Rechte und Pflichten bei Abmahnungen – ein kontroverses Thema

RA/FAArbR Volker Serth, Kanzlei FPS, Frankfurt/M.

Kaum ein Bereich des Arbeitsrechts ist in der täglichen Praxis derart präsent und zugleich so mit „urbanen Mythen“ behaftet wie die Abmahnung. Hierzu gibt es allerdings eine ganze Reihe von Fehlvorstellungen, die einer Korrektur bedürfen.

Sinn einer Abmahnung ist es, auf das konkrete Fehlverhalten der Gegenseite hinzuweisen und sie unter Kündigungsandrohung vor einer Wiederholung zu warnen. Schon hieraus ergibt sich, dass auch ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber abmahnen kann. In der Regel erfolgt die Abmahnung jedoch arbeitgeberseitig. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer seinen arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis durch ein steuerbares Verhalten verletzt, wobei aber eine Wiederherstellung des Vertrauens zu erwarten ist. Im Umkehrschluss muss also nicht abgemahnt werden, wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt.

Abmahnungen können laut BAG auch entbehrlich sein

So geht das Bundesarbeitsgericht beispielsweise von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung aus, wenn eine Grundschullehrerin den Geräuschpegel durch das Überkleben von Schülermündern mittels Tesafilmes senkt. Aber auch wenn der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändern kann oder ankündigt, dies nicht ändern zu wollen, kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Meist muss jedoch eine Abmahnung im Vorfeld einer Kündigung ausgesprochen werden. Es kann bereits eine Abmahnung genügen. Insbesondere der Grundsatz, dass es drei Abmahnungen bedürfe, existiert nicht. Dem BAG folgend ist eher Gegenteiliges anzunehmen, da der Arbeitgeber durch häufiges Abmahnen die Warnfunktion als „Leere Drohung“ konterkariert.

Die Abmahnung unterliegt meistens keiner Form und kann von jedem ausgesprochen werden, dem die Weisungsbefugnis zukommt. Die Abmahnung muss auch nicht als solche bezeichnet sein – es reicht, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, welches konkrete Verhalten gegen seine Pflichten verstößt und in Zukunft nicht mehr geduldet wird. Aufgrund der Beweisbarkeit ist aber eine schriftliche Abmahnung, die als solche bezeichnet wurde und die konkrete Pflichtverletzung sowie die Kündigungsandrohung beinhaltet, notwendig. Ferner unterliegt die Abmahnung auch keiner Ausschlussfrist, innerhalb derer sie ausgesprochen werden muss. Zu langes Abwarten relativiert jedoch die Warnfunktion.

Rechtsverlust ist nicht zu befürchten

Wurde der Arbeitnehmer zu Unrecht abgemahnt, kann er gerichtlich hiergegen vorgehen und die Abmahnung aus seiner Personalakte entfernen lassen. Er hat jedoch auch bei Untätigkeit keinen Rechtsverlust zu befürchten, da die Abmahnung noch im Kündigungsschutzprozess überprüft werden kann. Ferner steht es dem Arbeitnehmer zu, eine Gegendarstellung in seine Personalakte einzubringen. Eine genaue Einschätzung des optimalen Vorgehens ist jedoch nur im Einzelfall möglich, was die Einholung anwaltlichen Rates, regelmäßig für beide Seiten, empfehlenswert macht.

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