Urlaubszeit ist Streikzeit. Wer dachte, dieses Mantra wäre seit dem Tarifeinheitsgesetz Geschichte, wurde am letzten Wochenende eines Besseren belehrt. Die Gewerkschaft Cockpit und mit ihr die Piloten der Fluggesellschaft Ryanair haben 24 Stunden lang gestreikt. In der Folge sind hunderte Flüge ausgefallen und rund 42.000 Passagiere nicht befördert worden. Damit haben die Deutschen es ihren Kollegen in Irland, Schweden und Belgien gleichgetan.
Neben einem höheren Gehalt will die Gewerkschaft Cockpit erreichen, dass Ryanair in Verhandlungen über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Piloten eintritt. Nach Informationen aus der Presse müssen die Piloten für vieles aus eigener Tasche aufkommen und sich mit Arbeitsbedingungen zufriedengeben, die mit dem weiteren Berufsstand nicht vergleichbar sind. Wer jetzt empört auf den Tisch haut, sollte kurz innehalten und sich fragen, wie Ryanair Ticketpreise von zehn Euro und weniger anbieten kann.
Sozialabgaben in Millionenhöhe werden gespart
Zusätzlich wendet sich die Gewerkschaft auch dagegen, dass von den rund 400 in Deutschland stationierten Piloten Schätzungen zufolge nach etwa die Hälfte nicht bei Ryanair angestellt, sondern als selbstständige Subunternehmer für fadenscheinige Personalvermittler im Einsatz sind. Ryanair bzw. die Personalvermittler sparen hierdurch Sozialabgaben in Millionenhöhe. Cockpit hat aus dem Fehler im Jahr 2015 gelernt, als sie sich zu offensiv gegen die unternehmerische Entscheidung der Lufthansa zur Gründung der Billig-Airline Eurowings wendeten. Das LAG Hessen untersagte den Streik per einstweiliger Verfügung, da es sich bei der Entscheidung zur Gründung einer neuen Gesellschaft um eine unternehmerische Entscheidung handelte, die kein legitimes Streikziel darstellte. Cockpit geht daher gegen den Einsatz von (Schein-)Selbstständigen subtiler vor. Die (Schein-)Selbstständigen erhalten finanzielle Unterstützung, beispielsweise indem Verfahrenskosten übernommen werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen Ryanair bzw. die Personalvermittler. Ryanair hat daher angekündigt, die Zusammenarbeit mit (Schein-)Selbstständigen einzuschränken.
Rechtliche Möglichkeiten sind begrenzt
Die rechtlichen Möglichkeiten gegen Streiks dieser Art sind begrenzt. Das Mittel der Wahl, eine einstweilige Verfügung gegen die Vereinigung Cockpit gerichtet auf Beendigung des Streits, dürfte keine Aussicht auf Erfolg haben. Solange der Streik verhältnismäßig ist und ein legitimes Streikziel verfolgt wird, wird Ryanair auch zukünftig Streiks hinnehmen müssen. Auch vor den niederländischen Gerichten ist Ryanair mit dem Versuch, den Streik in den Niederlanden zu stoppen, bereits gescheitert.
Durch das Tarifeinheitsgesetz, das im Sommer 2015 verabschiedet wurde und dessen Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017 mit Einschränkungen festgestellt hat, ist Cockpit nicht am Streiken gehindert. Das BVerfG hat entschieden, dass Minderheitsgewerkschaften ihre Macht in begrenztem Umfang weiternutzen dürfen. Ohnehin greift das Tarifeinheitsgesetzt nur im Fall einer Tarifkollision wie im Fall der Fall der Lokführer, die teilweise bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und in der für Zugbegleiter zuständigen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG organisiert sind. Eine offene „Tarifkollision“ gibt es bei den Piloten indes nicht. Während ver.di das Bodenpersonal vertritt, ist Cockpit für die Interessen der Piloten zuständig.
Streikrecht soll vereinheitlicht werden
Als Reaktion auf den ersten Streik in Irland hat Ryanair die Drohung ausgesprochen, Stellen in Irland abzubauen und in Niedriglohnländer zu verlagern. Auch für Deutschland wurde die Drohung der Verlagerung von Stellen bereits ausgesprochen. Ob diese Taktik angesichts der geschlossenen Gewerkschaftsfront in ganz Europa erfolgreich sein wird, darf indes bezweifelt werden. In der Vergangenheit wurden Streiks in einzelnen Ländern dadurch ausgehebelt, dass aus anderen Ländern Personal beschafft wurde. Dieses Aushebeln wird nunmehr durch vermehrte Absprachen zwischen den Ländern vermieden. Jüngst hat sich der Präsident der Vereinigung Cockpit, Martin-Joachim Locher, dafür ausgesprochen, das Streikrecht in Europa zu vereinheitlichen. Angesichts der länderübergreifenden Ausweichstrategien ist die Forderung gut nachvollziehbar. Angesichts der geeinten Front wird die Luft für Ryanair immer dünner. Ob die Zeiten, in denen Flüge nicht mehr als ein Menü bei McDonald’s kosten, damit vorbei sind, bleibt abzuwarten.