Entpuppt sich eine Personalgestellung als nicht erlaubte Arbeitnehmerüberlassung, führt das nach dem AÜG zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen, dem das Personal gestellt worden ist. Personaldienstleister verfügen deshalb regelmäßig über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Deren Existenz hat die vom Bundesarbeitsgericht (BAG vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15, RS1216829 sowie dazu Seier, DB 2016 S. 2180) erst jüngst gebilligte Folge, dass es auch im Falle der Einordnung als Arbeitsverhältnis bei der Rechtsbeziehung zwischen dem Personaldienstleister und den gestellten Personen bleibt. Die Wirksamkeit dieser „Fallschirmlösung“ wird durch das am 01.04.2017 in Kraft tretende AÜG-Änderungsgesetz in Frage gestellt.
Neue Gesetzeslage: Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei „verdeckter“ Arbeitnehmerüberlassung
Danach tritt die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher schon dann ein, wenn das Vertragsverhältnis nicht ausdrücklich als Leiharbeitsverhältnis bezeichnet worden ist (sog. Kennzeichnungspflicht). Auch kommt bei Überschreiten der neu eingeführten Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ebenfalls automatisch ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Diese Rechtsfolgen treten unabhängig davon ein, ob die Beteiligten ihren Rechtsbeziehungen den Charakter eines Leiharbeitsverhältnisses zugemessen haben oder nicht, und erfassen damit auch die „verdeckte“ Arbeitnehmerüberlassung, die bislang durch die Fallschirmlösung aufgefangen worden ist.
Die neue Festhaltenserklärung des Arbeitnehmers
Allerdings räumen § 9 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 1b AÜG n.F. dem Leiharbeitnehmer das Recht ein, trotz des Verstoßes gegen jene Bestimmungen an dem sich als Arbeitsvertrag erweisenden Vertrag mit dem Verleiher festzuhalten (sog. Festhaltenserklärung). Ihren Grund hat diese Ausnahme in der Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers. Sie schützt seine privatautonome Entscheidung über die Person seines Vertragspartners und verbietet deshalb grundsätzlich einen ohne seinen Willen kraft Gesetzes vollzogenen Arbeitgeberwechsel (BVerfG vom 25.01.2011 – 1 BvR 1741/09, RS0707929). Diesem Verbot will der Gesetzgeber Rechnung tragen (Siehe die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9232, S. 25).
9 AÜG n.F. knüpft den Schutz der Vertragsfreiheit allerdings an enge Voraussetzungen: Dass er am Vertrag mit dem Personaldienstleister festhalten will, muss der Leiharbeitnehmer im Falle der Nr. 1a bis zum Ablauf eines Monats nach Beginn der Überlassung und im Falle der Nr. 1b bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer erklären. Auch kann die Erklärung nach Abs. 3 Satz 1 nicht vorsorglich vor Beginn der Monatsfrist abgegeben werden. Wird die Überlassung nach Abgabe der Erklärung unverändert fortgeführt, kommt nach Abs. 3 Satz 2 doch wieder ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Dem kann dann nach Abs. 3 Satz 3 auch nicht mit einer erneuten Festhaltenserklärung begegnet werden.
Fristen: Kenntnis des Arbeitnehmers von der Überlassung erforderlich
Der Zweck dieser Voraussetzungen leuchtet an sich ein: Im Fall fehlender ausdrücklicher Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassung dienen sie der Klarstellung. Für den Fall des Überschreitens der Überlassungshöchstdauer beugen sie deren Aushebelung vor. Unter dem Blickwinkel der Vertragsfreiheit sind sie aber nur hinnehmbar, wenn der gestellten Person bekannt ist, dass eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Geht sie davon aus, dass sie ihre Dienst- oder Werkleistung als Selbständige erbringt, machte die voraussetzungslose Anwendung dieser Einschränkungen den mit dem Recht der Festhaltenserklärung gewährten Schutz der Vertragsfreiheit zur Farce. Die betreffende Person weiß dann nicht, dass der Ablauf der beiden Monatsfristen für sie relevant ist und hat deshalb auch keinen Grund, die entsprechenden Erklärungen abzugeben. Auch den Weg vorsorglicher Festhaltenserklärungen, zu denen man sie für verpflichtet halten könnte, hat der Gesetzgeber verbaut. Denn solche Erklärungen gingen nach § 9 Abs. 3 Satz 3 AÜG n.F. ins Leere, wenn sie die von ihnen als selbständig eingeordnete Tätigkeit fortsetzten.
Unter dem Blickwinkel der Vertragsfreiheit können die Fristen für die Abgabe der Festhaltenserklärung im Falle verdeckter Arbeitnehmerüberlassung deshalb erst ab dem Zeitpunkt laufen, in dem die betreffende Person Kenntnis davon hat, dass sie nicht als Selbständiger, sondern als Arbeitnehmer tätig ist. Dabei wird man nicht nur die Kenntnis der tatsächlichen Umstände voraussetzen müssen, unter denen der Betreffende seine Dienst- oder Werkleistung erbringt. Dem Schutz seiner Vertragsfreiheit wird man nur gerecht, wenn man ihm die mit dem Verstreichenlassen der Fristen verbundene Last des gegen seinen Willen zustande kommenden Vertrages nur und erst dann auferlegt, wenn und sobald ihm klar wird, dass seine Tätigkeit nicht als die eines Selbständigen, sondern als die eines Arbeitnehmers einzuordnen ist. Erst dann besteht für ihn Anlass zu prüfen, ob es für ihn nach den in diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnissen besser ist, sich mit dem Arbeitsverhältnis beim Entleiher abzufinden oder doch lieber am (Arbeits-)Vertrag mit dem Verleiher festzuhalten.
Fazit
Die Fallschirmlösung gilt also mit einer, freilich wesentlichen, Modifikation fort: Erweist sich eine Beschäftigung als Arbeitnehmerüberlassung, ist es Sache des Beschäftigten zu entscheiden, ob der „Fallschirm geöffnet“ werden soll oder nicht. Auf das mit dieser Modifikation verbundene Risiko müssen sich Personaldienstleister und ihre Kunden einstellen.