Versorgungsleistungen an Witwen und Witwer sind regelmäßig Bestandteil einer betrieblichen Altersversorgung. Für den Arbeitgeber bedeutet dies jedoch ein ungewisses finanzielles Risiko, weil die Witwe bzw. der Witwer eine ihm unbekannte Person ist – möglicherweise selbst dem Mitarbeiter noch unbekannt in dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Zusage auf betriebliche Altersversorgung erteilt wird. Daher werden Witwen-/Witwerrenten regelmäßig an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Allein im ersten Halbjahr 2019 hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in sechs Urteilen mit entsprechenden Klauseln auseinandergesetzt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick, welche einschränkenden Voraussetzungen zu beachten sind und welche nicht mehr durchsetzbar sind. Was geht und was geht nicht mehr in der Hinterbliebenenversorgung?
Spätehenklauseln
Witwen-/Witwerrenten können ausgeschlossen werden, falls die Ehe erst spät geschlossen wird. Solche sog. Spätehenklauseln werden im Grundsatz anerkannt, müssen aber angemessen und erforderlich sein, um die Leistungspflicht des Arbeitgebers einzugrenzen. Es ist zulässig, eine Witwen-/Witwerrente auszuschließen für den Fall, dass
- die Ehe erst nach Eintritt des Versorgungsfalles (d.h. nach Beginn des Ruhestandes des Mitarbeiters) geschlossen wird (Aktenzeichen des BAG: 3 AZR 707/11 und 3 AZR 294/11),
- die Ehe erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wird (Az. 3 AZR 653/11),
- die Ehe erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres geschlossen wird und die Vollendung des 62. Lebensjahres die maßgebliche Altersgrenze ist, zu der die Zahlung der Altersrente nach der Versorgungsordnung beginnen sollte (Az. 3 AZR 560/17 und 3 AZR 293/17), oder
- die Ehe erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres geschlossen wird, die auch die maßgebliche Altersgrenze nach der Versorgungsordnung ist (Az. 3 AZR 781/16).
Dementsprechend kann eine Spätehenklausel auch an die Regelaltersgrenze anknüpfen. Die Spätehenklausel ist im Übrigen auch gegenüber einem eingetragenen Lebenspartner durchsetzbar, selbst wenn es diesem gesetzlich nicht möglich war, eine Lebenspartnerschaft früher einzugehen (Az. 3 AZR 797/08).
Andererseits darf nicht willkürlich jede Altersgrenze für den Ausschluss einer Witwen-/Witwerrente gewählt werden. Die Wahl der Altersgrenze 62 (Az. 3 AZR 215/18) oder der Altersgrenzen 63 (für Männer) und 60 (für Frauen) (Az. 3 AZR 198/18 und 219/18) ist unzulässig, wenn dies nicht zugleich die Altersgrenze für die Betriebsrente gemäß der Versorgungsordnung ist.
Altersabstandsklauseln
Üblich ist auch, eine Witwen-/Witwerrente auszuschließen, wenn der Altersabstand zwischen den Eheleuten ungewöhnlich groß ist. Ähnlich wie die Altersgrenze für Spätehenklauseln muss aber der gewählte Altersabstand angemessen und erforderlich sein. Da das BAG die Angemessenheit bei einem Abstand von 15 Jahren bestätigt hat (Az. 3 AZR 43/17), sind auch Altersabstandsklauseln mit einem größeren Altersabstand unproblematisch. Zulässig ist auch, dass bei einem Altersabstand von mehr als zehn Jahren die Höhe der Witwen-/Witwerrente um 5 % jedes Jahres darüber hinaus gekürzt wird (Az. 3 AZR 400/17). Beginnt die Kürzung erst bei einem größeren Altersabstand, ist dies daher erst Recht zulässig (Az. 3 AZR 520/17).
Unbeantwortet ist noch die Frage, ob die Witwen-/Witwerrente ganz entfallen dürfte, wenn die Eheleute mehr als zehn Jahre auseinander liegen. Unternehmen können argumentieren, dass eine solche Klausel erst bei einem Altersunterschied von elf Jahren greift, was noch angemessen ist. Eheleute, die in den Anwendungsbereich fallen, hätten ihr Leben bereits so gestaltet, dass der eine einen Teil seines Lebens ohne den anderen verbringt. Zudem würde der Altersunterschied von zehn Jahren den üblichen Unterschied erheblich übersteigen.
Mindestehedauer
Kritischer sieht das BAG die Forderung nach der Mindestdauer der Ehe. Konkret befanden die Richter, es sei unzulässig, eine Witwen-/Witwerrente auszuschließen, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todesfalls nicht mindestens 10 Jahre bestanden hatte (Az. 3 AZR 150/18). Diese zeitliche Grenze von zehn Jahren war nach Auffassung der Richter willkürlich und gefährdete den Zweck der Hinterbliebenenversorgung. Sie konnten weder einen inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis, noch zum Zweck der Hinterbliebenenversorgung erkennen.
Dies muss wohl auch dann gelten, wenn die geforderte Ehedauer kürzer ist. Lediglich die Anknüpfung an die gesetzliche Rentenversicherung dürfte daher noch zulässig sein. Dort ist eine Witwen-/Witwerrente nur ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr bestand. Diesem gesetzlichen Leitbild folgend wäre auch in der betrieblichen Altersversorgung die Forderung einer Mindestdauer von einem Jahr zulässig.
Die Unwirksamkeit der Mindestehedauer war nicht Folge einer Altersdiskriminierung, sondern einer unangemessenen Benachteiligung des Versorgungsberechtigten, der für seinen Ehepartner vorsorgt. Beruht eine Hinterbliebenenversorgung auf einer vom Arbeitgeber vorformulierten Zusage (z.B. Formularvertrag, Gesamtzusage), ist dies eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die den Versorgungsberechtigten nicht unangemessen beachteiligen darf. Damit gelten die Überlegungen des BAG nicht ohne weiteres auch für Betriebsvereinbarungen, die gerade keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind. Bis auf weiteres können daher Mindestehedauern, die durch Betriebsvereinbarung geregelt sind, durchgesetzt werden.
Begünstigter Ehegatte nach Wiederheirat
Die Zusage einer Witwen-/Witwerrente darf nicht auf den Ehepartner beschränkt werden, der im Zeitpunkt dieser Zusage mit dem Arbeitnehmer verheiratet war (Az. 3 AZR 297/15). Im Fall einer Scheidung und Wiederheirat des Arbeitnehmers würde dessen zweiter Ehepartner keine Hinterbliebenenleistungen erhalten. Eine solche Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam. Ist allerdings eine Zusage für den „jetzigen“ Ehepartner gegeben worden, kann dies im Sinne einer Spätehenklausel ausgelegt werden. Trotz Unwirksamkeit der Klausel wird die Witwen-/Witwerrente nur dann gewährt, wenn die zweite Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestanden hatte.
Da auch insoweit die Unwirksamkeit aus einer Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen resultierte, ist eine entsprechende Beschränkung durch Betriebsvereinbarung nicht ausgeschlossen. In der Praxis dürfte eine solche Begrenzung aber kaum Eingang in eine kollektiv geltende Betriebsvereinbarung gefunden haben.
Konsequenzen für Direktzusagen
Die vorstehende Entwicklung in der Hinterbliebenenversorgung hat Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung vieler Unternehmen. Denn die dargestellten Klauseln sind weit verbreitet. Sie werden verwendet in Direktzusagen, die nach wie vor der bedeutendste Durchführungsweg in der betrieblichen Altersversorgung sind. In einer Direktzusage verpflichtet sich der Arbeitgeber, die Versorgungsleistung bei Fälligkeit unmittelbar an den Versorgungsberechtigten zu zahlen, ohne Einschaltung eines Dritten wie z.B. Versicherungsunternehmen oder Pensionskasse. Daher sollen die dargestellten Klauseln den Haftungsumfang gegenüber Witwen und Witwern beschränken.
Versorgungszusagen, die durch Versicherungsverträge finanziert werden, sehen solche Einschränkungen in der Regel nicht vor. Dort hat der Versicherer die Risikokalkulation in seinem Tarif bereits berücksichtigt, so dass es keiner einschränkenden Klauseln bedarf.