Der Bundestag hat am 27.04.2017 (BT-Drucks. 18/12128) die seit Jahrzehnten erprobte Nichtbesteuerung von Sanierungsgewinnen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und hierdurch den Bedenken des BFH (Beschluss vom 28.11.2016 – GrS 1/15) an einer Verwaltungsanweisung des BMF vom 27.03.2003 (IV A 6 S 2140/03, BStBl. I 2003) Rechnung getragen. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 02.06.2017 seine Zustimmung erteilt. Durch die neuen Vorschriften wird jedoch die seit Veröffentlichung der BFH-Entscheidung am 08.02.2017 entstandene Rechtsunsicherheit nicht vollständig beseitigt.
Inhalt der gesetzlichen Neuregelungen:
- Gemäß § 3a Abs. 1, 2 EStG werden unternehmensbezogene Sanierungsgewinne steuerfrei gestellt, sofern die Gesellschaft im Sanierungs- und im Folgejahr bestehende steuerliche Wahlrechte steuermindernd ausübt.
- § 3a Abs. 3 EStG bestimmt, dass bestehende Vorjahresverluste bis zum auf die Sanierung folgenden Jahr in einer festen Reihenfolge verbraucht werden.
- Auf Erträge, die bei einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan oder einem Schuldenbereinigungsplan im Verbraucherinsolvenzverfahren entstehen, sind diese Grundsätze gemäß § 3a Abs. 5 EstG entsprechend anzuwenden.
- Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Sanierungsgewinn stehen, dürfen gemäß § 3c Abs. 4 EstG nicht abgezogen werden.Gemäß § 52 Abs. 4a EStG sind die Vorschriften auf Anwendungsfälle ab dem 08.02.2017 anwendbar, sofern zugunsten des Unternehmens kein Vertrauensschutz greift. Zudem finden sich inhaltsgleiche Regelungen zum Körperschafts- und Gewerbesteuergesetz.
Auswirkungen des neuen Gesetzes
Die neuen Vorschriften treten gemäß Art 6 des Änderungsgesetztes vom 27.04.2017 erst dann in Kraft, wenn die EU festgestellt hat, dass die Regelungen entweder keine oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen.
Auch wenn die Kommission in den „Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten“ ein beschleunigtes Entscheidungsverfahren innerhalb eines Monats vorgesehen hat (RuU-LL 2014, 121), kann derzeit nicht abgeschätzt werden, wann die Neuregelung tatsächlich in Kraft tritt, zumal dieses Verfahren erst initiiert werden muss.
Handlungsanweisung für die Übergangszeit
Um diese Unsicherheit zu beseitigen hat das BMF am 27.04.2017 folgende Anweisung für die Finanzverwaltung erteilt:
- Wenn Forderungsverzichte bis zum 8.2.2017 endgültig vollzogen wurden (bei einem Insolvenzplan die rechtskräftige Bestätigung), bleibt es aus Vertrauensschutzgründen bei der Anwendung des alten Sanierungserlasses.
- Vor dem 8.2.2017 erteilte verbindliche Auskünfte sollen nur dann aufgehoben oder zurück genommen werden, wenn die Forderungsverzichte nicht schon im Wesentlichen vollzogen wurden oder keine anderen Gründe für einen Vertrauensschutz vorliegen.
- Nach dem 8.2.2017 erteilte verbindliche Auskünfte sollen zurück genommen werden, wenn die Forderungsverzichte noch nicht vollzogen worden sind.
- In Sanierungsverfahren in einem frühen Stadium ohne bereits erteilte verbindliche Auskunft können die Ertragsteuern bis zum Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen mit Widerrufsvorbehalt gestundet werden.
- Die Stundung ist dann im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen gesetzlichen Regelungen zu widerrufen, da die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns rückwirkend geregelt ist. Ein Widerruf soll jedoch auch erfolgen, sofern die gesetzliche Regelung nicht bis zum 31.12.2018 in Kraft tritt.
Offene Fragestellungen
Es wird zum einen zu klären sein, ob unter die gemäß dem neuen Vorschriften nicht abziehbaren Sanierungskosten neben den Beraterkosten auch die Vergütungsansprüche des Sach- bzw. Insolvenzverwalters für die Mitwirkung an einem Insolvenzplan fallen. Zudem wird zu definieren sein, wann ein Forderungsverzicht vollzogen ist.
Zum anderen bietet die Regelung des BMF bezüglich der Sanierungsfälle im frühen Stadium nicht die gewünschte Rechtssicherheit. Die beabsichtigte Stundung der Steuern bis zu einer Entscheidung der EU wird den betroffenen Unternehmen nicht helfen, wenn sich herausstellt, dass es sich bei der Steuerbefreiung doch um eine unzulässige Beihilfe handelt.
Wer nicht bereit ist, diese Unsicherheit in Kauf zu nehmen, muss auf alternative Sanierungsinstrumente ausweiche. Beispielhaft sei die Beantragung eines Steuererlasses aus persönlichen Gründen, der Asset-Deal, ein Rangrücktritt, eine Ausgliederung der sanierungsfähigen Einheit eines Unternehmens oder die Aufnahme von Alternativszenarien in einem Insolvenzplan erwähnt.