Viele Städte und Gemeinden sind daran interessiert, sich im Bereich der Energieversorgung unternehmerisch zu betätigen und prüfen daher, ob mittelfristig Aktivitäten – z. B. durch die Errichtung von Gemeindewerke – aufgebaut werden können. In diesem Zusammenhang spielt die Kommunalisierung von Versorgungsnetzen eine wichtige Rolle. Rechtliche Grundlage für den Netzbetrieb auf dem Grund und Boden der jeweiligen Gebietskörperschaft sind Konzessionen, die von den Gemeinden auf Grundlage des § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vergeben werden. Es stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie ein angestrebtes eigenes Engagement von Gemeinden oder deren Beteiligungsunternehmen im Rahmen des dort gesetzlich vorgesehenen Bewerbungsverfahrens um Strom- und Gaskonzessionen zum Vorteil des kommunalen Bewerbers berücksichtigt werden darf.
Mitte Dezember 2010 haben nun das Bundeskartellamt (BKartA) und die Bundesnetzagentur (BNetzA) einen gemeinsamen Leitfaden zur Konzessionsvergabe und zum Wechsel des Konzessionsnehmers in den Sparten Strom und Gas veröffentlicht. Dieser legt die Rahmenbedingungen fest, bei deren Einhaltung ein Konzessionsvergabeverfahren aus Sicht beider Behörden formal korrekt abläuft.
Städte und Gemeinden sind nach Auffassung der Behörden bei der Konzessionsvergabe als marktbeherrschend im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) anzusehen. Diese Auffassung wurde vom BKartA in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages „Rekommunalisierung der Energieversorgung“ vom 24. 1. 2011 bekräftigt. Als Folge der marktbeherrschenden Stellung droht der Gemeinde bei „Verstößen“ im Konzessionsvergabeverfahren die Einleitung eines kartellrechtlichen Missbrauchsverfahrens.
Die Gefahr eines solchen Einschreitens der Kartellbehörden besteht insbesondere bei offensichtlichen Verstößen gegen das Verfahrensrecht. Im Sinne eines diskriminierungsfreien und transparenten Verfahrens ist es insbesondere als Verfahrensfehler zu bewerten, wenn die betreffende Gemeinde
- im Rahmen des Bewerbungsverfahrens ihre Auswahlkriterien und deren Gewichtung gegenüber den Bietern nicht klar benennt,
- ihre Auswahlentscheidung nicht anhand ihrer vorher festgelegten und bekanntgegebenen Auswahlkriterien trifft oder
- einzelne Bieter, insbesondere mit der Gemeinde verbundene Unternehmen, ohne sachlichen Grund bevorzugt.
Bei der Wahl der Vergabekriterien sind die Kommunen nach den Aussagen des Leitfadens allein den Zielsetzungen des § 1 EnWG unterworfen. Im Vordergrund steht damit eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung. Eine Präferenz der Aufgabenerfüllung durch die Kommune oder ein Beteiligungsunternehmen findet man dagegen ebenso wenig wie eine positive Bewertung möglicher wirtschaftlicher Vorteile für die Kommune. Der Leitfaden führt in diesem Zusammenhang explizit aus, dass weder Einnahmen der Kommune noch deren grundsätzliche Strukturentscheidungen den Ausschlag bei der Konzessionsvergabe geben dürfen.
Die Kommunen sind nach den Gemeindeordnungen der meisten Bundesländer frei, sich im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit in den Bereichen Strom und Gas wirtschaftlich zu betätigen, wobei sie dabei vorrangig der nachhaltigen Erfüllung der öffentlichen Zwecksetzung verpflichtet sind. In jedem Falle ist aber sicherzustellen, dass im Rahmen einer unternehmerischen Betätigung der Kommune eine marktübliche Rendite erwirtschaftet wird. Diese kommunalrechtlichen Überlegungen müssen in Einklang gebracht werden mit den Vorgaben, die BKartA und BNetzA in ihren Stellungnahmen äußern.
So sind bei der Entscheidung über die zukünftige Ausrichtung der örtlichen Strom- und Gasversorgung als Ausfluss des in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Selbstverwaltungsrechts der Kommunen auch deren politische Ziele zu berücksichtigen.
Zumindest bei der Auswahl des geeigneten Partners für die Umsetzung eines Kooperationsmodells muss es legitim sein – neben Gesichtspunkten wie Investitionen, Netzausbau und Effizienzsteigerung – auch die Möglichkeiten steuernder Einflussnahme sowie Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte aus Sicht der Kommune bei der Entscheidung zu berücksichtigen.