Neuer Vertrauensschutz für Syndikusanwälte

RA Dr. Jochen Leßmann, Partner, SCHWEIBERT LESSMANN, Frankfurt/Main

RA/FAArbR Dr. Jochen Leßmann, Schweibert Leßmann & Partner, Frankfurt/M.

Für angestellte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern („Syndikusanwälte“) hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteile vom 03.04.2014 (DB0651517) die Türe zur Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht im Prinzip geschlossen. Außerdem hatte das BSG am 31.10.2012 (DB 2013 S. 1119) schon geurteilt, dass Befreiungen nicht „personen- oder tätigkeitsbezogen“, sondern nur für die jeweilige Beschäftigung gelten. Die Kombination beider Entscheidungen führte dazu, dass viele Syndikusanwälte schon seit langem nicht mehr ordnungsgemäß von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit waren und auch keine Befreiung mehr erreichen würden. Was mit den Versicherungszeiten in der Vergangenheit geschehen würde, war für Syndikusanwälte und deren Arbeitgeber ungewiss. Eine komplexe Rückabwicklung der rentenversicherungsrechtlichen Verhältnisse zwischen Versorgungswerken, Deutsche Rentenversicherung (DRV) und den Beteiligten schien ebenso unvermeidbar wie eine einzelfallbezogene Befassung der Gerichte mit einer großen Zahl von Ansprüchen auf Vertrauensschutz. Für Verwaltung, Gerichte, Betroffene, Unternehmen und Versorgungswerke war ein Thema entstanden, welches sie über Jahre zu beschäftigen drohte. Jetzt hat die DRV auf ihrer Internetseite (www.deutsche-rentenversicherung.de) Informationen zur Umsetzung der BSG-Urteile zu den Syndikusanwälten veröffentlicht und sich für eine zu begrüßende „zukunftsorientierte Lösung“ entschieden.

Bestehender Vertrauensschutz nach dem BSG

Bereits das BSG hatte in seinen Urteilen vom 03.04.2014 einen weitreichenden Vertrauensschutz für diejenigen Syndikusanwälte statuiert, die für ihre aktuelle Beschäftigung einen bindenden Befreiungsbescheid haben. Dies hebt die DRV noch einmal hervor. Kommt es hier allerdings zukünftig zu einem Wechsel des Arbeitgebers (außerhalb eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB) oder einer (wesentlichen) Änderung der Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber, endet die Wirkung des „vertrauensgeschützten“ Befreiungsbescheids.

Neue Informationen der DRV zur Umsetzung der BSG-Rechtsprechung

Mit Spannung erwartet wurde die Antwort der DRV auf die Frage, wie mit den „Altfällen“ umzugehen sei, also vor allem den Fällen, in denen Syndikusanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern tätig sind, ihre Beiträge zum berufsständischen Versorgungswerk aber auf der Grundlage von nicht mehr bindenden Befreiungsbescheiden leisteten. Für diese Fälle gilt nach der DRV nun folgendes:

  • Syndikusanwälte, die am 31.12.2014 das 58. Lebensjahr vollendet haben (rentennahe Jahrgänge), bleiben grundsätzlich von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit, solange alle Voraussetzungen für die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung erhalten bleiben (Rechtsanwaltszulassung, Zahlung einkommensbezogener Beiträge etc.). Dies gilt sogar bei zukünftigen Arbeitgeberwechseln.
  • Syndikusanwälte, die das 58. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und nicht über einen Befreiungsbescheid für die aktuelle Beschäftigung verfügen, sollen von ihren Arbeitgebern spätestens bis zum 12.02.2015 mit (Rück)Wirkung zum 01.01.2015 zur gesetzlichen Rentenversicherung angemeldet werden (§ 6 DEÜV). Ab diesem Datum sind Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen. In diesen Fällen sind – bei fristgemäßer Anmeldung – für die Vergangenheit keine Beiträge an die DRV nachzuentrichten.
  • Wurden Syndikusanwälte dieser Gruppe bereits vor dem Stichtag 01.01.2015 zur DRV angemeldet, soll es dabei bleiben. Auch in diesen Fällen erfolgt aber keine Nacherhebung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.
  • Diese Vertrauensschutzregelungen gelten allerdings nicht für Personen, die in der Vergangenheit ihre Rechtsanwaltszulassung zurückgegeben haben (und nur noch freiwillige Mitglieder der berufsständischen Versorgungseinrichtung sind) oder eine Tätigkeit ausüben, die unter keinen Umständen als rechtsberatende Tätigkeit angesehen werden kann. In diesen Fällen besteht ab dem Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung. Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind im Rahmen der Verjährungsregelungen (§ 25 SGB IV) nachzuentrichten.

Fazit und Ausblick

Mit diesem „neuen“ Vertrauensschutz hat die DRV eine umfassende und dem Rechtsfrieden dienende Lösung gefunden. Im Rahmen des nach den Urteilen des BSG Möglichen kommt sie allen Beteiligten zugute:

  • Den betroffenen Syndikusanwälten bleiben die Anwartschaften in den Versorgungswerken jedenfalls bis zum 31.12.2014 erhalten;
  • Die Versorgungswerke erleiden allenfalls überschaubaren Mittelabfluss;
  • Der Verwaltung und den Sozialgerichten bleibt ein sehr großer Teil von Streitigkeiten erspart; und
  • Die Unternehmen sind nicht vor die – rechtlich zum Teil sehr schwierige – Frage gestellt, ob sie ihre Syndikusanwälte für die fehlerhaft abgeführten Versorgungsbeiträge in Regress nehmen müssen.

Allein ein offensichtlicher und schwer nachvollziehbarer Punkt bleibt: Unternehmen, die sich angesichts der erheblichen Sanktionen einer nicht oder nicht rechtzeitigen Abführung der gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge schon zeitig nach der Verlautbarung der DRV aus dem Januar 2014 dazu entschlossen hatten, den nicht immer konfliktfreien Weg der Anmeldung ihrer nicht befreiten Syndikusanwälte zur DRV bereits im Jahr 2014 zu gehen, werden sich nun „Vorwürfen“ ihrer umgemeldeten Syndikusanwälte ausgesetzt sehen. Hätte man – nicht rechtskonform (!) und ungeachtet der erheblichen Sanktionen – abgewartet, stünden die Syndikusanwälte jetzt besser da, wenn auch nur marginal. Es ist nur schwer einsehbar, dass rechtstreues Verhalten schlechter gestellt wird, als ein nicht rechtskonformes Zuwarten. Hier ist noch Raum für ein Nachjustieren der in der Tat zukunftsorientierten Lösung der DRV.

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