Es bleibt dabei: Kein Konzernbetriebsrat bei ausländischer Konzernspitze

RAin/FAinArbR Martina Hidalgo, Leiterin des Geschäftsbereichs Arbeitsrecht und Partnerin der Kanzlei CMS Hasche Sigle

Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 23.05.2018 (Aktenzeichen 7 ABR 60/16) bestätigt, dass ein Konzernbetriebsrat nur dann errichtet werden kann, wenn die Konzernspitze im Inland liegt. Hat das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Ausland und besteht im Inland keine ansässige Teilkonzernspitze, die über wesentliche Entscheidungsbefugnisse in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügt, kann ein Konzernbetriebsrat nicht errichtet werden.

Sachverhalt

In der Entscheidung ging es um fünf in Deutschland gelegene Technologieunternehmen einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe. Die Konzernobergesellschaft hat ihren Sitz in der Schweiz. Ihre in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft (an der sie 100% der Anteile hält) ist eine reine Finanzholding ohne eigene Geschäftstätigkeit, auf deren Ebene die Jahresergebnisse der in Deutschland tätigen Gesellschaften konsolidiert werden. Die vier operativen deutschen Gesellschaften sind zwar Tochtergesellschaften der deutschen Finanzholding, an denen diese jeweils alle oder zumindest die Mehrheit der Anteile hält. Die deutsche Finanzholding übte jedoch keinerlei Leitungsfunktion gegenüber ihren Tochtergesellschaften aus; ein formal bestehendes Beherrschungsverhältnis mit zwei Tochtergesellschaften wurde tatsächlich nie umgesetzt. Im Gegenteil wurden alle vier operativen deutschen Gesellschaften faktisch durch die Schweizer Konzernobergesellschaft geleitet: Die wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen trafen entweder der CEO der Schweizer Konzernobergesellschaft oder deren CFO, der stellvertretende CEO oder der Verwaltungsrat. Bei zwei operativen deutschen Gesellschaften bestand zudem ein Beherrschungsvertrag mit der Schweizer Konzernobergesellschaft.

Die Betriebsräte von drei der vier operativen Gesellschaften errichteten einen Konzernbetriebsrat bei der deutschen Finanzholding, dessen Existenz die deutschen Unternehmen von Beginn an nicht anerkannten und ihn auch nicht in mitbestimmungsrelevante Angelegenheiten einbezogen. Sie wandten sich deshalb an das Arbeitsgericht und beantragten festzustellen, dass ein Konzernbetriebsrat bei diesem Sachverhalt nicht besteht.

Sowohl das Arbeitsgericht Weiden (Urteil vom 01.09.2015 – 5 BV 18/14) als auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 21.07.2016 – 5 TaBV 54/15) haben dem Antrag der Arbeitgeber stattgegeben. Dagegen legten die drei beteiligten Betriebsräte und der Konzernbetriebsrat Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ein.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat nach der Pressemitteilung vom 23.05.2018 festgestellt, dass in dieser Sachverhaltskonstellation ein Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet werden kann. Dafür wäre erforderlich, dass sich entweder die Konzernobergesellschaft in Deutschland befindet oder im Inland zumindest eine Teilkonzernspitze besteht, die über wesentliche Leitungsaufgaben in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügt. Beides war nicht der Fall.

Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung des BAG ist uneingeschränkt zu begrüßen und bestätigt die Entscheidungen des 7. Senats vom 14.02.2007 (7 ABR 26/06) und vom 16.05.2007 (7 ABR 63/06), obwohl diese in der Literatur durchaus angegriffen wurden. Maßgeblich ist wohl gewesen, dass Mitbestimmung auf der Konzernebene eines Ansprechpartners auf der Unternehmensseite bedarf, mit dem der Konzernbetriebsrat verbindlich für die nachgeordneten Unternehmen Regelungen treffen kann. Hat die Konzernobergesellschaft in Deutschland jedoch keine Leitungsmacht, kann ein Konzernbetriebsrat auch keine betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte durchsetzen. Und eine ausländische Konzernobergesellschaft muss sich nicht an deutsches Betriebsverfassungsrecht halten. Das Hauptargument der Gegner, die auf die Möglichkeit der Bildung eines Gesamtbetriebsrats für inländische Betriebe verweisen, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat, ist auf die Konzernebene nicht übertragbar. Denn in diesem Fall ist der ausländische Arbeitgeber unmittelbar in den inländischen Betrieben tätig, übt betriebliche Leitungsmacht in den Betrieben in Deutschland aus und setzt seine Entscheidungen auch vor Ort um. Da das ausländische Unternehmen damit nicht nur rechtlich Arbeitgeber vor Ort in Deutschland ist, sondern auch alle Entscheidungen trifft, steht in Deutschland ein Ansprechpartner sowohl für die Betriebsräte als auch für den Gesamtbetriebsrat zur Verfügung. Wenn dagegen wie im Fall des BAG in Deutschland lediglich eine reine Finanzholding existiert, die weder rechtlich noch tatsächlich auf die Geschäftstätigkeit der operativen Gesellschaften Einfluss nimmt, kann sie nicht Ansprechpartner für die der Mitbestimmung unterliegenden Regelungsgegenstände eines Konzernbetriebsrats sein. Da die inländischen Konzernunternehmen rechtlich selbständige juristische Personen sind, treten sie gegenüber dem Konzernbetriebsrat auch nicht als Einheit auf. Verbindliche Regelungen für alle Konzernunternehmen kann ein Konzernbetriebsrat bei dieser Konstellation nicht umsetzen. Offen ist, wie die Entscheidung mit der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung in Einklang zu bringen ist. In der Vorgängerentscheidung vom 14.02.2007 (7 ABR 26/06) ist der 7. Senat davon ausgegangen, dass die Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats (wenn dieser wegen einer ausländischen Konzernspitze nicht errichtet werden kann) nicht einfach entfallen, sondern von den Gesamtbetriebsräten oder den Betriebsräten wahrgenommen werden. Dies wurde heftig kritisiert und mit der zwingenden und unabdingbaren Zuständigkeitsverteilung der Betriebsverfassung für unvereinbar angesehen. Es bleibt bis zur Veröffentlichung der Begründung der Entscheidung abzuwarten, ob und wie sich das Bundesarbeitsgericht in dieser Hinsicht positioniert.

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