Daten schützen, Beschäftigten nützen – Betriebsratsvorsitzende als Datenschutzbeauftragte

RA/FRAArbR Alexander von Chrzanowski, LL.M., Rödl & Partner, Jena

Kann ein Betriebsratsvorsitzender zugleich die Aufgaben eines betrieblichen Datenschutz­beauftragten wahrnehmen? Diese Frage hat im Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 27.4.2021, Az. 9 AZR 383/19 (A)) nunmehr dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dabei geht es um einen möglichen, nicht zulässigen Interessenkonflikt in der Person des Datenschutzbeauftragten. Schließlich soll der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer wahren und durchsetzen, was in Einzelfällen den Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten entgegenstehen könnte.

Vor Anwendbarkeit der DSGVO ab Mai 2018 hatte das BAG unter Geltung des BDSG a.F. einen solchen Interessenkonflikt bereits im Jahr 2011 verneint. Aus den Besonderheiten des aktuellen Falles lässt sich ersehen, dass der 9. Senat an dieser Rechtsprechung festhalten würde:

Der Kläger ist Arbeitnehmer einer Beklagten mit Sitz in Sachsen, bei der er auch Betriebsratsvorsitzender und für diese Tätigkeit von seiner Arbeit freigestellt ist. Die Arbeitgeberin ist Mitglied eines Konzerns mit weiteren Gesellschaften, u.a. in Thüringen, in denen der Kläger stellvertretender Konzernbetriebsratsvorsitzender ist. Seit 2015 war der Kläger bei der Beklagten als interner und von den weiteren Konzerngesellschaften als externer Datenschutzbeauftragter (DSB) bestellt. Der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte befürchtete 2017 eine mögliche Interessenkollision aus der Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender, bemängelte für die thüringischen Konzernunternehmen die Zuverlässigkeit des Klägers als DSB und verneinte eine wirksame Bestellung. Daraufhin teilten die Konzerngesellschaften, darunter auch die Beklagte, dem Kläger schließlich im Dezember 2017 mit, dass die Bestellungen als DSB unwirksam waren, widerriefen hilfsweise die Bestellung nach § 4f Abs. 3 S. 4 BDSG a.F. und bestellten stattdessen einheitlich eine andere Person als DSB für die jeweiligen Konzerngesellschaften. Im Mai 2018 beriefen die Gesellschaften den Kläger vorsorglich nach dem neu geltenden Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO als DSB ab. Der Kläger griff die Widerrufe und Abberufungen aus Dezember 2017 und Mai 2018 gegenüber den jeweiligen Konzerngesellschaften vor Arbeitsgerichten an. Beim BAG anhängig ist bislang jedoch nur der nun ausgesetzte Rechtsstreit gegen die sächsische Gesellschaft, bei der der Kläger auch beschäftigt ist.

In der mündlichen Verhandlung ließ der Senat noch einmal klarstellen, dass die Freistellung des Klägers als Betriebsratsmitglied ausdrücklich nicht seine Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter umfasste.

Sodann stellte der Senat die möglichen Konflikte für ein Betriebsratsmitglied als DSB dar: In seiner Kontrollfunktion als DSB kann ein Betriebsratsmitglied an Informationen des Arbeitgebers gelangen und diese dann für die Betriebsratstätigkeit nutzen. Zudem kann eine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen als Betriebsratsmitglied die Kontroll- und Beratungstätigkeit als DSB reduzieren. Zwar stellt das nur ein „abstraktes Misstrauen“ dar und bestehen Verschwiegenheitsverpflichtungen sowohl für die Betriebsratstätigkeit als auch die Tätigkeit als DSB. Andererseits wird die Zuverlässigkeit eines DSB wegen eines Interessenkonfliktes bereits dann ohne Bezug zur tatsächlichen Tätigkeit verneint, wenn die abstrakte Gefahr einer Kontrolle der eigenen Tätigkeit besteht.

Schließlich thematisierte das BAG die Frage der deutschen Regelungen zur Abberufung eines DSB. Nach §§ 38 Abs. 2 i.V.m. 6 Abs. 4 S. 1 BDSG n.F. ist eine Abberufung als DSB (ebenso wie noch weitergehend eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses) nur aus wichtigem Grund analog § 626 BGB möglich. Diese Anforderungen kennt die DSGVO nicht, so dass fraglich ist, ob die weitergehenden deutschen Anforderungen vor dem Hintergrund einer bezweckten Vollharmonisierung des Datenschutzrechtes durch die DSGVO zulässig sind.

Dementsprechend bittet das BAG den EuGH in seiner Vorlage zunächst um Klärung, ob die strengeren nationalen Anforderungen an die Abberufung mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Damit stellt der 9. Senat – auch wortgleich – dieselben Fragen, die bereits der zweite Senat zur Frage einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines DSB nur aus wichtigem Grund dem EuGH vorgelegt hat (BAG, Beschluss vom 30.7.2020 – 2 AZR 225/20 (A); EuGH C-534/20). Erst im Anschluss – für den Fall einer Zulässigkeit der deutschen Anforderungen – fragt das BAG nach, ob eine Tätigkeit als DSB und Betriebsratsvorsitzender derselben verantwortlichen Stelle einen Interessenkonflikt darstellt.

Mit der Vorlage hat der neunte Senat jedenfalls an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten: Die Abberufung des Klägers vom Mai 2018 kann nur zur Entscheidung anstehen, weil das BAG den Widerruf der Bestellung als DSB vom Dezember 2017 als unwirksam ansieht, einen wichtigen Grund also nach dem bisherigen Recht wohl weiterhin verneint.

Kommentare sind geschlossen.