Verweigern Beschäftigte die Arbeit, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, ist eine Kündigung des Betroffenen nicht als sog. „echte“ Druckkündigung sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Druck und die dadurch drohenden wirtschaftlichen Nachteile nicht zumindest dadurch abzuwehren versucht, dass er die Beschäftigten auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung hinweist und für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Aussicht stellt (BAG, Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 431/15, DB 2017 S. 915).
Sachverhalt und Vorentscheidung des LAG Bremen
Konkret ging es in dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Sachverhalt um die Druckkündigung eines, aufgrund einer außerdienstlichen Straftat rechtskräftig verurteilten, Arbeitnehmers. Eine Vielzahl von Arbeitnehmern hatte sich geweigert, weiterhin mit dem Straftäter zusammenzuarbeiten und legte, um ihrer Haltung Ausdruck zu verleihen, die Arbeit so lange nieder, bis der streikursächliche Arbeitnehmer das Betriebsgelände wieder verlassen hatte. Der Arbeitgeber hatte auf das Verhalten seiner Belegschaft hin, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer gekündigt.
Das LAG Bremen (Urteil, vom 17.6.2015 – 3 Sa 129/14), hierzu Vollstädt/Bergwitz, Rechtsboard vom 25.06.2015, siehe dort auch allgemein zur Druckkündigung) erachtete in der Vorinstanz die Druckkündigung des Arbeitnehmers als rechtmäßig. Mit der Weigerung einer Vielzahl von Arbeitnehmern, weiterhin mit dem Straftäter zusammenzuarbeiten sowie mehrfachen Niederlegung der Arbeit hätten „die Mitarbeiter (…) hinreichend nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass sie auch in Zukunft nicht gewillt sind, mit dem Kläger zusammen zu arbeiten und sie ihre Verweigerungshaltung auch in Zukunft aufrechterhalten wollen“.
Der Arbeitgeber sei seiner Fürsorgepflicht, sich zunächst schützend vor seinen Arbeitnehmer zu stellen dahingehend nachgekommen, indem er diesem einen Arbeitsplatz angeboten und „mehrfach und nachdrücklich die Kollegen (…) darauf hingewiesen [habe], dass der Kläger einen Rechtsanspruch auf Beschäftigung hat und als Arbeitgeber die Mitarbeiter aufgefordert [hat], ihre Arbeit trotz der Tätigkeit des Klägers ordnungsgemäß durchzuführen.
Das LAG Bremen war der Ansicht, dass der Arbeitgeber „insbesondere nicht verpflichtet [gewesen sei], der Weigerungshaltung von Teilen der Belegschaft mit arbeitsrechtlichen Sanktionen wie Abmahnung, Kündigungsandrohung und Lohnkürzung zu begegnen“.
Entscheidung des BAG
Dieser Ansicht des LAG Bremen tritt das BAG nun mit seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung entgegen. Die Beklagte habe nicht in ausreichender Weise versucht, die Drucksituation anders als durch das Aussprechen der streitgegenständlichen Kündigung, aufzulösen. Die Kündigung sei nicht durch die Drucksituation i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG „bedingt“ gewesen.
Zwar sei die Drohung der Belegschaft, die Arbeit niederzulegen und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Einbußen grundsätzlich geeignet, eine Druckkündigung zu rechtfertigen. Allerdings müsse der Arbeitgeber zuvor alles ihm Zumutbare getan haben, um den Druck auf anderem, als dem Kündigungswege zu abzuwenden. Insbesondere stünden dem Arbeitgeber dann, wenn die Arbeitnehmer mit Arbeitsniederlegung drohten, andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung als dies etwa bei der Auftragskündigung durch Geschäftspartner der Fall sei. Die Arbeitnehmer verletzten durch eine Arbeitsverweigerung ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Dem Arbeitgeber sei es „stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwer wiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht. Ein solcher Hinweis ist zur Abwendung des Drucks nicht ungeeignet.“ Es sei nach Ansicht des BAG nicht ausgeschlossen, „dass die Arbeitnehmer schon dadurch veranlasst werden, ihre Weigerungshaltung zu überdenken“. Ohne eine entsprechende Klarstellung des Arbeitgebers könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter zu weiteren Arbeitsniederlegungen selbst um den Preis finanzieller Einbußen und rechtlicher Nachteile für den Bestand ihrer eigenen Arbeitsverhältnisse bereit seien.
Erhöhte Anforderungen bei vorangegangenen unwirksamen Kündigungen
An das Verhalten des Arbeitgebers seien insbesondere dann erhöhte Anforderungen zu stellen, wenn bereits rechtswirksam festgestellte unwirksame Kündigungen durch den Arbeitgeber erfolgt seien. Dann habe dieser dem aufgrund der vorausgegangenen Kündigung möglichen subjektiven Eindruck der weiter eine Entlassung fordernden Mitarbeiter entgegenzuwirken, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht“, um doch noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen“. Der Arbeitgeber müsse dem Kündigungsverlangen der Belegschaft auch deshalb entgegentreten, da sich sonst anderenfalls „die Mitarbeiter in ihrem Entlassungsverlangen und in ihrer Bereitschaft, diesem durch den Einsatz von Druck zum Erfolg zu verhelfen, noch bestärkt fühlen. Er muss deutlich machen, dass es für eine Entlassung keinen Grund gibt und dass aus seiner Sicht eine Entlassung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen ist“. Dies gelte gerade dann, wenn eine besonders verwerfliche Straftat des Arbeitnehmers, die in keinem dienstlichen Bezug zu seiner Tätigkeit steht, Grund für die Druckausübung sei. Der Arbeitgeber müsse „dem möglichen Eindruck entgegen (…) wirken, er habe für das Entlassungsverlangen Verständnis“.
Gerichtlichen Entscheidungen, wonach eine arbeitsrechtliche Sanktion der vom Kläger begangenen Straftat ausgeschlossen ist, seien sowohl vom Arbeitgeber, als auch der Belegschaft zu akzeptieren. Ein auf die außerdienstlich begangene Straftat gestütztes Entlassungsverlangen sei „daher weder „legitim“ noch gar „objektiv gerechtfertigt“.
Pflicht zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Sanktionsmaßnahmen
Das BAG macht in seinem obiter dictum zur Entscheidung ferner deutlich, dass der Arbeitgeber – und ist ihm das Verhalten seiner Belegschaft auch noch so recht – verpflichtet ist, der rechtswidrigen Haltung seiner Belegschaft mit der Androhung Durchsetzung scharfer Mittel, wie etwa Abmahnungen oder Entgeltkürzungen entgegenzutreten. Ein berechtigtes Interesse an einer rechtwidrigen Arbeitsniederlegung bestehe insofern nicht. Der Arbeitgeber habe kein „Ermessen bei der Beurteilung, welche Versuche zur Druckabwendung ihm zumutbar sind. Dies bestimmt sich vielmehr, wenn auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, objektiv“. Insofern habe das LAG Bremen den Sachverhalt nicht ausreichend berücksichtigt. Zwar möge „es im Rahmen tatrichterlicher Würdigung liegen, ob der Ausspruch von Abmahnungen unmittelbar in der „aufgeheizten“ Situation anlässlich der Arbeitsantritte des Klägers keinen Effekt gehabt hätte“. Allerdings sei damit nicht gesagt, „wie massiv und nachhaltig die Weigerungshaltung gewesen wäre, wenn die Beklagte den die Arbeit verweigernden Arbeitnehmern schon im Vorfeld des zweiten Arbeitsantritts des Klägers Abmahnungen wegen der vorhergegangenen Arbeitsverweigerung angedroht oder ausgesprochen und/oder Entgeltkürzungen angedroht und/oder vorgenommen hätte“.
Pflicht zur Einwirkung auf Drittfirmen
Abschließend äußert sich das BAG zur Verhaltenspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Leitungsorganen von Drittfirmen, deren Arbeitnehmer sich an einer Druckausübung beteiligen. Insofern käme in Betracht, „bei den für den Arbeitseinsatz verantwortlichen Repräsentanten der Drittfirmen eine Einwirkung auf ihre Arbeitnehmer anzumahnen“.
Abschließende Bewertung und Handlungsempfehlung in Drucksituationen
Das BAG macht mit seiner Entscheidung deutlich, dass es keinen Raum für Sympathie des Arbeitgebers mit seiner Belegschaft zur Begründung einer Druckkündigung geben kann. Der Arbeitgeber ist an die Grundsätze der Rechtsprechung gebunden und verpflichtet, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um Drucksituationen abzuwenden. Hierzu gehören eben auch bekannte arbeitsrechtliche Sanktionsmittel, wie Abmahnungen oder Entgeltkürzungen. Mit seiner Linie schafft das BAG Rechtssicherheit für Arbeitgeber. Arbeitsniederlegungen stellen stets eine Verletzung der vertraglichen Hauptpflicht dar, ganz gleich, welche Ursache sie letzten Endes haben und wie die Einstellung des Arbeitgebers zur Situation sein mag. Hierauf gilt es frühzeitig adäquat zu reagieren. Dies bedeutet, dass stets alle Register gegenüber der die Drucksituation auslösenden Belegschaft zu ziehen sind, bevor eine rechtmäßige Druckkündigung ausgesprochen werden kann. Hält man sich jedoch an diese Grundsätze, lassen sich Drucksituationen meistern.
Na prima
…..vor das Arbeitsgericht zu ziehen, um die Unterlassung der Druckausübung zu verlangen und damit seinen Betrieb zu retten.
bei 25 Arbeitnehmern ist der Betrieb tot, bevor ein ArG entscheidet. Was Passiert wenn die 25 in Berufung gehen. Der Betrieb geht insolvent – mit demjenigen gegen den der Druck aufgebaut wurde!
Was ist die Konsequenz wenn das ArG ihm recht gibt? Er muss dann alle abmahnen und ggf. entlassen. Kann er dass dann mit Verweis auf das Urteil? Konsequenz der betrieb geht Insolvent – mit dem Auslösenden
Man stelle sich vor der zu kündigende AN wehrt sich wie von Herrn Dr. Loder vorgeschlagen: was passiert dann? wird er dann wohlwollend oder zerknischt in die Betriebsgemeinschaft aufgenommen?
Konsequenz: Betrieb insolvent.
Hatte im übrigen schon mal selbst so einen Fall. bei der Einführungsrunde eines neuen Mitarbeiters sprang ein lange beschäftigter Mitarbeiter über eine Maschine und ging mit einem Werkzeug auf den Neuen los: wie sich herausstellte, tötete der Neue das Kind des Mitarbeiters bei einem Unfall.
Hatte lange zu tun den Mitarbeiter und dessen Umfeld von meinem Nichtwissen der Situation zu überzeugen.
in disem Zusammenhang ist es erwähnenswert das beide aus Griechenland stammten ich erwähne das – politisch inccorrect – weil südlich und östlich Aplen immer noch und zunehmend mit nicht deutschem Rechtsempfinden gerechnet werden muss, ob es uns gefällt oder nicht
In diesem Zusammenhang stelle ich mir vor die 25 oder ein Teil sind aus emotional stärker reagierenden Herkünften oder sogar verwandt…….
aber das will ja keiner wissen oder zur Kenntnis nehmen aber und nun werde ich ganz böse wenn der eine AFDler wäre na dann …..
So wohltuend die Entscheidung des BAG im Ergebnis sein mag, so kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die echte Druckkündigung keine Existenzberechtigung hat. Aus schlimmster Zeit historisch belastet, dient sie nur dazu, einen Arbeitnehmer, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, aus dem Betrieb zu drängen, weil andere dies wollen, ein Ergebnis, das das BAG ansonsten tunlichst vermeidet (hierzu Hamacher, Neues zur betriebsbedingten Druckkündigung-Bedrückend ?, NZA 2014, 134,135 unter Verweis auf BAG NZA 2012, 852, 854 unter I, 1c). Da Druck und wirtschaftlicher Nachteil in einer freien Wettbewerbsordnung zum Geschäft eines Unternehmers gehören, mit dem er umgehen muss (ein aufmerksamer Wettbewerber spürt den Druck auch ohne Verbalisierung von außen !), basiert die echte Druckkündigung im Eigentlichen nur auf der akzidentellen Konstellation „Einer gegen Alle“. Solidarisierten sich 25 Arbeitnehmer mit dem von Druck betroffenen Mitarbeiter gegen 25 Druckausübende, bliebe dem Arbeitgeber gar nichts anderes übrig als vor das Arbeitsgericht zu ziehen, um die Unterlassung der Druckausübung zu verlangen und damit seinen Betrieb zu retten. Warum wird ihm der Gang zum Gericht erspart, wenn nur ein Arbeitnehmer gegen die Mehrheit seiner Gegner kämpft ? Die Druckkündigung ist daher nur die bequemste Lösung, man opfert den einen um die anderen zu retten -wie wenn ein Rechtssatz existieren würde, dass der Einzelne sich zu diesem Zweck aufopfern muss. Diese Verpflichtung gibt es aber nicht. Wehrt sich nämlich der Arbeitnehmer mit Händen und Füßen rechtzeitig gegen den Arbeitgeber und auch gegen die Druckausübenden auf der Basis von §§ 1004,826 BGB, ist für den Unternehmer die einfache Lösung in weite Ferne gerückt und damit auch die Rettung des Betriebs, die die Betriebsbedingtheit der Kündigung rechtfertigen soll.