In Spanien gelten neue Corporate-Governance-Richtlinien. Mit dem Gesetz „31/2014“ reformiert der spanische Gesetzgeber das bisherige Gesetz über Kapitalgesellschaften und weitet die Haftung für riskante Entscheidungen von Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans („Board of Directors“ und in einigen Fällen für die „Managing Directors“) deutlich aus. Zugleich erhöht sich die Verantwortung dieser für die Kontrolle von Führungskräften . Dies ist eine Reaktion auf die Finanz- und Schuldenkrise, die nach Ansicht der politisch Verantwortlichen auch auf eine überhöhte Risikobereitschaft und unzureichende Kontrollen zurückzuführen ist.
Das Regelwerk, das das spanische Kapitalgesellschaftsgesetz („Ley de Sociedades de Capital“) ergänzt, ist auch für deutsche Unternehmen mit spanischen Tochtergesellschaften und deren Führungskräfte von großer Bedeutung. Denn vielfach müssen nun Richtlinien und Empfehlungen für Tochtergesellschaften angepasst werden, sogar neue Strukturen bis hin zu einer Änderung der Gesellschaftsorganisation können erforderlich sein.
Pflichten der Directors
Der Gesetzgeber erweitert zunächst den Kreis der Pflichtaufgaben des Board of Directors, die nicht an andere delegiert werden dürfen. Dazu gehören neuerdings beispielsweise die Kontrolle von Managern und leitenden Angestellten sowie die Festlegung zentraler Leitlinien.
Bei börsennotierten Unternehmen ist die Liste noch deutlich länger: Die Mitglieder des Board of Directors müssen hier auch über Zielvorgaben, Budgetpläne sowie über Finanzierungs-, Investitions- und Steuerstrategien eigenständig entscheiden. Auch das Risikomanagement und die Überwachung der internen Informations- und Kontrollmechanismen dürfen sie nicht mehr delegieren.
Mit der Zahl der Aufgaben ist auch das Haftungsrisiko gestiegen. So haften die Managing Directors gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern und den Gläubigern der Gesellschaft für alle Schäden, die sie aufgrund gesetzes- oder satzungswidriger Handlungen oder Unterlassungen sowie aufgrund von Verstößen gegen ihre Sorgfaltspflichten verursacht haben, sofern Vorsatz oder Verschulden vorliegt.
Haftungsrisiken reduzieren
Um eine spätere Haftung auszuschließen, müssen Directors „nach Treu und Glauben“ handeln – und dies im Ernstfall auch nachweisen können. Das bedeutet: Sie müssen unabhängig entscheiden, Interessenkonflikte vermeiden, sich im Zweifel der Stimme enthalten und ihre Verschwiegenheitspflicht einhalten. Nur in Einzelfällen können sie von einzelnen dieser Pflichten entbunden werden.
Zudem müssen sie ihre Entscheidungen auf Basis eines strukturierten Prozesses und ausreichender Informationen treffen, was im Ernstfall ebenfalls nachzuweisen ist. Sie dürfen sich in diesem Zusammenhang nicht mehr darauf berufen, dass sie sich bei ihrer Entscheidung auf einen anderen Director verlassen haben. Auf diese Weise wird ein „Vier-Augen-Prinzip“ statuiert.
Die Sorgfaltspflichten gelten laut Gesetz ausdrücklich auch für Personen, die faktisch als Director handeln. Dadurch will der spanische Gesetzgeber verhindern, dass Ansprüche ins Leere laufen, weil Führungskräfte nicht formal als Director berufen waren.
Vergütungsexzesse verhindern
Die Vergütungen der Directors sollen „nachhaltig der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens dienen“. Um unangemessene Vergütungen zu verhindern, müssen insoweit zwei Drittel des Board of Directors den Vergütungen von exekutiv wirkenden Managing Directors zustimmen. Dabei sollen sie nicht nur die Position und den Aufgabenbereich des Betreffenden, sondern auch die Markposition und die Finanzlage des Unternehmens berücksichtigen.
Was die Vergütung der Directors von börsennotierten Unternehmen angeht, erhalten die Aktionäre mehr Mitspracherechte: Die Hauptversammlung muss neuerdings alle drei Jahre eine Richtlinie dazu beschließen.
Auch darüber hinaus stärkt der spanische Gesetzgeber die Aktionärsrechte. So müssen Anteilseigner einer Aktiengesellschaft (Sociedad Anónima) seit Inkrafttreten der Neuregelung stets zustimmen, wenn es um das „Kernvermögen“ der Gesellschaft geht. Das betrifft zumindest alle Entscheidungen über Transfers von Aktiva an anderen Gesellschaften oder deren Einbringung, wenn das Transaktionsvolumen mehr als 25 Prozent der Bilanzsumme ausmacht.
Eine weitere wichtige Änderung in diesem Zusammenhang ist, dass auch Minderheitseigner, die aber wenigstens ein Prozent des Grundkapitals halten müssen, Beschlüsse des Board of Directors anfechten dürfen. Diese Möglichkeit besteht innerhalb eines Jahres ab Beschlussfassung innerhalb von 30 Tagen nach Kenntniserlangung durch den Anteilseigner.
Unternehmen müssen also nicht nur Strukturen und Prozesse verändern, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch Hauptversammlungen akribischer vorbereiten.