In zwei Wochen beginnt in Essen der 71. Deutsche Juristentag. Er befasst sich in seiner wirtschaftsrechtlichen Abteilung mit der Frage: „Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts?“. Hier besteht ein immenser Reformstau. Er ist spätestens seit der Entscheidung des BGH („Weißes Ross“) im Jahr 2002 offenbar, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als rechtsfähig anzuerkennen. Der Text des BGB stimmt nicht mehr mit der Rechtspraxis überein. Im Grundstücksrecht gibt es zwar „Maßgaben für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (§ 899a BGB), doch deren fehlende Gesellschafterpublizität ist kein geringes Problem. Die Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen (z.B. Abfindung) bzw. die Ausübung der Mehrheitsmacht (Beschlusskontrolle) ist durch Richterrecht geordnet; das Gesetz schweigt dazu. Die Verweisung der nichtrechtsfähigen Vereine in das BGB-Gesellschaftsrecht in § 54 BGB ist eine Falschauskunft.
Das Recht der Personengesellschaften blieb seit Jahrzehnten von wesentlichen gesetzgeberischen Eingriffen unberührt. Während die Reform im Aktienrecht seit den neunziger Jahren in Permanenz vorangetrieben wurde und das GmbH-Recht mit dem MoMiG im Jahr 2008 eine Runderneuerung erfuhr, ist im Personengesellschafts- und Vereinsrecht eine Politik der ruhenden Hand zu vermerken. Das wird nicht jeder bedauern, denn Eingriffe in ein insgesamt ordentlich funktionierendes System sind heikel. Doch nun scheint die Zeit reif dafür.
Der Gutachter des DJT (Prof. Dr. Carsten Schäfer, Mannheim) ist gegenüber einer Generalrevision zurückhaltend, während einer der Referenten (Prof. Dr. Martin Henssler, Köln) anregt, die Architektur des Personengesellschaftsrechts „neu zu denken“. Neben einer Rechtsform für eine Innengesellschaft solle für Außengesellschaften ein Spektrum von Rechtsformen zur Verfügung gestellt werden. Einigkeit besteht darin, dass die (unternehmerische) BGB-Außengesellschaft begrifflich und registerlich besser erfasst werden muss. Für die Haftung empfiehlt der Gutachter, sie gesetzlich nach dem Vorbild der §§ 128–130 HGB zu regeln. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung als Grundsatz sollte es bleiben; allerdings sollte die Gesellschafterhaftung für deliktisches Handeln der Geschäftsführer explizit ausgeschlossen werden.
Ein Sonderthema ist die Freiberuflergesellschaft. Die PartG ist in der Ausgestaltung als „mbB“ ein Erfolg, wenn man dafür die Verbreitung in der Praxis heranzieht. Der Gutachter will daran nichts ändern, der Referent Henssler plädiert dafür, die KG (einschließlich der GmbH & Co. KG) allen freien Berufen zur Verfügung zu stellen – und die systemwidrige Privilegierung durch Anerkennung einer nur den freien Berufen offenstehenden Gesellschaftsform (PartG) aufzugeben.
Der Referent Dr. Hartmut Wicke (München) schlägt eine neue Regelung in § 140 Abs. 3 HGB vor, wonach Vereinbarungen zu Ausschlussrechten und zur Abfindung zulässig sind, ihre Geltendmachung aber nicht in treuwidriger Weise erfolgen darf. Die Ausstrahlungswirkung dieser Norm auf das Recht der GbR und der GmbH dürfte gewiss sein, fügt er an.
Wie man sieht, ist für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Das Votum des Juristentages hat durchaus Gewicht. In einem Jahr (Bundestagswahl) wird sich zeigen, ob die Empfehlungsbeschlüsse des Juristentages sich in den Partei- und Koalitionsprogrammen wenigstens in Spurenelementen wiederfinden, denn nur dann besteht Aussicht auf gesetzgeberisches Handeln.