Zum 01.06.2015 tritt die neue Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) in Kraft. Sie regelt wie bereits ihre Vorgängerverordnung die Benutzung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftiger Anlagen. Die verordnungsgebende Bundesregierung, die sich zuletzt schon wegen der geplanten Änderungen der Arbeitsstättenverordnung erhebliche Kritik aus dem Arbeitgeberlager gefallen lassen musste, verfolgt mit der Novellierung hehre Ziele: Neben einer grundsätzlichen Aktualisierung und einer Anpassung an neue europäische Vorgaben soll die BetrSichV für die Anwender zukünftig besser verständlich und einfacher umsetzbar sein. Ist dies gelungen?
1. Konkretisierung und Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung
Die Neufassung enthält mehr und konkretere Handlungsanweisungen für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (§ 3 BetrSichV). Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind nunmehr die altersgerechte Gestaltung von Arbeitsmitteln sowie ergonomische und psychische Belastungen bei der Verwendung ebendieser zu berücksichtigen. Durch diese Maßnahmen soll die Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen verbessert werden.
2. Grundpflichten des Arbeitgebers bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Festlegung von Schutzmaßnahmen
Eine wesentliche strukturelle Änderung besteht darin, dass die materiellen Anforderungen an die Verwendung der Arbeitsmittel lediglich als Schutzziele formuliert werden (§§ 4, 5, 6, 8 und 9 BetrSichV). Für Arbeitgeber bedeutet dies eine erhöhte Flexibilität bei der Festlegung konkreter Schutzmaßnahmen. Aber: die bisherigen Verordnung vorhandene Bestandsschutzregelung für ältere Arbeitsmittel ist entfallen. Dies erhöht den Schutz für die Beschäftigten, verursacht aber auch erhöhte Kosten für eventuell notwendige Nachrüstungen.
3. Vereinfachungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln
Die Verwendung einfacher Arbeitsmittel (etwa Handwerkzeuge) wird neuerdings privilegiert, d.h. früher erforderliche Schutzmaßnahmen entfallen (§ 7 BetrSichV). Hierdurch sollen vorrangig kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) entlastet werden.
4. Berücksichtigung von Unfallschwerpunkten und Wegfall von Doppelregelungen
Die in der neuen BetrSichV formulierten Schutzziele berücksichtigen die in der Praxis besonders häufigen Unfallschwerpunkte Instandhaltung, besondere Betriebszustände, Betriebsstörung, Manipulation und unsachgemäße Benutzung (§§ 6 Abs. 2, 10, 11 BetrSichV). Arbeitgeber und Beschäftigte sollen für diese Gefahrenquellen besonders sensibilisiert werden. Außerdem wurden vorhandene Doppelregelungen zur Gefahrstoffverordnung beseitigt. Dadurch wird die BetrSichV insgesamt etwas übersichtlicher.
5. Ausweitung der Prüfungen für besonders gefährliche Arbeitsmittel
Regelmäßige Sicherheitsprüfungen der Arbeitsmittel werden deutlich ausgeweitet (§ 14 Abs. 4 iVm. Anhang 3 BetrSichV). Insbesondere die im Anhang der BetrSichV aufgelisteten besonders gefährlichen Arbeitsmittel unterliegen nun strengen Prüfvorschriften. Achtung: der Anhang kann vom Verordnungsgeber jederzeit um weitere Arbeitsmittel ergänzt werden.
6. Erweiterung der Ordnungswidrigkeiten- und Straftatbestände
Die zuständigen Behörden (regelmäßig die obersten Landesbehörden) können Verstöße gegen die Vorschriften der BetrSichV mit umfangreichen Bußgeldmöglichkeiten ahnden. § 22 BetrSichV enthält neuerdings 42 (!) verschiedene Tatbestände von Ordnungswidrigkeiten. So können etwa fehlende oder fehlerhafte Arbeitsmittelprüfungen sowie die Missachtung grundlegender Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden. Neu ist auch die Einführung zahlreicher Bußgeldtatbestände in Zusammenhang mit unterlassenen oder falsch durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen. Die Neufassung hat auch Auswirkungen auf den im Grundsatz unverändert gebliebenen Straftatbestand in § 23 BetrSichV. Wird eine der zahlreichen in § 22 BetrSichV genannten Handlungen vorsätzlich begangen und dadurch Leben oder Gesundheit eines Beschäftigten gefährdet, stellt dies eine mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bewehrte Straftat dar.
Fazit
Das Fazit zur neuen BetrSichV fällt zwiespältig aus: Zu begrüßen ist, dass sie den Anwendern mehr Flexibilität und Rechtssicherheit verschafft und zugleich das Schutzniveau beim täglichen Einsatz von Arbeitsmitteln erhöht. Jedoch ist aus Unternehmenssicht zu beachten, dass sich die Anzahl bußgeldbehafteter und unter Umständen sogar strafrechtlich relevanter Tatbestände deutlich erhöht hat. Eine vertiefte Lektüre neue Verordnung ist daher unerlässlich. Auch mit Blick auf die BetrSichV ist festzuhalten: die Komplexität und die Regelungsdichte in den arbeitsrechtlichen Randbereichen nimmt weiter zu. Ein Ende ist nicht absehbar.