Die digitale Transformation des Rechtsgestaltungsmarkts schreitet weiter voran. So sorgte der BGH mit seinem jüngst ergangenen Smartlaw-Urteil für Euphorie in der Legal Tech Branche, indem er entschied, dass ein juristischer Fachverlag mit dem Bereitstellen seines digitalen Rechtsdokumentengenerators keine unerlaubte Rechtsdienstleistung erbringt. Zugleich wirft das Smartlaw-Urteil weitergehende Fragen auf: Inwieweit darf und kann Legal Tech die klassische anwaltliche Tätigkeit beeinflussen oder vielleicht sogar ersetzen?
Zunächst zum Dürfen: Gegenstand des Urteils war ein digitaler Rechtsdokumentengenerator, der mit Hilfe eines Frage-Antwort-Katalogs im Multiple-Choice-Verfahren Vertragsdokumente erstellt. Die Rechtsanwaltskammer Hamburg sah hierin einen Verstoß gegen das Rechtsanwaltsdienstleistungsgesetz („RDG“). Durch die Software werde eine individuelle Rechtsberatung für den Einzelfall angeboten, die Rechtsanwälten vorbehalten sei. Der BGH erteilte dieser Ansicht nun letztinstanzlich eine Absage. Die Erstellung von Vertragsentwürfen mit Hilfe des gegenständlichen Vertragsgenerators sei keine unerlaubte Rechtsdienstleistung, da der Betreiber die Software auf Grundlage typischer Sachverhaltskonstellationen programmiert habe, zu denen er im Vorfeld standardisierte Vertragsklauseln entwickelt habe. Die individuellen Verhältnisse fänden hingegen keine Berücksichtigung. Diese Bewertung scheint zunächst überzeugend; jedoch mag es einen Punkt geben, an dem ein Frage-Antwort-Katalog trotz vorformulierter Klauseln so granular ausgestaltet ist, dass die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls doch Berücksichtigung finden und eine Rechtsberatung vorliegt. Hier wird sich noch zeigen, wo die Grenze zu ziehen ist.
Zum Können: Die Praxis greift seit geraumer Zeit auf Musterformulare zurück und seit kürzerer Zeit – hierauf aufbauend – ebenfalls auf Vertragsgeneratoren. Das Generieren des Rohentwurfs ist bei komplexen Verträgen wie SPAs im Rahmen von Unternehmenskäufen allerdings erst der Beginn der Arbeit. Die wesentliche Tätigkeit besteht darin, den Vertrag inhaltlich auszugestalten und auszuhandeln. Es gilt: Legal Tech kann zwar bei Erstellung des Rohentwurfs erhebliche Effizienzgewinne bescheren, jedenfalls bei komplexeren Angelegenheiten kann sie die vertragliche Ausgestaltung am konkreten Einzelfall aber (noch) nicht leisten. Hier scheint auch ein Rückgriff auf einen granularen Fragenkatalog nicht ausreichend, da bei komplexen Verträgen eine wertende Gesamtschau und eine individuelle Abstimmung der Klauseln notwendig sind.
Die Entscheidung des BGH hat dem Thema Legal-Tech neue Brisanz beschert, allerdings lag der Entscheidung ein Algorithmus zu Grunde, der sich auf die schematische Bearbeitung typischer Fälle beschränkt. Vor dem Hintergrund rasanter technischer Entwicklung (Stichwort: KI) bleibt mit Spannung abzuwarten, wie es sich (de lege ferenda) auswirkt, wenn Legal-Tech technisch in der Lage versetzt wird, individuell wertende Verträge zu entwerfen.
Redaktioneller Hinweis:
Vgl. zu diesem Thema auch Deckenbrock, Zulässigkeit eines „Rechtsdokumentengenerators“, DB 2020 S. 1563.