Weisungsfreiheit ist das einzige was zählt – Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter

RA /Fachanwalt für Arbeitsrecht RA/FAArbR Dr. Jannis Kamann, michels.pmks Rechtsanwälte, Köln

Wer ist Arbeitnehmer und wer nicht. Wer sich nicht tagtäglich mit arbeits- und sozialrechtlichen Fragestellungen beschäftigt, der dürfte überrascht sein, dass diese Frage noch immer nicht abschließend geklärt ist. Doch obwohl selbst der Gesetzgeber sich durch Einführung des eher schlecht als recht gelungenen § 611a BGB an einer Definition des Arbeitsverhältnisses versucht hat, bedarf es auch weiterhin gerichtlicher Klärung über die Frage, ob der in einem Unternehmen Beschäftigte freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

Hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitnehmern zu selbständig Tätigen differenziert das Bundesarbeitsgericht insbesondere zwischen dem Grad der persönlichen Abhängigkeit und der Eingliederung in die Arbeitsorganisation: Danach unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis vom Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, mit welchem der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils zum Dienstberechtigten steht. Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung gegenüber einem Dritten im Rahmen einer von diesem bestimmten Arbeitsorganisation erbringt.

Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation ist dabei insbesondere von dem Umstand gekennzeichnet, dass ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausübung der übernommenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BAG, Urteil vom 13. März 2008 – 2 AZR 1037/06). Bei der Frage nach der persönlichen Abhängigkeit des Mitarbeiters muss vor allem auf die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit abgestellt werden. Denn abstrakte für alle Arbeitsverhältnisse anwendbare Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Dabei ist die Rechtsnatur des dem freien Mitarbeitsverhältnis zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses nicht maßgeblich. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob ein freies Mitarbeitsverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist letztlich das „gelebte“ Beschäftigungsverhältnis. Es kommt auf den objektiven Geschäftsinhalt an, der aufgrund der ausdrücklich getroffenen Absprachen und in der praktischen Durchführung des Vertrages zu ermitteln ist. Weichen tatsächliche Durchführung und vertragliche Absprachen voneinander ab, ist auf das gelebte Beschäftigungsverhältnis abzustellen. Die Abgrenzungskriterien, anhand derer der Grad der persönlichen Abhängigkeit zu messen ist, sind vielfältig. Doch die Abgrenzung fällt nicht immer leicht, zumal auch Sozialgerichte und Arbeitsgerichte vielfach unterschiedliche Maßstäbe ansetzen.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

In diese Gemengelage stößt die Entscheidung des BAG vom 21.11.2017 (9 AZR 117/17). Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden war und dieses aufgrund Befristung am 31.07.2016 geendet hat. Die Vorinstanzen hatten die Klage jeweils abgewiesen. Die Beklagte ist Trägerin einer Musikschule. Der Kläger erteilte auf der Grundlage mehrerer, befristeter freier Mitarbeitsverträge Unterricht bei der Beklagten. Der Unterricht fand in den Räumlichkeiten der Musikschule statt, dem Kläger wurde ein Unterrichtsraum an drei mit ihm vereinbarten Wochentagen zwischen 09:00 Uhr und 22:00 Uhr zur Verfügung gestellt. Die tatsächlichen Unterrichtszeiten sprach der Kläger mit den Schülern ab.  Die Beklagte führte hinsichtlich der Art und Weise der Unterrichtserteilung durch den Kläger keine Kontrollen durch. Neben der unterrichtenden Tätigkeit nahm der Kläger vereinzelt an Konferenzen, Veranstaltungen und Schülervorspielen teil. Hierfür zahlte die Beklagte ihm eine gesonderte Vergütung. Das BAG hielt die Klage für unbegründet und wies die Revision folgerichtig ab.

Das BAG ging davon aus, dass das Rechtsverhältnis der Parteien weder nach dem Inhalt der befristeten Honorarverträge noch durch deren tatsächliche Vertragsdurchführung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Sowohl aus den Verträgen und Schulordnung, als auch aus der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses folge, dass der Kläger in dem für ein freies Dienstverhältnis erforderlichen Maße frei von Weisungen gewesen sei. Zwar könne in der Anordnung, eine Tätigkeit nur in bestimmten Räumlichkeiten zu verrichten, und einer nur zeitlich beschränkten Zurverfügungstellung dieser Räumlichkeiten eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegen. Das sei aber nicht anzunehmen, wenn die Zeitspanne so bemessen ist, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt. Für die Statusbeurteilung sei auch nicht bedeutsam, dass der Unterricht in Räumlichkeiten der Beklagten stattfand. Diese Bindung besage nichts über eine persönliche Abhängigkeit

Praxishinweise

Die Entscheidung des BAG bestätigt grundsätzlich die bislang ausgewogene Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur angesprochenen Abgrenzungsproblematik. Erfreulich ist dabei, dass das BAG anerkennt, dass es nicht zwangsläufig darauf ankommt, wo die geschuldete Tätigkeit ausgeübt wird und dass gewisse zeitliche Rahmenbedingungen (hier: 9:00 bis 22:00) zu beachten waren. Denn zwar sind Ort und Zeit der Tätigkeit durchaus beachtenswerte Kriterien, sie dürfen aber auch nicht überschätzt werden. Thüsing hat in einem sehr lesenswerten Aufsatz (NZA 2015, 1478) das schön auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt: „Ein Sonnenaufgang kann nicht zur Mittagszeit fotografiert werden, und eine Wand nur da gestrichen werden, so sie steht.“ Entscheidend ist und bleibt, wer dem Fotografen, Maler oder im vorliegenden Fall dem Musiklehrer gegenüber weisungsberechtigt ist. So sieht es auch richtigerweise das BAG und fasst dies in der einfachen Formel zusammen: Der Kläger sei (hinsichtlich der zeitlichen Lage) nicht frei, aber weisungsfrei. Bemerkenswert ist allerdings die vom BAG vorgenommene Einschränkung. Die Anordnung, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nur in bestimmten Räumlichkeiten zu verrichten, könne bei deren nur zeitlich beschränkten Zurverfügungstellung eine Weisungsgebundenheit in zeitlicher Hinsicht begründen, soweit die Zeitspanne nicht so bemessen ist, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibt. Dieser Einschub dürfte aber nicht verallgemeinerungsfähig sein. Denn was ein „erheblicher Spielraum“ ist, das lässt das BAG offen und damit viel Raum für Spekulationen. Arbeitgeber sollten aber beachten, zukünftig sowohl vertraglich als auch tatsächlich die zeitlichen Freiheit des Mitarbeiters nicht durch örtliche Vorgaben zu stark zu beschränken.

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