Der allgemeine Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes gilt grundsätzlich nicht für Mitglieder der Organe einer juristischen Person, z.B. GmbH-Geschäftsführer. Das BAG musste sich in seinem Urteil vom 21. September 2017 (2 AZR 865/16) mit der Frage auseinandersetzen, ob dies auch dann der Fall ist, wenn ein Unternehmen Beschäftigte ab einer gewissen Führungsebene systematisch zu Geschäftsführern bestellt und deren Befugnisse im Innenverhältnis beschränkt sind.
Kündigung eines „Executive Directors“
Die Beklagte ist eine große Unternehmensberatung in der Rechtsform der GmbH mit ca. 3.000 Arbeitnehmern und 98 Geschäftsführern. Der Kläger war seit 1996 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt und wurde 2011 zu deren Geschäftsführer bestellt, was der Praxis der Beklagten bei Beschäftigten ab einer gewissen Führungsebene entsprach. Bei den Geschäftsführern wurden intern zudem weitere Hierarchieebenen unterschieden, für die in einer „Unterzeichnungsrichtlinie“ bestimmte (Zeichnungs-)Befugnisse festgelegt wurden. Zuletzt war der Kläger als „Executive Director“ für die Beklagte tätig.
Im Februar 2014 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger ordentlich, berief ihn aber zunächst nicht von seinem Amt als Geschäftsführer ab. Einige Monate später legte der Kläger noch vor Ablauf der Kündigungsfrist sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten mit sofortiger Wirkung nieder.
Der Kläger wandte sich zunächst vor dem Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 12. August 2015, 56 Ca 4123/14) und später vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25. August 2016, 21 Sa 1493/15, 21 Sa 575/16) mit der Begründung gegen die Kündigung seines Anstellungsverhältnisses, er sei trotz der Bestellung zum Geschäftsführer tatsächlich als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Seine Organstellung sei allein formales Element seiner Hierarchieebene gewesen und er habe der Bestellung zustimmen müssen. Tatsächlich sei er in seiner Befugnis, die Beklagte zu vertreten, durch die Unterzeichnungsrichtlinie aber stark beschränkt gewesen. Die Beklagte dürfe sich deswegen nicht auf seine Stellung als Organmitglied berufen. Die Bestellung sei zudem allein deswegen erfolgt, um den Kündigungsschutz des Klägers zu beseitigen. Damit sei im Ergebnis eine soziale Rechtfertigung der Kündigung nötig, an der es aber fehle.
Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Das BAG wies die hiergegen eingelegte Revision ebenfalls zurück.
BAG: Keine andere Bewertung bei beschränkten Befugnissen im Innenverhältnis
Das BAG ist der Argumentation des Klägers nicht gefolgt und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Der allgemeine Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes sei wegen der negativen Fiktion in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auf den Kläger als Geschäftsführer nicht anwendbar. Die Norm sei selbst dann anzuwenden, wenn das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis selbst als Arbeitsverhältnis zu charakterisieren sei. Die Befugnisse eines GmbH-Geschäftsführers seien gesetzlich geregelt und bestünden im Außenverhältnis unabhängig von etwaigen Beschränkungen im Innenverhältnis. Auf diese komme es daher nicht an und es sei ebenfalls unerheblich, wenn das Amt nach Zugang der Kündigung niedergelegt werde. Ob dies auch dann gelte, wenn ein Organmitglied zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits abberufen worden sei, ließ das BAG ausdrücklich offen, deutete aber an, auch für diesen Fall das Kündigungsschutzgesetz nicht anwenden zu wollen.
Bestellung einer Vielzahl Beschäftigter als Geschäftsführer ist Teil der unternehmerischen Organisationsfreiheit
Es sei auch nicht treuwidrig, dass sich die Beklagte auf die Organstellung des Klägers berufe. Es sei nicht erkennbar, dass er nur bestellt worden sei, um in Kürze unter Umgehung des Kündigungsschutzes entlassen zu werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte zahlreiche Beschäftigte in der Führungsebene unter Beschränkung ihrer Befugnisse im Innenverhältnis als Geschäftsführer bestellt habe. Das Gesetz sehe eine Mehrzahl von Geschäftsführern ausdrücklich vor und schließe unterschiedliche Befugnisse im Innenverhältnis nicht aus. Die Praxis der Beklagten sei im Rahmen ihrer unternehmerischen Organisationsfreiheit zulässig.
Auch im Übrigen sei das Ergebnis der Vorinstanzen nicht zu beanstanden: Es gebe gute Gründe für die Möglichkeit der Kündigung von Anstellungsverhältnissen von Organmitgliedern ohne soziale Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz. So müsse die jeweilige Gesellschaft wegen der weitreichenden, nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse von Organmitgliedern beispielsweise ein besonderes Vertrauen in diese haben.
Fazit
Das BAG hat mit seinem Urteil klargestellt, dass es für den Ausschluss des allgemeinen Kündigungsschutzes bei Organmitgliedern juristischer Personen grundsätzlich nur auf die formale Stellung als Organmitglied ankommt. Wie das Innenverhältnis ausgestaltet ist oder ob dem Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt, spielt grundsätzlich keine Rolle. Die binäre Betrachtung (Arbeitnehmer – Organmitglied) entspricht dem deutschen Verständnis der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Normen, ist im Lichte des Unionsrechts aber keineswegs selbstverständlich. So können nach der Rechtsprechung des EuGH unter den unionsrechtlichen Begriff des „Arbeitnehmers“ durchaus auch Organmitglieder zu fassen sein. Dies sieht der EuGH bisher insbesondere beim sog. Fremdgeschäftsführer (der nicht an der Gesellschaft beteiligt ist) für die Anwendung von Bestimmungen so, die auf der Mutterschutz- („Danosa“) und Massenentlassungsrichtlinie („Balkaya“) beruhen. Vor diesem Hintergrund darf man gespannt sein, ob die deutschen Gerichte bei rein nationalen Regelungen bei ihrer binären Betrachtung bleiben.