Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Dies hat das BAG mit Urteil vom 21. Oktober 2014 (9 AZR 956/12, Pressemitteilung Nr. 57/14) entschieden.
Zusatzurlaub für …
Beim Schuhhersteller Birkenstock haben Arbeitnehmer ab einem Lebensalter von 58 Jahren Anspruch auf zwei zusätzliche Tage Urlaub. Eine jüngere Arbeitnehmerin fühlte sich durch diese Regelung benachteiligt. Sie erhob Klage mit der Begründung, die unterschiedliche Urlaubslänge stelle eine Diskriminierung dar und verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Vielleicht dachte die Klägerin hierbei an ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10). Im damaligen Verfahren war derselbe Senat von einer unzulässigen Diskriminierung ausgegangen, weil der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs, beginnend mit der Vollendung des 40. Lebensjahres, vorsah und hatte eine Anpassung des Urlaubsanspruchs der jüngeren Arbeitnehmer nach oben vorgenommen. Die nun erfolgte Klageabweisung durch das BAG steht trotz des unterschiedlichen Verfahrensausgangs im Einklang zu dieser bisherigen Rechtsprechung.
… „Ältere Arbeitnehmer“
Die Entscheidung des BAG ist richtig. Bereits die Vorinstanz, das LAG Rheinland-Pfalz, dessen Entscheidung nun bestätigt wurde, hatte auf den gerichtlichen Erfahrungssatz verwiesen, dass die physische Belastbarkeit älterer Arbeitnehmer abnimmt. Ab wann man die Grenze zum „älteren Arbeitnehmer“ überschreitet, wird sich nicht einheitlich fixieren lassen. Eine solche Festlegung ist auch von den noch ausstehenden Urteilsgründen nicht zu erwarten. Zumindest bei körperlich arbeitenden Menschen wird man jedoch bei über 55-Jährigen sicher davon ausgehen können, dass diese als ältere Arbeitnehmer gelten. Die nach Alter gestaffelte Urlaubsdauer stellt in jedem Fall unzweifelhaft eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer dar (§ 3 AGG). Anders als im 2012 entschiedenen Fall nahm der Senat nun aber eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung nach § 10 AGG an. Mit der Einräumung zusätzlichen Urlaubs für Arbeitnehmer von über 58 Jahren trägt der Arbeitgeber dem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung.
Ermessens- und Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers
Bei der Frage, ob ein solches gesteigertes Erholungsbedürfnis besteht, räumt das BAG dem Arbeitgeber einen gewissen Einschätzungsspielraum ein. Im entschiedenen Fall durfte das Unternehmen angesichts der körperlich belastenden Tätigkeit bei der Altersgruppe der über 58-Jährigen von einem erhöhten Erholungsbedürfnis ausgehen.