Zusagen auf betriebliche Altersversorgung gegenüber Geschäftsführern werden individuell ausgehandelt und erteilt. Ein Geschäftsführer kann sich nach Ansicht des OLG München (vom 25.11.2020 – 7 U 1297/20) nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, wenn andere Geschäftsführer eine andere (höhere) Versorgungszusage erhalten haben. Ein abschließendes Wort ist damit aber noch nicht gesprochen.
Versorgungszusagen gegenüber Mitgeschäftsführern
Der klagende Geschäftsführer hatte eine beitragsorientierte Zusage auf betriebliche Altersversorgung (bAV) erhalten. Die Versorgungsleistungen sollten sich nach den Versicherungsleistungen richten, die sich aus einem zugesagten Beitrag ergeben würden. Vier weitere Geschäftsführer hatten hingegen zuvor eine (höhere) Leistungszusage erhalten. Deren Versorgungsleistung entsprach der Hälfte ihres letzten Grundgehalts und sollte außerdem bereits ab der Abberufung oder Nichtwiederbestellung gezahlt werden. Doch konnte der Kläger nicht mit Erfolg eine Gleichbehandlung fordern.
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz für Geschäftsführer?
Das OLG München stellt fest, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auf Geschäftsführer einer GmbH anwendbar sei. Die Vergütung von Vertretungsorganen, wozu auch die bAV gehört, werde individuell ausgehandelt. Die Münchner Richter beziehen sich dabei auf Zeugenaussagen, die bestätigen, dass Vertragsverhandlungen geführt wurden. Dies lässt die Frage offen, ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wirklich „im Allgemeinen“ (so das OLG) ausgeschossen ist oder ob individuelle Verhandlungen dargelegt und bewiesen werden müssen und nur dann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ausscheidet.
Letzteres scheint das OLG im Ergebnis nicht für erforderlich zu halten. Denn es verweist (unter Hinweis auf BGH vom 23.04.2012 – II ZR 163/10) zusätzlich darauf, dass für Organmitglieder gemäß § 6 Abs. 3 AGG das AGG nur hinsichtlich des Zugangs zur Geschäftsführerstellung, nicht aber hinsichtlich der Beschäftigungs- und Entlassungsbedingungen gelte. Daher sei Maßstab für Anstellungsbedingungen allein die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bleibe kein Raum.
Doch erklären die Münchner Richter nicht, warum § 6 Abs. 3 AGG eine solch einschränkende Wirkung haben soll. Das AGG findet neben dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung (vgl. BAG vom 26.04.2018 – 3 AZR 19/17), erfasst Maßnahmen mit einem kollektiven Bezug (BAG vom 21.10.2009 – 10 AZR 664/08; anders zum AGG BAG vom 25.10.2017 – 7 AZR 632/15) und schützt nicht nur vor einer Diskriminierung wegen der im AGG genannten Merkmale. Dies spricht dafür, dass auch bei Geschäftsführern für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anwendungsbereich neben dem AGG verbleibt.
Zudem werden auch Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des AGG anerkannt und fallen in dessen Schutzbereich (BGH vom 26.03.2019 – II ZR 244/17). Das OLG ist aber der Ansicht, dass – soweit nicht das AGG entgegensteht – dennoch die Entscheidungsfreiheit der Gesellschaft hinsichtlich der Anstellungsbedingungen ihrer Geschäftsführer nur durch die Sittenwidrigkeit und den Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt sei. Doch wenn man Geschäftsführern entgegen § 6 Abs. 3 AGG den Schutz des AGG (vollständig) zu Teil werden lässt, ist nicht nachvollziehbar, warum sich dann aus eben diesem § 6 Abs. 3 AGG eine Einschränkung hinsichtlich anderer Schutzbestimmungen (d.h. hinsichtlich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes) ergeben sollte. Durch § 6 Abs. 3 AGG soll der Schutz der Personen, für die die Vorschriften des AGG gelten, nicht eingeschränkt werden (so BAG vom 26.03.2019 – II ZR 244/17). Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der BGH zur Ansicht des OLG positionieren wird. Die Revision wurde allerdings nicht zugelassen, so dass der BGH in diesem Fall wohl keine Möglichkeit für eine Stellungnahme haben wird.
Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
Das OLG München führt aber darüber hinaus aus, dass die Ungleichbehandlung auch gerechtfertigt wäre, so dass es letztlich gar nicht darauf ankäme, ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung findet. Es lag eine typische „Stichtagsregelung“ vor. Einem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, bisher gewährte Leistungen, zu deren Erbringung er kollektivrechtlich nicht verpflichtet ist, für neu eingestellte Beschäftigte auszuschließen.
Beginnend mit dem Kläger erhielten alle Geschäftsführer eine beitragsorientierte Zusage und keine Leistungszusage mehr. Das OLG bestätigte, dass ein Beschluss des Aufsichtsrats, das System der Versorgungszusagen zu ändern, nicht erforderlich sei. Es genüge, wenn der Aufsichtsrat seine bisherige Praxis ändere und dieser neuen Praxis jeweils ausdrückliche Beschlüsse des Aufsichtsrats zu Grunde lägen. Dies setzt aber voraus, dass – wie im entschiedenen Fall – bereits mehrere Geschäftsführer die neue Zusage erhalten haben, so dass der Systemwechsel bewiesen werden kann.
Schließlich erläuterte das Gericht, dass der Systemwechsel in der bAV auch nicht sachfremd sei. Denn infolge des Systemwechsels werde die wirtschaftliche Belastung der Gesellschaft reduziert. Die Versorgungsleistung richte sich nach den während des Anstellungsverhältnisses gezahlten Beiträgen. Eine Belastung mit Ruhegeldzahlungen nach dem Ausscheiden eines Geschäftsführers trete nicht mehr ein.
Fehlende einheitliche Linie
Das Urteil des OLG München ist mit Vorsicht zu genießen. Die Rechtsprechung des BGH zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für Geschäftsführer war in der Vergangenheit widersprüchlich. Am 14. Mai 1990 (II ZR 122/89) hatte der BGH festgestellt, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im Prinzip auch für Geschäftsführer einer GmbH gelte. In den 1970er-Jahren (vom 08.03.1973 – II ZR 134/71, und vom 05.10.1978 – II ZR 53/77) hatte er dagegen angenommen, dass für eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum sei. In diesem Sinne hatte der BGH auch am 20. Dezember 1993 (II ZR 217/92) wieder ausgeführt, dass sich ein Geschäftsführer nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen könne. Dabei hat der BGH jeweils nicht zu seinen anderen Entscheidungen Stellung bezogen. Im Schrifttum wird überwiegend ohne weitere Begründung angenommen, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei grundsätzlich anwendbar. Eine einheitliche Linie lässt sich somit weder der Rechtsprechung, noch der juristischen Literatur entnehmen. Das OLG München entschied auf Grundlage der Entscheidung des Jahres 1993 und sah sich daher im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Konsequenzen für Unternehmen
Wenn Anstellungsbedingungen mit dem Geschäftsführer verhandelt werden, kann sich dieser später nicht auf eine Gleichbehandlung mit anderen Geschäftsführern berufen. Dennoch sollten Unternehmen vorsorglich auch einen sachlichen Grund anführen und beweisen können, wenn Geschäftsführern unterschiedliche Versorgungszusagen erteilt werden oder auch darüber hinaus eine unterschiedliche Vergütung gewährt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Geschäftsführer eine Vereinbarung nur zur Unterschrift vorgelegt wird, was für Zusagen der bAV öfter anzunehmen ist. Denn so lange keine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, ist die Argumentation des OLG – wie gezeigt – angreifbar.