Die Hauptversammlungssaison 2016 ist zu Ende. Die meisten börsennotierten Aktiengesellschaften haben zwischen April und Juli zum Aktionärstreffen gebeten. Die großen DAX30-Gesellschaften nutzten in weitem Umfang die gesetzlich eröffneten Möglichkeiten, die Hauptversammlung zu „digitalisieren“. Eine kluge Satzungsgestaltung erlaubt den Einsatz vielfältiger elektronische Elemente bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Präsenzversammlung im Saal. Sie ist nach wie vor gesetzliche Pflicht und herkömmlich Fixpunkt der Organisation. Die Digitalisierung der Vorgänge rund um dieses Ereignis schreitet indes kräftig voran, wie ein Blick auf die Zahlen der HV-Saison 2016 zeigt:
Die Internetseite der Gesellschaft hat alle relevanten Informationen geboten (§§ 124a, 130 VI AktG). Gesellschaften mit Namensaktien können ihre Aktionäre per E-Mail einladen (s. § 125 II 2 AktG); 11 DAX-Werte haben dies so gehandhabt. Das sog. Online-Proxy-Voting (= die Bevollmächtigung und Weisungserteilung an den gesellschaftsbenannten Vertreter via Internet) haben 27 der dreißig DAX-Unternehmen angeboten; dieses Verfahren hat sich also breit durchgesetzt. Im Kommen ist der moderne Nachfolger, nämlich die Online-„Briefwahl“ (= die Direktabstimmung via Internet; s. § 118 II AktG): 18 DAX-Gesellschaften haben diese Möglichkeit offeriert. Die Vorstandsrede wird bis auf eine Ausnahme von allen übertragen, die Generaldebatte immerhin noch von zehn Gesellschaften (wobei die Hälfte davon sie nur den Aktionären zugänglich macht). Eine kleine Optimierung bedeutet das Vermeiden eines Medienbruchs durch die Handy-Eintrittskarte (2 Gesellschaften). Quelle: HV-Magazin 3/2016.
Man sieht, es tut sich etwas. Die Hauptversammlung wird zum Hybrid-Modell. Sowohl Saal (mit Buffet!), als auch Online (zu Hause!). Die Gesellschaften haben es weithin in der Hand, durch kluge Gestaltung beide Welten zu bedienen. Bedenken aus dem letzten Jahrzehnt, das Neuland Internet sei dem Aktionär nicht zugänglich, haben sich erledigt. Ebenso wenig wird in diesem Jahrzehnt die HV komplett in das Netz verlegt, dies aus Rechtsgründen nicht und auch wegen der Öffentlichkeitswirkung nicht. Die medienwirksamen Effekte einer guten Präsenzshow werden gerne mitgenommen (es sei denn, man hat gerade einen Skandal aufzuarbeiten …).
Wie könnte es weitergehen? Das Gesetz erlaubt auch die komplette Online-Teilnahme (§ 118 I 2 AktG), wobei allerdings nicht alle Teilnehmerrechte zugestanden werden müssen. Wenn lediglich das Stimmrecht online ausgeübt wird, unterscheidet sich das Ganze nicht von der Online-Briefwahl. Nur Siemens und MünchenerRück haben bislang diese Option gewählt. Insbesondere die Ausübung des Fragerechts bereitet den Verantwortlichen erhebliche Kopfschmerzen. Praxistaugliche Lösungen stehen hier noch ganz am Anfang.
Hinweis: „Nachlese zur Hauptversammlungssaison 2016 und Ausblick auf 2017“ bietet Rieckers DB 2016, 2526 ff (Heft 43/2016), auf rechtliche Fragen konzentriert.