BAG zum „Busengrapscher“: Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen sexueller Belästigung

RA Dr. Thomas Gennert, McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP, Düsseldorf

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Die Entscheidung des BAG (vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13) wurde in den Tagesmedien hochgekocht und von der Boulevard-Presse scharf kritisiert. Doch nichts ist beim Essen tatsächlich so heiß, wie es gekocht wird. Das Urteil zeigt: Bei Pflichtverletzungen von Arbeitnehmern, die grundsätzlich geeignet sind, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, können im Einzelfall gleichwohl Umstände gegen die Wirksamkeit einer Kündigung sprechen.

 

 

Der Sachverhalt – Augenblicksversagen eines Kfz-Mechanikers

Der Kläger, ein Kfz-Mechaniker, traf auf die Mitarbeiterin eines Reinigungsunternehmens, Frau M. Er hatte dabei den Eindruck, Frau M. flirtete mit ihm und sagte zu ihr, sie habe „einen schönen Busen“, woraufhin er diesen berührte. Als Frau M. ihm zu verstehen gab, dass sie dies nicht wünsche, ließ der Kläger sofort von ihr ab. Nachdem der Sachverhalt bekannt geworden war, gestand der Kläger in einem Gespräch mit der beklagten Arbeitgeberin den Vorfall ein und erklärte, er habe sich „eine Sekunde lang vergessen“, jedenfalls tue ihm die Sache „furchtbar leid“. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. und zahlte ihr ein Schmerzensgeld.

Die Entscheidung des BAG – Abmahnung grundsätzlich nicht entbehrlich

Das BAG hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und sieht die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses als unwirksam an (während das ArbG dies zunächst anders sah). Zwar sei eine sexuelle Belästigung – die hier zweifellos vorlag – an sich geeignet einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB darzustellen. Die weiter erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall gehe aber zugunsten des Klägers aus. Die Beklagte hätte den Kläger zunächst abmahnen müssen. Bei steuerbarem Verhalten sei grundsätzlich davon auszugehen, dass künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für das Arbeitsverhältnis positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedürfe es nur dann nicht, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in der Zukunft nicht ändern werde, oder es sich um eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung handele, deren Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar sei.

Interessenabwägung im Einzelfall geht zu Gunsten des Klägers aus

Diese Voraussetzungen lagen  laut BAG hier nicht vor: Zum einen sei zu berücksichtigten, dass der Kläger seit 1996 beanstandungsfrei bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Daneben sei der Kläger nicht unfähig, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen „Blackout“ habe er „einmaliges Augenblicksversagen“ eingeräumt. Nichts spreche dafür, dass sich ein solcher Sachverhalt wiederhole, insbesondere, dass sich der Kläger erneut irrtümlicherweise „angeflirtet“ fühlt. Auch habe der Kläger sein Verhalten trotz der „4-Augen-Situation“ mit Frau M. nicht abgestritten, sei ehrlich über sein Verhalten erschrocken gewesen und habe sich durch sein Entschuldigungsschreiben und das Schmerzensgeld reuig gezeigt.

Fazit: Vorsicht bei fristlosen Kündigungen!

Die Entscheidung folgt den bekannten Pfaden der Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung. Obwohl vordergründig ein schwerwiegender Pflichtverstoß des Arbeitnehmers vorliegt, kann die Interessenabwägung im Einzelfall gleichwohl dazu führen, dass der Arbeitnehmer zunächst abzumahnen ist, bevor eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zulässig ist. In der Praxis sind daher stets alle Umstände des Sachverhalts zu ermitteln und anhand der durch die Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zu untersuchen.

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