„Durch die Satzung kann ein Hauptversammlungsort im Ausland bestimmt werden.“ So lautet der 1. Leitsatz einer soeben veröffentlichten BGH-Entscheidung (Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 330/13, DB 2014, 2951). Damit konnte der II. Zivilsenat eine umstrittene Rechtsfrage endlich klären. Nach ganz überwiegender Literaturmeinung war die grundsätzliche Zulässigkeit einer HV im Ausland zwar gegeben – aber es fehlte das jetzt erteilte höchstrichterliche Plazet. Der Senat setzt sich eingehend mit dem Haupteinwand auseinander, das Beurkundungserfordernis (§ 130 Abs. 1 Satz 1 AktG) stehe einer Versammlung im Ausland entgegen. Die Beurkundung durch einen ausländischen Notar genüge, „wenn sie der deutschen Beurkundung gleichwertig ist.“ (Rn. 16). Hier liegt noch Zündstoff. Für die Beurkundung von Satzungsbeschlüssen und Anteilsabtretungen bei der GmbH wird die Tätigkeit von Baseler und Züricher Notaren von der Rechtsprechung für „gleichwertig“ gehalten. Das wäre für die HV-Beurkundung wohl ein zu enger Zuschnitt. Das Urteil spricht nämlich kurz darauf davon, dass eine „unabhängige ausländische Urkundsperson“ genüge, deren Stellung mit der eines deutschen Notars „vergleichbar“ ist (Rn. 17). Legt man die Betonung auf die Vergleichbarkeit der Rechtsstellung (und nicht auf die Gleichwertigkeit der Beurkundung), ergibt sich ein weitaus breiteres, nach der Gesamtanlage des BGH-Urteils auch gewolltes Einsatzfeld für die HV im Ausland.
Nach dem „ja“ kommt das „aber“. Denn die Bestimmung eines Versammlungsorts im Ausland durch die „Satzung muss eine sachgerechte, am Teilnahmeinteresse der Aktionäre ausgerichtete Vorgabe enthalten“ (aus dem 2. Leitsatz). Ein freies Auswahlermessen des einberufenden Vorstands darf es nicht geben. Da ein solches bei einer Satzungsklausel gesehen wurde, wonach die HV „am Sitz einer Wertpapierbörse in der Europäischen Union oder einer Großstadt in der Europäischen Union mit mehr als 500.000 Einwohnern“ stattfinden kann, war die Anfechtung im vorliegenden Fall berechtigt.
Für die Praxis ist es trotz der grundsätzlichen Billigung einer Auslands-HV sehr schwierig, eine korrekte Satzungsbestimmung zu formulieren. Der Senat sagt zunächst, was nicht geht (Rn. 21): Eine „hohe Zahl an möglichen Versammlungsorten in ganz Europa“ und die Zumutung einer weiten Anreise „bis an die Ränder der Europäischen Union“. Ferner wird moniert, dass am Versammlungsort „kein Bezug zur geschäftlichen Tätigkeit der Gesellschaft besteht“ (wobei dieser Satz nicht umgekehrt als Erfordernis zu deuten sein dürfte).
Eine Satzungsregelung muss das Teilnahmeinteresse des Aktionärs wahren. Der Aktionär („jedenfalls bei einer Aktiengesellschaft mit größerem Aktionärskreis“; Rn. 20) soll sich auf die möglichen Versammlungsorte einstellen können. Das spricht dafür, eine klare und für die Anreise zumutbare Auswahl der möglichen Orte zu benennen, etwa: „Die HV kann in der Hauptstadt eines Staates stattfinden, der an Deutschland angrenzt, ferner in Amsterdam, London oder Zürich“. S. auch Noack/Zetzsche, Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2011, § 121 Rn. 188: „Für den Stuttgarter Daimler-Aktionär ist Paris nicht schwerer erreichbar als Berlin“.
Nicht zu befinden war über die Möglichkeit der Teilhabe „im Wege elektronischer Kommunikation“ (§ 118 Abs. 1 S. 2 AktG). Wie wäre das Teilnahmeinteresse zu bewerten, wenn zwar die Präsenz-HV am „Rand der Europäischen Union“ (oder in Übersee) stattfindet, die Gesellschaft aber die volle Rechtsausübung via Internet ermöglicht, ggf. an hiesigen Orten einige Räumlichkeiten mit der entsprechenden Technik zur Verfügung stellt?