Erholungsurlaub muss von Arbeitnehmern grundsätzlich „in Natur“ genommen werden. Ist dies nicht möglich, zum Beispiel weil das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht, so kann der Urlaub unter bestimmten Voraussetzungen ausbezahlt werden.
Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs
Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entsteht ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs, wenn dieser wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Dies gilt ebenso, wenn die verbleibende Dauer eines gekündigten Arbeitsverhältnisses nicht mehr ausreicht, um den Urlaub zu nehmen oder wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit seinen Urlaub nicht nehmen konnte.
Es ist zunächst entscheidend, in welchem Umfang der Urlaubsanspruch des jeweiligen Arbeitnehmers entstanden ist. Das kann besonders bei neu begründeten Arbeitsverhältnissen problematisch sein.
Nach § 4 BUrlG wird der volle Jahresurlaub erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil vom 17.11.2015 (Az: 9 AZR 179/15) klargestellt, dass der volle Urlaubsanspruch nicht bereits „mit Ablauf“ der sechsmonatigen Wartefrist entsteht, sondern erst nach deren Ablauf.
Wird ein Arbeitnehmer beispielswiese vom 01.07. eines Jahres an beschäftigt, so erwirbt er nach dem BAG für dieses Jahr nur einen Teilurlaubsanspruch, weil in dem laufenden Jahr keine Überschreitung der erforderlichen sechs Monaten mehr möglich ist. Gleiches soll gelten, wenn ein Arbeitnehmer vom 01.01 bis zum 30.06. eines Jahres beschäftigt wird.
Besteht das Arbeitsverhältnis über die sechsmonatige Wartefrist hinaus, ist für die Höhe des Urlaubsanspruchs der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheidend. Bei einer Beendigung in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres, d.h. bis zum 30.06., wird der vertraglich vereinbarte Jahresurlaub auf ein Zwölftel für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gekürzt. Besteht das Arbeitsverhältnis mindestens bis zum 01.07. eines Jahres, bleibt der volle Jahresurlaubsanspruch bestehen.
Der Urlaubsanspruch darf zudem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verfallen sein. Nur ein tatsächlich noch bestehender Urlaubsanspruch kann sich in einen Abgeltungsanspruch wandeln. Grundsätzlich verfällt der Anspruch auf Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres. Wird der Urlaub ausnahmsweise auf das nächste Kalenderjahr übertragen, besteht der gesetzliche Übertragungszeitraum bis zum 31.03. des Folgejahres. Bei Langzeiterkrankungen gelten besondere Regelungen.
Im Falle einer Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers verfallen Urlaubsansprüche nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) erst 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres.
Konnte der Jahresurlaub aufgrund eines Beschäftigungsverbotes des Arbeitnehmers (z.B. nach dem Mutterschaftsgesetz) oder aufgrund einer Inanspruchnahme von Elternzeit nicht genommen werden, wird nach einer aktuellen Entscheidung des BAG (Urteil vom 15.12.2015 – Az: 9 AZR 52/15) dieser Urlaub auf das nächste Kalenderjahr „verschoben“. Dieser „verschobene“ Urlaub ist dann urlaubsrechtlich genauso zu behandeln wie der neu entstandene Urlaub.
Ist der Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden, so stellt er nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 22.09.2015 – Az: 9 AZR 170/14) einen reinen Geldanspruch dar, der zudem vererbbar ist. Hierzu hat sich die Rechtsprechung in den letzten Jahren geändert.
Unabdingbarkeit der Urlaubsabgeltung
Gemäß dem BUrlG ist ein vorheriger Verzicht auf den Urlaubsabgeltungsanspruch, z.B. durch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, nicht zulässig. Ein nachträglicher Verzicht, d.h. wenn das Arbeitsverhältnis beendet und der Urlaubsabgeltungsanspruch bereits entstanden ist, ist dagegen möglich. In der Praxis ist ein solcher Verzicht oftmals Gegenstand von Vergleichen in Kündigungsschutzprozessen. Unter taktischen Gesichtspunkten werden Vergleiche deshalb häufig erst später nach dem Ende der Kündigungsfrist geschlossen.
Möglichkeiten für den Arbeitgeber
Für den Arbeitgeber bestehen trotz der Unabdingbarkeit der Urlaubsabgeltung Möglichkeiten, das Kostenrisiko von etwaigen Urlaubsabgeltungen zu reduzieren. Zum einen können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich Ausschlussfristen vereinbart werden. Macht der Arbeitnehmer innerhalb dieser Ausschlussfrist seine Ansprüche nicht geltend, so verfallen diese.
Zum anderen besteht die Möglichkeit, einen ordentlich gekündigten Arbeitnehmer unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche unwiderruflich von der Arbeit freizustellen. Macht der Arbeitgeber hiervon Gebrauch, so ist der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich erfüllt. Eine Abgeltung kommt dann nicht mehr in Betracht. Wichtig ist, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt, denn bei einer frei widerruflichen Freistellung werden Urlaubsansprüche nicht erfüllt.
Fazit
Sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ist es für die Höhe von Urlaubsabgeltungsansprüchen von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Ob der durch den Arbeitnehmer geltend gemachte Urlaubsanspruch auch in der jeweiligen Höhe besteht, bedarf einer rechtlichen Prüfung im Einzelfall.
Kollege Kühnreich sollte noch erwähnen, dass zu einer (vorsorglichen) Urlaubsgewährung nach fristloser/hilfsweise fristgemäßer Kündigung neben der unwiderruflichen Freistellung auch die Zahlung oder vorbehaltlose Zusage der Urlaubsvergütung vor Urlaubsantritt gehört. Die Ankündigung der Zahlung einer Urlaubsabgeltung reicht nicht ohne weiteres. Ansonsten wird der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt, wenn die fristlose Kündigung unwirksam ist (vgl. BAG vom 10.02.2015 – 9 AZR 455/13)