zurechnungsvorschriften erworben. Der im Rahmen dieses Pflichtangebots zu zahlende Preis wäre wohl unstreitig deutlich höher gewesen als der Preis, den die Deutsche Bank im Rahmen ihres freiwilligen Übernahmeangebots im Oktober 2010 schließlich zahlte. Im Zentrum der BGH-Entscheidung standen daher die Zurechnungsvorschriften des Übernahmerechts, die teilweise sehr komplex und umstritten sind.
Teilweise Bestätigung der Vorinstanzen
Die Entscheidungsgründe des BGH liegen noch nicht vor. Wie aber der Pressemitteilung zu entnehmen ist, gibt der BGH den Vorinstanzen insbesondere in zwei wesentlichen Punkten Recht:
Entgegen der Auffassung der Klägerin hielt die Deutsche Post die Postbank-Aktien nach Vertragsschluss (und vor Übertragung der Aktien auf die Deutsche Bank) nicht „für Rechnung“ der Deutschen Bank. Die beiden Vorinstanzen hatten dazu bereits ausgeführt, dass dies u. a. vorausgesetzt hätte, dass die Deutsche Bank (gesichert) Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Deutsche Post hätte nehmen können. Dies sei nicht der Fall. Diese Einschätzung hat der BGH nun bestätigt. Die zugrunde liegende Rechtsauffassung, nämlich die mögliche Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung als Tatbestandsvoraussetzung, steht im Einklang mit einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2009 (BGH vom 16. 3. 2009 – II ZR 302/06, DB 2009 S. 1004).
Noch interessanter war die Frage, ob der Deutschen Bank wegen der von ihr gehaltenen Call-Optionen (und der Pflichtumtauschanleihe) Stimmrechte zuzurechnen waren. Der Abschluss von Optionsgeschäften im Vorfeld von öffentlichen Übernahmen ist in der Praxis durchaus üblich. Die Frage, ob eine Zurechnung zum Optionsinhaber auch bei „einfachen“, d. h. rein schuldrechtlich ausgestalteten Optionen stattfindet, war lange umstritten. Zwar nahm schon die mittlerweile ganz herrschende Meinung in der Literatur – in Übereinstimmung mit der BaFin-Praxis – an, dass eine Zurechnung bei „einfachen“ Optionen nicht stattfindet. Eine höchstrichterliche Klärung stand bislang allerdings aus. Die aktuelle BGH-Entscheidung wird hier wohl die herrschende Auffassung bestätigen und damit endgültig Rechtssicherheit bringen.
Frage des „acting in concert“ bleibt offen
Nicht umfassend entscheiden konnte der BGH über die Frage des sog. „acting in concert“, d. h. einer etwaigen Abstimmung der Deutschen Bank mit der Deutschen Post über die Ausübung von Stimmrechten aus den Postbank-Aktien. Weder das LG noch das OLG Köln waren der Auffassung der Klägerin gefolgt, dass der Deutschen Bank die Stimmrechte der Deutschen Post auf Basis des „acting in concert“-Tatbestands zuzurechnen waren. Die Klägerin hatte mehrere Anhaltspunkte für eine solche Abstimmung vorgetragen.
Der BGH scheint sich der Auffassung der Vorinstanzen auch hier weitgehend anzuschließen (z. B. auch in Bezug auf die „Nichtandienungsvereinbarung“ zwischen den Parteien). Er hält aber zumindest im Hinblick auf eine sogenannte „Interessensschutzklausel“, die die Vereinbarung vom 14. 1. 2009 nach dem Vortrag der Klägerin enthält, ein „acting in concert“ zwischen den Parteien für möglich. Diese u. U. existierende Interessenschutzklausel hätten die Vorinstanzen nach Auffassung des BGH (genauer) beleuchten müssen. Das OLG Köln hatte dazu noch in aller Kürze festgehalten, dass „kein greifbarer Anhaltspunkt“ dafür vorliege, dass die Stimmrechtsausübung der Deutschen Post durch eine Interessensschutzklausel in der Vereinbarung mit der Deutschen Bank abgesichert sei (die Deutsche Bank hat ihre Vereinbarungen mit der Deutschen Post während des bisherigen Verfahrens wohl nicht, oder zumindest nicht vollständig, vorgelegt). Diese Behauptung sei, so das OLG weiter, von der Klägerin ersichtlich „ins Blaue hinein aufgestellt worden“.
Der BGH gab dem OLG auf, die für die rechtliche Bewertung der Interessenschutzklausel erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen, d. h. den Sachverhalt weiter aufzuklären. Inhaltlich hat der BGH die Frage des „acting in concert“ damit noch nicht abschließend beantwortet.