Die Reform des Rechts der Insolvenzanfechtung gehört zu den wichtigen rechtspolitischen Zielen der regierenden Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 16. März 2015 den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ (abrufbar unter www.bmjv.de) vorgelegt, der vom Verfasser – unter anderem – bereits in den „BDI-Notizen zum Wirtschaftsrecht“ im Mai 2015 gewürdigt wurde.
Da der Gesetzentwurf erklärtermaßen auch auf eine teilweise als „mittelstandsfeindlich“ empfundene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reagieren will, stoßen dessen aktuelle Entscheidungen im Bereich der Insolvenzanfechtung auf besonderes Interesse. Und da gibt es durchaus Bemerkenswertes zu berichten: Denn in einer „Leitsatzentscheidung“ – und damit als durchaus bedeutsam eingestuft – formulierte der IX. Zivilsenat des BGH in einem Beschluss vom 16. April 2015 (IX ZR 6/14) Folgendes:
„Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (im Anschluss an die ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH, ZIP 2014, 1887 Rn. 28).“
Und zur Begründung weiter:
„Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich – wie vorliegend – im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Bitte um eine Ratenzahlungsvereinbarung auf den verschiedensten Gründen beruhen, die mit einer Zahlungseinstellung nichts zu tun haben, etwa der Erzielung von Zinsvorteilen oder der Vermeidung von Kosten und Mühen im Zusammenhang mit der Aufnahme eines ohne weiteres erlangbaren Darlehens.
Eine Bitte um Ratenzahlung ist nur dann ein Indiz für eine Zahlungseinstellung, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu können […].
Der Umstand, dass die Schuldnerin die vereinbarten Raten jeweils um einige Tage verspätet, wenn auch jeweils vollständig, bezahlt hat, hat zwar das Eingreifen der vereinbarten dreitägigen Verfallklausel ausgelöst, so dass der gesamte noch offene Restbetrag jeweils zur Zahlung fällig wurde. Ein Wiederaufleben einer Zahlungseinstellung war damit aber entgegen der Ansicht der Beschwerde schon deshalb nicht verbunden, weil eine zuvor vorhanden gewesene Zahlungseinstellung nicht festgestellt ist. Das Eingreifen der Verfallklausel kann zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, Indiz für eine Zahlungseinstellung sein. Unter den hier gegebenen Umständen wäre es aber auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Rahmen einer Gesamtabwägung die jeweils um einige Tage verspätete vollständige Zahlung der Raten für eine Feststellung der Zahlungseinstellung nicht hat ausreichen lassen, zumal die Beklagte in der Zwischenzeit jeweils in keiner Weise tätig geworden war, weder durch Mahnung noch durch Einleitung der Zwangsvollstreckung.“
Bemerkenswert ist dies deshalb, weil der zitierte Gesetzentwurf genau diese – vom BGH als ständige Rechtsprechung bezeichnete Frage – (klarstellend; siehe Begr RefE S. 9) regeln will. In § 133 InsO sollen nämlich nach Absatz 1 die folgenden Absätze 2 und 3 eingefügt werden (Hervorh. durch den Verf.):
„(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt bei der Vermutung nach Absatz 1 Satz 3 an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die eingetretene. Die Kenntnis des anderen Teils vom Vorsatz des Schuldners kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass
1. der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung nach § 802b Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung abgeschlossen hat oder
2. der Schuldner beim anderen Teil im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs um eine Zahlungserleichterung nachgesucht hat.“
Auf den ersten Blick könnte man vor dem Hintergrund der neueren BGH-Judikatur, die sich auf eine „ständige Rechtsprechung“ stützt, meinen, damit gebe es keinen Handlungsbedarf mehr für den Gesetzgeber. Ganz so einfach aber ist es nicht: Denn die jetzige Aussage des BGH hat auch den Mut von Parteien (einschließlich des Mutes zur Übernahme des Kostenrisikos) vorausgesetzt, um eine solche Klarstellung nachzusuchen. Und dieser Mut wurde durchaus dadurch gestärkt, dass die Mitglieder des IX. BGH-Zivilsenats immer wieder darauf hingewiesen haben, dass der vom Gesetzgeber gesehene Handlungsbedarf nach der Rechtsprechung des Senats eigentlich nicht bestehe. Auch der Verfasser dieser Zeilen hat gegenüber manchen an ihn als „Gesetzgeber“ herangetragenen Reformbitten in diesem Zusammenhang gelegentlich darauf verwiesen, dass manches Problem durch entsprechende Verteidigung vor den Gerichten lösbar wäre – oder gewesen wäre. Dazu bedarf es aber auch einer entsprechenden „Stimmung“ – und die ist durch die Arbeiten am Gesetz zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts durchaus geschaffen worden. Wenn die Arbeiten dadurch die Bereitschaft von Parteien erhöht haben, sich gegen unberechtigte Insolvenzanfechtungsansprüche zu verteidigen, dann hat der Gesetzgeber schon im Vorfeld ein Teil seiner Ziele erreicht. Umgekehrt gilt aber auch: Die Notwendigkeit einer Klarstellung durch den Gesetzgeber bleibt bestehen.