Der Bundesgerichtshof hat in zwei Urteilen vom 23. Februar 2016 (XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15) klargestellt, dass die Widerrufsinformation in einem Vertrag zu einem Immobiliendarlehen lediglich klar und unmissverständlich sein muss. Fehlt eine drucktechnische Hervorhebung, berechtigt dies den Darlehensnehmer nicht zum Widerruf. Die Urteile sind ein weiteres Kapitel in der Geschichte um den Widerrufsjoker, die bald ein Ende finden soll: Das am 18. Februar 2016 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (BT-Drucks. 84/16) führt für die Ausübung des Widerrufsrechts eine Höchstfrist von 12 Monaten und 14 Tagen ein. Danach ist kein Widerruf mehr möglich, selbst wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Das Gesetz wird am 21. März 2016 in Kraft treten.
Verbrauchergeschäfte und das verbraucherschützende Widerrufsrecht gehören zusammen. Einzig Immobiliendarlehen waren über lange Jahre eine vom Widerrufsrecht gänzlich freie Zone. Der deutsche Gesetzgeber hat selbst bei der Einführung der Schuldrechtsmodernisierung Anfang 2002 ursprünglich keinen Bedarf für die Ausdehnung des Widerrufsrechts auf Immobiliendarlehen gesehen. Das ist auch plausibel, weil das Widerrufsrecht den Verbraucher vor übereilten Geschäften schützen und ihm Bedenkzeit verschaffen soll. Diese Faktoren spielen aber bei Immobiliendarlehen keine ausschlaggebende Rolle. Denn das maßgebliche Geschäft ist der Immobilienerwerb selbst, und dieser ist unwiderruflich, weil die vorgeschriebene notarielle Beurkundung bereits die Übereilungs-Schutzfunktion erfüllt. Das Immobiliendarlehen ist hierzu nur ein Annex-Geschäft, für das ein zusätzlicher Übereilungsschutz unnötig ist.
Die spätere Einführung des Widerrufsrechts bei Immobiliendarlehen ab August 2002 beruhte allein auf europarechtlichen Bedenken. In der Folgezeit entstand durch mehrere Gesetzesänderungen in kurzer Zeit eine verwirrende Rechtslage. Hinzu kamen die Wirksamkeitsbedenken bei der Musterwiderrufsbelehrung aus der BGB-InfoV. Die Verwendung dieses Musters sollte doch gerade gewährleisten, dass die gesetzlichen Anforderungen an eine richtige Belehrung als erfüllt gelten (sog. Gesetzlichkeitsfiktion).
Diese Entwicklungen führen bis heute zu erheblicher Rechtsunsicherheit mit einschneidenden Konsequenzen für die Kreditgeberseite: Wurde die Musterbelehrung nicht eingesetzt und war die stattdessen verwendete Belehrung über das Widerrufsrecht nicht fehlerfrei formuliert, kann der Kunde sein Widerrufsrecht auch noch nach Jahren ausüben, und zwar auch ohne Vertragsreue wegen Übereilung oder mangels Bedenkzeit. Auf diese Weise kann man vorzeitig und vor allem ohne die sog. Vorfälligkeitsentschädigung aus einem für viele Jahre fest abgeschlossenen Darlehensvertrag aussteigen, z.B. um mit einem neuen Darlehensvertrag zu aktuellen Marktzinsen davon zu profitieren, dass die Zinsen inzwischen deutlich niedriger sind als noch vor Jahren bei Abschluss des Vorgängervertrages. Faktisch hatte der Gesetzgeber damit die Möglichkeit eröffnet, einseitig zulasten der Kreditgeber auf ein Sinken der Darlehenszinsen zu spekulieren. Der Widerrufsjoker war geboren. Entstanden ist dieses Phänomen im verbraucherrechtlichen Paragrafendschungel allerdings nur, weil der Widerruf bei Verbraucherdarlehen, anders als bei allen anderen Verbrauchergeschäften, aus europarechtlichen Gründen keine zeitliche Höchstgrenze haben durfte. Damit hat der Gesetzgeber nun Schluss gemacht.
Die im Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie nun enthaltene neue Höchstfrist für den Widerruf war zunächst nur für solche Darlehen geplant, die nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden. Alt-Darlehen sollten davon nicht profitieren. Das war misslich, weil gerade bei Alt-Darlehen aufgrund der rückläufigen Zinsentwicklung in den vergangenen Jahren und des derzeit historisch niedrigen Zinsniveaus ein Spekulieren auf das Sinken der Darlehenszinsen mittels Widerrufsjoker für den Darlehensnehmer wirtschaftlich reizvoll geworden war. Eine vergleichbare Zins-Konstellation ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, sondern eher steigende Zinsen. Niemand möchte aber einen heute vereinbarten niedrigen Darlehenszins gegen einen künftig evtl. höheren Zins tauschen. Wäre es bei dieser Regelung geblieben, würde die im Prinzip zielführende Abschaffung des Widerrufsjokers zu spät kommen.
Im Gesetzgebungsverfahren ist daher nachgebessert worden mit dem Ergebnis, dass nun für Alt-Darlehen ein etwaiges Widerrufsrecht einheitlich am 21. Juni 2016 endet. Erfasst werden von dieser Regelung aber nur Alt-Darlehen aus der Zeit bis zum 10. Juni 2010, dem Zeitpunkt der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, und dies auch nur dann, wenn der Darlehensgeber seinem Kunden eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt hatte. Hat der Darlehensgeber seinerzeit gar keine Widerrufsbelehrung gegeben, bleibt es hingegen beim ewigen Widerrufsrecht. Für die Vergangenheit bis zum 10. Juni 2010 ist somit deutlich mehr Rechtssicherheit geschaffen worden.
Neue Rechtsunsicherheit entstand jedoch beim Umgang mit Abweichungen von der Musterwiderrufsinformation für Darlehen, die in der Zeit seit dem 11. Juni 2010 abgeschlossen wurden. Von diesem Datum an gab es statt der früher geforderten Widerrufsbelehrung das Konzept der Widerrufsinformation im Darlehensvertrag. Hierzu hatten die Instanzgerichte insbesondere in der Frage unterschiedlich geurteilt, ob die Widerrufsinformation im Darlehensvertrag stets drucktechnisch besonders hervorgehoben werden muss. Eine solche Hervorhebung wird verlangt, um die Gesetzlichkeitsfiktion der Widerrufsinformation in Anspruch nehmen zu können, welche dem Darlehensnehmer den Einwand der fehlerhaften Information abschneidet. Dieser Forderung vor allem der Verbraucherschützer hat der BGH nun erfreulicherweise eine Absage erteilt.
Haben sich die europarechtlichen Voraussetzungen denn inzwischen so geändert, dass die Bundesrepublik jetzt Höchstgrenzen für die Dauer des Widerrufsrechts bei mangelhafter Belehrung einführen darf? Oder bezog sich das europarechtliche Verbot einer Höchstgrenze von Anfang an nur auf fehlende (statt fehlerhafte) Widerrufsbelehrungen?