Leiharbeitnehmer wählen und zählen – auch nach dem MitbestG?

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Die Behandlung von Leiharbeitnehmern bei der Ermittlung betrieblicher Schwellenwerte beschäftigt erneut die Arbeitsgerichte. Nach § 7 Satz 2 BetrVG sind zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer bei einer Einsatzdauer von mehr als drei Monaten wahlberechtigt, werden dadurch aber nicht zu Arbeitnehmern. Das ist allseits bekannt. Das BAG hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei einer Überlassungsdauer von mehr als drei Monaten bei der Ermittlung des Schwellenwerts zur Sozialplanpflichtigkeit mitzuzählen seien. Begründet hat das BAG dies mit Sinn und Zweck des Schwellenwerts nach § 111 BetrVG, kleinere Unternehmen vor einer Überforderung durch Sozialplanleistungen zu schützen.

Gestützt auf diese Entscheidung hat das ArbG Offenbach mit seinem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 22. 8. 2012 – 10 BV 6/11 nunmehr Leiharbeitnehmer auch im Rahmen des Schwellenwerts nach § 9 MitbestG berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift werden in Unternehmen mit „i. d. R. mehr als 8.000 Arbeitnehmern“ die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Delegierte gewählt. Daher wies das Arbeitsgericht Offenbach das Ansinnen einiger Arbeitnehmer zurück, die den Hauptwahlvorstand verpflichten wollten, eine unmittelbare Wahl durchzuführen.

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Diskriminierungsschutz für Geschäftsführer – Konsequenzen für Altersgrenzen?

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Auf den Geschäftsführer einer GmbH, dessen Bestellung und Anstellung infolge einer Befristung abläuft und der sich erneut um das Amt des Geschäftsführers bewirbt, sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) anwendbar. Dies hat der BGH in einem viel beachteten Urteil vom 23. 4. 2012 entschieden.

Zur Entscheidung stand folgender Fall: Der Kläger war medizinischer Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH, die mehrere kommunale Krankenhäuser betrieb. Alleingesellschafterin ist die Stadt L. Der Dienstvertrag des Klägers war auf fünf Jahre befristet. Der Aufsichtsrat der Beklagten lehnte eine Verlängerung des Dienstvertrags mit der Begründung ab, der Kläger sei mit 62 Jahren zu alt. Die „Umbruchsituation im Gesundheitsmarkt“ und die „Herausforderungen im Gesundheitswesen“ verlangten eine Kontinuität in der Geschäftsführung über das 65. Lebensjahr des Klägers hinaus. Der BGH sah darin eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters und sprach dem Kläger Schadenersatz zu.

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Diskriminierungsvorwürfe bei Nichteinstellung: Auskunftsansprüche abgelehnter Bewerber?

 

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Mit den viel beachteten Schlussanträgen vom 12. 1. 2012 verneint der Generalanwalt des EuGH in der Rechtssache Galina Meister (C 415/10) einen allgemeinen Auskunftsanspruch für abgelehnte Bewerber über den erfolgreichen Konkurrenten, weil sich der abgelehnte Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt fühlt. Kann die Praxis jetzt aufatmen? Dafür besteht leider kein Grund. Die Sache ist nämlich komplizierter: Das Schweigen des Arbeitgebers bleibt nicht notwendig ohne rechtliche Folgen. » weiterlesen

Compliance contra Arbeitnehmerdatenschutz

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Gesetzmäßiges Handeln im Unternehmen, Schutz des Gesellschaftsvermögens, Verbraucherschutz – hehre Ziele, die zu verfolgen jedermann begrüßen wird. Wenn aber zur Aufdeckung ungesetzlichen Handelns personenbezogene Daten von Arbeitnehmern verarbeitet werden müssen, ist zumindest die öffentliche Meinung merkwürdig widersprüchlich. Und wenn ein Arbeitnehmer Gesetzesverstöße im Unternehmen öffentlich anprangert, halten die deutschen Arbeitsgerichte eine verhaltensbedingte Kündigung für wirksam, während der EuGH dem Whistleblower eine Entschädigung zuspricht. Wie so häufig werden in der Diskussion oft vermeintlich zwingend erscheinende Lösungsvorschläge unterbreitet, ohne die Auswirkungen auf andere Rechtsgüter zu berücksichtigen. » weiterlesen

Sprengstoff für die Zeitarbeitsbranche

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Die Tariffähigkeit einer von Gewerkschaften gebildeten Spitzenorganisation im Sinne des § 2 Abs. 3 TVG setzt voraus, dass deren Organisationsbereich mit dem ihrer Mitgliedsgewerkschaften übereinstimmt. Hinter diesem eher formaljuristisch anmutenden Leitsatz einer Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 14. 12. 2010 (BAG-Beschluss – 1 ABR 19/10, DB 2011 S. 593, DB0407999) steckt mehr Sprengstoff für die gesamte Zeitarbeitsbranche als man vermuten könnte. Was ist der Hintergrund? » weiterlesen

Diskriminierung durch Tarifvertrag?

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Ein Urteil des LAG Düsseldorf hat am 18. 1. 2011 Düsseldorf (Az. 8 Sa 1274/10, DB0402780) für Aufsehen und eine entsprechende Berichterstattung in der Presse gesorgt: Sieht ein Tarifvertrag nach dem Lebensalter gestaffelte Urlaubsansprüche vor, so stellt dies eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Betroffene Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Angleichung nach oben und damit auf Urlaub nach der höchsten Altersstufe. Das folge aus dem Grundsatz der effektiven und wirksamen Durchsetzung von EU-Rechtsvorgaben. Konkrete Folge der Entscheidung ist zunächst, dass jeder einzelne Mitarbeiter einen Anspruch auf die höchste Zahl der Urlaubstagestaffelung im Tarifvertrag hat ganz egal, wie alt er ist. » weiterlesen