Hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf die private Handynummer des Arbeitnehmers und muss dieser immer erreichbar sein?

RA Dr. Christopher Wiencke, Dentons Europe LLP, Berlin

Heutzutage werden immer mehr Arbeitnehmer außerhalb ihrer Arbeitszeit von ihren Arbeitgebern kontaktiert. Zwar ist es in manchen Berufen – etwa bei Ärzten, Rechtsanwälten oder IT-Fachkräften – verbreitet und oft auch erforderlich, immer erreichbar zu sein. Aber sind Arbeitnehmer tatsächlich hierzu verpflichtet und hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf die private Handynummer seines Mitarbeiters?

Grundsatz: Kein Anspruch auf Erreichbarkeit rund um die Uhr

Das LAG Thüringen hat vor kurzem entschieden, dass es zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten gehöre, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er in seiner Freizeit erreichbar sein will oder nicht – und daher ein Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf die private Handynummer des Arbeitnehmers habe (LAG Thüringen vom 16.05.2018, 6 Sa 442/17). Verweigert sich ein Arbeitnehmer, in Notfällen erreichbar zu sein, sei daher keine Sanktion durch Ausspruch einer Abmahnung möglich.

Dieser hohe Maßstab vermag in Zeiten, in denen viele Arbeitnehmer gar kein Festnetztelefon mehr haben, nicht zu überzeugen. Vielmehr besteht für die Herausgabe der privaten Handynummer ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers immer dann, wenn eine Telefonnummer zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist (vgl. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG). Hiermit geht jedoch keine grundsätzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur ständigen Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten einher. Diese besteht grundsätzlich nur während der Arbeits- und nicht in der Freizeit.

Außerhalb der Rufbereitschaft besteht lediglich in Notfällen (z.B. Personalunterbesetzung), in denen auch die vom Arbeitgeber vorzuhaltene Personalreserve etwa aufgrund Krankheit nicht einsatzfähig bzw. erreichbar ist und der zu kontaktierende Arbeitnehmer die Störung beseitigen kann, eine Pflicht des Arbeitnehmers, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Ist der Arbeitnehmer jedoch nicht zu erreichen und/oder stehen einem Einsatz schutzwürdige Belange des Arbeitnehmers entgegen, scheiden Sanktionen aus.

Ausnahme: vergütete Rufbereitschaft

Jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Rufbereitschaft außerhalb der regulären Arbeitszeit verpflichtet ist, beruht die Erreichbarkeit auf einer vertraglichen Verpflichtung. In diesen Fällen, in denen der Arbeitnehmer auch für seine Erreichbarkeit vergütet wird, hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der privaten Handynummer. Daher muss der Arbeitnehmer eine Nummer angeben, unter welcher er in dem maßgeblichen Zeitfenster zu erreichen ist und muss in dieser Zeit auch erreichbar sein. Hierfür dürfte die Herausgabe der privaten Mobilfunk- und nicht nur der Festnetznummer erforderlich sein.

Pflicht zur dauernden Erreichbarkeit bei Nutzung eines Diensthandys?

Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Diensthandy zur Verfügung, besteht auch hier eine Verpflichtung zur dauernden Erreichbarkeit nur während der Arbeitszeit sowie einer etwaig vereinbarten Rufbereitschaft und keine Verpflichtung zur dauernden Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit. Führt ein Arbeitnehmer gleichwohl freiwillig in seiner Freizeit das Diensthandy mit sich, ist dies grundsätzlich keine (vergütungspflichtige) Arbeitszeit.

Empfehlung

Die Erreichbarkeit von Arbeitnehmern außerhalb der regulären Arbeitszeit sollte am besten vertraglich geregelt werden. Auch sollten klare innerbetriebliche Regelungen zur Nutzung privater Telefonnummern durch den Arbeitgeber und zur Erreichbarkeit von Arbeitnehmern bestehen. Arbeitgeber sind zudem angehalten, eine Arbeitsorganisation zu schaffen, die eine Kontaktaufnahme über die private Handynummer nur in äußersten Notfällen erfordert. So sollte eine Personalreserve vorgehalten und im Zweifel die Schaffung eines Bereitschaftsdienstes in Betracht gezogen werden.

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