Im allgemeinen Sprachgebrauch und in der betrieblichen Praxis beantragen bzw. nehmen Arbeitnehmer Urlaub. Nach einem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014 (21 Sa 221/14, DB 2014 S. 2114) sollten aber vor allem Arbeitgeber darauf achten, Urlaub – nachweislich – rechtzeitig zu gewähren bzw. zumindest anzubieten, um nicht später Ersatzurlaub oder Schadensersatz in Geld leisten zu müssen.
Tradierte Rechtslage
Grundsätzlich sieht das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in § 7 Abs. 3 vor, dass der Urlaub im Kalenderjahr „gewährt und genommen werden muss“ und nur ausnahmsweise übertragbar ist, dann aber spätestens mit Ablauf des 31. März des Folgejahres verfällt. Der Urlaubsanspruch ist also befristet. Eine finanzielle Abgeltung ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur zulässig für Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann, aber – so die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG – auch noch nicht verfallen war (BAG, Urteil vom 15.09.2011 – 8 AZR 846/09, DB 2014 S.808). Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind nach § 7 Abs. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass dem dringende betriebliche Belange oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen.
Was passiert aber, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt? Das BAG hat in dem genannten Urteil hierzu klar entschieden, dass der Urlaubsanspruch dann verfällt. Nur wenn der Arbeitgeber einen rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und dieser deswegen verfällt, könne der Arbeitnehmer Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, weil das Arbeitsverhältnis geendet hat, in Geld verlangen. Der Arbeitgeber sei aber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer anzuhören oder seine Urlaubswünsche zu erfragen, um den Urlaubszeitraum von sich aus zu bestimmen.
Abweichende Entscheidung des LAG
Dies sah das LAG Berlin-Brandenburg nun jedoch anders: Mit Urteil vom 12.06.2014 (21 Sa 221/14, a.a.O.) entschied es, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, den Urlaubsanspruch von sich aus zu erfüllen. Darauf, ob der Arbeitnehmer rechtzeitig Urlaub beantragt und so den Arbeitgeber in Verzug gesetzt habe, komme es – ausdrücklich entgegen der Rechtsprechung des BAG – nicht an.
In dem vom LAG entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis geendet hatte, Mitte 2013 unter anderem Abgeltung seines Urlaubs für das Jahr 2012 verlangt, den der Arbeitgeber nicht gewährt, der Arbeitnehmer aber auch zuvor nicht geltend gemacht hatte. Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtung, den Urlaub zu erteilen, schuldhaft verletzt habe und daher Schadenersatz leisten müsse. Das Gericht meint, bereits die Formulierung des Gesetzes, wonach der Urlaub innerhalb des dort vorgegebenen Zeitraums „zu gewähren und zu nehmen“ ist, verdeutliche die Ablauffolge, dass der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung erfüllen müsse. Der Begriff „gewähren“ deutet nach gängigem Sprachgebrauch allerdings umgekehrt auf eine vorausgehende Bitte oder einen Antrag hin. Gewichtiger erscheint das weitere Argument, der Erholungsurlaub diene dem Gesundheitsschutz und zähle damit zum Arbeitsschutzrecht, das der Arbeitgeber auch ohne Antrag wahren müsse. Zudem müsse er auch sicherstellen, dass die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten eingehalten würden und der Jahresurlaub sei letztlich eine Art (zu vergütende) Jahresruhezeit.
Ob der Urlaubsanspruch noch selbst nach § 7 Abs. 4 BurlG abzugelten oder aber zum 31. März 2013 verfallen sei, der Arbeitgeber hierfür aber Schadensersatz zu leisten habe, ließ das LAG offen, weil der Arbeitgeber in beiden Fällen zahlen müsse. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber die Nichterfüllung nicht zu vertreten hätte, sah das LAG nicht. Die Revision wurde zugelassen.
Europäischer Einfluss – Urlaubsrecht im Wandel
Das LAG legt das deutsche Urlaubsrecht im Lichte der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) aus und folgt damit einem Trend der letzten Jahre. Nach Art. 7 der Richtlinie muss jeder Arbeitnehmer einen bezahlter Mindestjahresurlaub von vier Wochen im Jahr erhalten, der auch nicht einfach verfallen darf, wenn er nicht genommen werden konnte. Der EuGH hat hieraus u. a. geschlossen, dass der Urlaubsanspruch auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit entstehe und nicht verfalle. Erschrocken über die Auswüchse bei jahrelanger Krankheit hat er später einen Verfall zumindest 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahrs akzeptiert. Das BAG legt § 7 Abs. 3 BUrlG seitdem unionsrechtskonform dahingehend aus, dass der Urlaub bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit zum 31. März nicht des Folgejahres, sondern erst des darauffolgenden Jahres verfalle.
Auch in der Frage, ob ein Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Urlaub entstehe und vererbbar sei, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende, wird das BAG, das dies bislang ablehnt hat, wohl der abweichenden Ansicht des EuGH folgen müssen. Dieser hatte die Vererbbarkeit jüngst mit Urteil vom 12.06.2014 (C-118/13, DB 2014 S. 1437) bejaht.