Um den Anteil der Frauen in Führungspositionen zu steigern, schuf der Gesetzgeber im Jahr 2015 mit dem Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) erstmals Vorgaben für die geschlechterbezogene Besetzung von Führungs- und Überwachungsgremien bestimmter Unternehmen. Seit dem 1. Januar 2016 müssen Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch mitbestimmt sind, bei der Neubesetzung von Aufsichtsratsposten eine geschlechterspezifische Quote von 30% berücksichtigen. Gesellschaften, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, müssen nach dem FüPoG lediglich Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und den ersten beiden Führungsebenen festlegen, ohne dabei harte Sanktionen befürchten zu müssen.
Während die fixe Aufsichtsratsquote inzwischen als Erfolgsmodell zur Erhöhung des Frauenanteils in betroffenen Aufsichtsräten gilt, hat sich die bloße Zielgrößenregelung als „zahnloser Tiger“ ohne nennenswerte Auswirkungen erwiesen. Eine Bestandsaufnahme fünf Jahre nach deren Inkrafttreten zeigt, dass Frauen in den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen nach wie vor stark unterrepräsentiert sind. Ein nicht unbeachtlicher Anteil der betroffenen Gesellschaften legt sich in ihren Geschäftsberichten auf die Zielgröße „null Frauen“ in ihren Vorständen fest, was von der Politik stark kritisiert wurde.
Aus diesem Grund haben sich die Regierungsparteien bereits im Koalitionsvertrag auf eine Verschärfung der flexiblen Quote verständigt. Im Februar 2020 wurde ein bis dahin nicht veröffentlichter, von Justiz- und Familienministerium erarbeiteter Referentenentwurf eines FüPoG II vom 16. Januar 2020 bekannt. Nach langem Ringen zwischen den Koalitionsparteien hat sich nun am 20. November eine Arbeitsgruppe des Koalitionsausschusses auf Eckpunkte eines FüPoG II geeinigt. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens soll nun zeitnah ein Regierungsentwurf beschlossen werden, damit die Gesetzesnovelle noch in der laufenden Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden kann.
Nach den Veröffentlichungen des Bundesfamilienministeriums sollen mit der Gesetzesnovelle erstmals verbindliche Vorgaben für die Besetzung von Vorständen mit Frauen eingeführt werden. In Vorständen von Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind und gleichzeitig über mindestens vier Vorstandsmitglieder verfügen, soll zukünftig mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied bestellt werden. Für öffentlich-rechtliche Körperschaften sollen gesonderte Frauenquoten festgeschrieben werden. Die Konsequenz einer fehlerhaften Besetzung des Vorstands wäre laut Referentenentwurf vom 16.1.2020 die Nichtigkeit der Bestellung. Der Vorstandsposten würde folglich unbesetzt bleiben. Als Übergangsregelung soll das Gesetz vorsehen, dass die Mindestbeteiligungsquote nur für Neubestellungen gelten und somit nicht in laufende Amtszeiten eingreifen soll. Verfassungsrechtlich ist der Gesetzesvorstoß nicht ganz unbedenklich: Zwingende gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Besetzung des Vorstands stellen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Eingriff in die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische Freiheit der Anteilseigner dar. Zu dieser Freiheit gehört auch die Möglichkeit der Anteilseigner, frei darüber bestimmen zu können, wer die Gesellschaft leitet und über die Verwendung des investierten Kapitals entscheidet. Bei der Beurteilung, ob die starren Geschlechterquoten verfassungsrechtlich zulässig sind, sind beim Vorstand strengere Maßstäbe anzulegen als beim Aufsichtsrat, da dieser die alleinige Leitungsverantwortung trägt und wesentliche strategische Entscheidungen trifft, während der Aufsichtsrat lediglich Überwachungsfunktionen wahrnimmt.
Eine weitere mögliche Neuerung stellt die Ausweitung der verpflichtenden Quoten für Aufsichtsräte auf alle paritätisch mitbestimmten (auch nicht börsennotierten) Gesellschaften dar, wie sie im Referentenentwurf vom 16.1.2020 vorgesehen ist. Auch insofern dürfte eine Übergangsregelung dahingehend zu erwarten sein, dass die Quoten nur bei Neubesetzungen zu berücksichtigen sind. Diese Ausweitung der starren Quote ist zu begrüßen, da sie sich als effektives Instrument erwiesen hat. Dieses wird gleichwohl dem politischen Anliegen der Frauenförderung in der Wirtschaft nur dann gerecht, wenn wesentlich mehr Unternehmen in die Pflicht genommen werden als nur der kleine Kreis der börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen (derzeit nur etwas mehr als 100 Unternehmen).
Schließlich lassen entsprechende Regelungen im Koalitionsvertrag und dem Referentenentwurf vom 16.1.2020 erwarten, dass diejenigen Unternehmen, die sich auf eine Zielgröße von Null festlegen, die Gründe hierfür künftig umfangreich öffentlich darlegen müssen. Eine Verletzung von Berichtspflichten soll laut Referentenentwurf als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können.