Seit Beginn der Corona-Pandemie ist „Remote Working“ für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Alltag geworden. Dank flexibler Optionen ist es für Mitarbeiter möglich, ihrer Tätigkeit auch im (EU-) Ausland oder in Übersee nachzukommen. Dabei verlegen sie entweder längerfristig ihren Arbeitsplatz an einen anderen Ort oder sie werden zu „digitalen Nomaden“. Damit gehen jedoch bestimmte branchenspezifische Risiken einher, so dass sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine genaue Prüfung empfiehlt. Das gilt vor allem für hochregulierte Bereiche wie Finanzdienstleistungen. Auch wenn sich viele dieser Möglichkeiten des „Remote Working“ im Ausland erst durch die Covid-19-Pandemie bewusstgeworden sind, bestehen sie schon länger. Das wird von bestimmten Ländern sowie Reiseveranstaltern genutzt. Während einige Länder versuchen, ihre defizitären Haushalte aufzubessern, indem sie u.a. mit Steuervergünstigungen und erleichterten Visa-Bedingungen digitale Nomaden anlocken, bieten letztere z.B. temporäre „Workstations“ und/oder längerfristige Arrangements an, um beispielsweise den Leerstand in Hotels zu verringern.
Regulatorische, arbeitsrechtliche und steuerliche Risiken
Während diese neue Form des Arbeitens generell von Finanzdienstleistern und Mitarbeitern oft begrüßt wird, birgt sie aber regulatorische, arbeitsrechtliche und steuerliche Risiken. Diese verringern sich allerdings, wenn die Aufenthaltsdauer im (EU-) Ausland von nur kurzer Dauer ist. Kurz gesagt: Viele aufsichtsrechtliche Verpflichtungen und Regeln sowie Steuerthemen reisen aus dem Heimatland mit. Das Abwickeln von betrieblichen Transaktionen an der „Beach Bar“ kann so unter Umständen zu einer persönlichen steuerlichen Ansässigkeit im Ausland neben der im Heimatland und eine etwaige Doppelbesteuerung der Arbeitnehmer führen. Für Unternehmen könnte eine ausländische Betriebsstätte begründet sein – mit der Konsequenz einer Steuererklärungspflicht und anteiligen Besteuerung von Gewinnen im Ausland. Im schlimmsten Fall könnte der gesamte steuerlichen Sitz eines Unternehmens ins Ausland verlegt und im Heimatland eine Exit Tax der Gesellschaft ausgelöst werden. Ferner kann sich die Frage stellen, ob eine Person ein aufsichtsrechtlich lizenzpflichtiges Geschäft nach EU und Heimatrecht sowie nach lokalem Recht des Aufenthaltsstaates ausübt. Vorsicht ist geboten, wenn man dabei bedenkt, dass Aufseher, insbesondere jene, die bei EU-Behörden tätig sind, ggf. im Homeoffice im Heimatland bzw. Urlaubsziel arbeiten.
Mit diesen Themen sollten sich alle Unternehmen befassen, die ihre Mitarbeiter längerfristig, auch nach der Corona-Pandemie, beschäftigen wollen. Denn immer mehr EU-Länder, z.B. Belgien, oder auch Drittländer wie die Schweiz, haben während der Pandemie eine Homeoffice-Pflicht gesetzlich verankert. Auch Österreich steht kurz vor der Einführung einer solchen Pflicht.
Der Deutsche Bundestag hat am 20.01.2021 die neue SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung verabschiedet. Diese muss sowohl von der Privatwirtschaft als auch vom öffentlichen Sektor beachtet werden. Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten bei Bürotätigkeiten anbieten, im Homeoffice zu arbeiten, wenn keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegensprechen. Er darf dabei entscheiden, welche Tätigkeiten für das Homeoffice tauglich sind. Es bedarf allerdings der Auslegung, was „zwingende betriebliche Gründe“ sind, die gegen eine Tätigkeit im Homeoffice sprechen. Zudem sieht die Verordnung kein Recht vor, das Arbeiten im Homeoffice im Klageweg zu erstreiten.
Seit Mitte Dezember 2020 gilt in Deutschland außerdem eine Steuerbegünstigung für das Arbeiten in den eigenen Räumen. Steuerpflichtige dürfen für jeden Kalendertag, an dem sie ausschließlich daheim arbeiten, steuerlich bis zu 600 EUR im Jahr absetzen. Diese Pauschale soll für die Jahre 2020 und 2021 gewährt werden.
Umfängliche Risikoprognose empfehlenswert
Was bedeutet das nun für Finanzdienstleister? Immerhin eine Branche, die mit hohem Digitalisierungsgrad ebenso gesegnet ist wie mit einer dichten Regulatorik. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist es auch für Finanzdienstleister empfehlenswert, eine umfängliche Risikoprognose ihrer Gefährdung und der Belastbarkeit von risikomindernden Maßnahmen durchzuführen. Ein weiterer wichtiger Schritt sind interne Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern. Für Dienstleister empfiehlt es sich, an die gesteigerte Anfälligkeit für aufsichtsrechtliche Prüfungen und/oder Verstöße zu denken. Noch komplexer verhält es sich bei den schon angesprochenen digitalen Nomaden. Hier besteht die Gefahr, dass sich, bedingt durch die häufigen Ortswechsel, die Rechtsordnung, in der eine regulierte Tätigkeit ausgeübt wird oder die Gerichtsbarkeit ändern. In den 27 Mitgliedstaaten der EU, und damit auch in Deutschland, gibt es (aufsichtsrechtliche) Regeln, die nicht nur für die regulierten Firmen, sondern auch für Mitarbeiter verbindlich sind. Der Datenschutz muss ebenfalls beachtet werden. Verstößt der Arbeitnehmer im (EU-)Ausland gegen solche regulatorische Normen, so haftet meistens in erster Linie der Arbeitgeber und erst danach der Arbeitnehmer – wenn überhaupt. Das gilt insbesondere, wenn es darum geht, dass Arbeitnehmer im (EU-)Ausland lizenzpflichtiges Geschäft unternehmen.
Es ist deshalb ratsam, schon im Vorfeld als Arbeitgeber eine Heimarbeitsrichtlinie zu entwickeln, welche diese Problemfelder adressiert. Unabhängig davon, ob sie nur während der Pandemie oder auch darüber hinaus gelten soll. Grundsätzlich gilt das Arbeitsrecht des Landes, in dem sich das physische Büro des Mitarbeiters befindet.
Im Hinblick auf Rentenansprüche gilt zudem, dass Rentenvereinbarungen und der Zugang zu betrieblichen Altersversorgungssystemen typischerweise nicht länderübergreifend übertragbar sind.
Bei Homeoffice -Vereinbarungen müssen auch die steuerlichen Auswirkungen bedacht werden. Unabhängig von verschiedenen Steuervorteilen in der Corona-Krise sollten sich die steuerlichen Rahmenbedingungen der Staaten für digitale Nomaden künftig auch darauf konzentrieren, den Regelungen für den steuerlichen Wohnsitz von Privatpersonen und für die steuerliche Ansässigkeit und Betriebstätten von Unternehmen eine gewisse Flexibilität zu verleihen. Nach einer Analyse der OECD zu Doppelbesteuerungsabkommen während der Pandemie gibt es regelmäßig Bedenken bei Unternehmen, wenn für einen längeren Zeitabschnitt der „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ von dem Standort des Unternehmens abweicht. Erschwerend wirkt, dass in mehreren Ländern bis heute diesbezügliche Steuerleitlinien nicht existieren, um diesen Bedenken entgegen zu wirken. Soweit Ansässigkeitsstaaten von Unternehmen keine flexible COVID-Gesetzgebung zum Ort der Geschäftsleitung und Betriebstätten eingeführt haben, sollten Tätigkeiten und Transaktionen, die außerhalb des Heimatstaates von Unternehmen vorgenommen werden, steuerlich untersucht und je nach wirtschaftlichen Möglichkeiten und Gegebenheiten entsprechend strukturiert werden. Sollten sich die Geschäftsführenden für eine gewisse Dauer im Ausland aufhalten, könnte auch die Bestellung von zusätzlichen Geschäftsführern im Inland mit entsprechenden Vertretungsbefugnissen in Betracht gezogen werden.
Fazit
Das Homeoffice bietet eindeutige Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Allerdings müssen die rechtlichen und steuerlichen Folgen sorgfältig geprüft werden. Insbesondere wenn es darum geht, sicherzustellen, dass ein Arbeitnehmer nicht ein lizenzpflichtiges Geschäft im (EU-)Ausland ausübt oder (auch ohne Beach Bar) eine steuerlich relevante Präsenz von Unternehmen im Ausland gründet.