Der BGH hat mit Beschluss vom 10. 7. 2012 – II ZR 212/10, DB 2012 S. 2157 entschieden, ob eine Zahlung im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Erfüllung der Einlagepflicht führt, wenn die Einlageleistung im ersten Versuch nicht wirksam erbracht wurde und im Anschluss an den zweiten Versuch der fehlgeleistete Betrag an den Gesellschafter zurückgewährt wird. Der BGH wertete dies als eine verdeckte Sacheinlage in Form des „Hin- und Herzahlens“.Eine Gesellschafterin einer GmbH hatte noch vor der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses einen Geldbetrag mit dem Vermerk „Stammkapitalerhöhung“ auf das Gesellschaftskonto eingezahlt. Das Geld stammte aus einem Darlehen, das sie zur Finanzierung aufgenommen hatte. Als der Kapitalerhöhungsbeschluss gefasst wurde, hatte die Gesellschaft das Geld nahezu verbraucht.
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Sitzungsgeld – Zur Strafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern wegen Untreue
Das OLG Braunschweig hat durch Beschluss vom 14. 6. 2012 (Az. WS 44/12, 45/12) entschieden, dass sich der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft wegen Untreue strafbar machen kann, wenn er die Auszahlung einer Vergütung an die Aufsichtsratsmitglieder veranlasst oder duldet, die im Widerspruch zu der in der Satzung geregelten Vergütung steht. Die Aufsichtsratsmitglieder trifft dann auch in eigenen Vergütungsangelegenheiten eine Vermögensbetreuungspflicht.
Erleichterung der Rechnungslegung für Kleinstkapitalgesellschaften
Im März diesen Jahres hatten das Europäische Parlament und der Rat die sog. „Micro-RL“ („RL über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben“, RL 2012/6/EU) verabschiedet. Sie räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, Kapitalgesellschaften, die aufgrund ihrer geringen Größe typischerweise nicht grenzüberschreitend tätig sind und für die die Rechnungslegung nach den bisher geltenden Vorgaben mit übermäßigem Aufwand verbunden ist, von einigen in der RL genau bezeichneten Anforderungen zu befreien.
Strafrechtliche Konsequenzen bei Verletzung der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten
Wer ein Handelsgewerbe betreibt oder als Organ eine juristische Person leitet, bietet nach Ansicht des BGH (Urteil vom 20. 10. 2011 – 1 StR 354/11) i. d. R. Gewähr dafür, dass er wenn nötig ohne professionelle Hilfe in der Lage ist, die Bücher der Gesellschaft zu führen und die Bilanzen zu erstellen. Verfügt die Gesellschaft nicht mehr über genügend finanzielle Mittel, um sich bei der Vorbereitung und Erstellung der Bilanz Unterstützung durch einen Steuerberater zu holen, sieht der BGH den Geschäftsführer in der Pflicht, die Buchhaltung und die Aufstellung der Bilanz selbst zu übernehmen, insbesondere wenn der Umfang der Geschäftsvorfälle noch überschaubar ist.
Kein Schadensersatz für Geschäftsführer nach außerordentlicher Kündigung
Der BGH hat am 6. 3. 2012 (Az. II ZR 76/11, DB 2012 S. 973) entschieden, dass ein Geschäftsführer einer GmbH keinen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft hat, wenn er selbst wegen einer massiven Beschränkung seiner Kompetenzen außerordentlich kündigt.
Im zugrundeliegenden Fall waren der klagende Geschäftsführer und seine Ehefrau Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Nachdem beide sämtliche ihrer Geschäftsanteile an eine andere Gesellschaft, eine GmbH & Co. KG, verkauft und abgetreten hatten, waren beide weiterhin als Geschäftsführer in der Gesellschaft tätig. Beide schlossen für die Laufzeit von fünf Jahren einen neuen Anstellungsvertrag, wonach sie die Geschäfte „selbstständig“ und „verantwortlich“ führen sollten.
Stimmverbot: Richten in eigener Sache bei gemeinsamen Verfehlungen
Geht es um die eigene Verfehlung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, liegt auf der Hand, dass er bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn aufgrund dieser Verfehlung befangen ist und einem Stimmverbot unterliegt. Was jedoch, wenn ein solcher Beschluss über ein Fehlverhalten eines anderen Geschäftsführers gefasst wird und dem Gesellschafter-Geschäftsführer Mittäterschaft in derselben Angelegenheit zur Last gelegt wird? Ist er stimmberechtigt, weil eigentlich nur gegen eine andere Person vorgegangen werden soll, oder ist er nicht stimmberechtigt, weil ihn eigentlich derselbe Vorwurf trifft? Diese Frage hat jüngst der BGH zu beantworten gehabt.
Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung – lückenhafte Buchführung rettet nicht
Im Falle der Insolvenz einer GmbH droht dem Geschäftsführer u. U. die Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung und / oder Eingehungsbetrug. Doch was passiert, wenn die Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin belegen würden, den Büchern der Gesellschaft nicht zu entnehmen sind, eine ausreichende Dokumentation der Vermögensverhältnisse schlichtweg nicht vorhanden ist oder sogar vorsätzlich vernichtet wurde?
Der Gläubiger, der den Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung in die Haftung nehmen möchte, steckt dann in einem Dilemma. Er kann unter diesen Umständen kaum nachweisen, dass die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war und der Geschäftsführer längst Insolvenzantrag hätte stellen müssen. Als Anspruchssteller wäre er jedoch grundsätzlich verpflichtet, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen im Prozess darzulegen und zu beweisen.
Supranationale Rechtsformen: Neue Pläne für die Europäische Stiftung
Die Europäische Kommission hat am 8. 2. 2012 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates der Europäischen Union veröffentlicht, durch die eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea – „FE“) als supranationale europäische Rechtsform geschaffen werden soll.
Die Idee zur Schaffung einer Europäischen Stiftung ist nicht unbedingt neu. Der Gedanke einer eigenständigen europäischen Rechtsform wird seit längerem für diverse Gesellschaftsformen diskutiert. Umgesetzt wurde davon bereits die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea – „SE“), die Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea – „SCE“) sowie die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung („EWIV“). Geplant ist auch die Einführung der Europäischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – „SPE“) für kleinere und mittlere Unternehmen. Die Umsetzung hat sich jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der Mitgliedstaaten immer wieder verzögert.
Grenzüberschreitende Sitzverlegung unter Formwechsel
Im Laufe der letzten zehn Jahre ergaben sich im Rahmen der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit immer wieder Probleme, wenn eine Gesellschaft ihren Satzungs- oder auch Verwaltungssitz in einen anderen Staat verlegen wollte oder einen grenzüberschreitenden Formwechsel beabsichtigte. Immer wurde der Europäische Gerichtshof mit diesen Fragen befasst, z. B. in Sachen „Cartesio“, DB 2009 S. 52 oder „Überseering“, DB 2002 S. 2425. Die Frage der Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung unter Statuten- und Formwechsel ist derzeit beim EuGH anhängig (C-378/10 – Vale, Schlussanträge des Generalanwalts, DB 2012 S. 733).
Haftung bei unterlassener Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung
Der BGH hat mit seinem Urteil vom 6. 3. 2012 – II ZR 56/10 einen weiteren Schritt zur Klärung der Haftung im Fall der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH getätigt. Bereits seit einiger Zeit ist klar, dass die Gesellschafter einer GmbH eine etwaige wirtschaftliche Neugründung der Gesellschaft gegenüber dem Handelsregister offenlegen müssen. Welche Folgen allerdings das Versäumnis der für die Haftung der Gesellschafter hat, ist noch nicht in allen Details entschieden.
Wirtschaftliche Neugründung bedeutet, dass entweder eine nicht mehr aktiv am Geschäftsleben teilnehmende GmbH (eine sog. Mantelgesellschaft) oder eine als leere Hülle gegründete Vorratsgesellschaft aufgekauft und durch diverse Satzungsanpassungen und Organisationsakte an die Bedürfnisse des Erwerbers angepasst wird, so z. B. die Anpassung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes, Verlegung des Geschäftssitzes, Bestellung neuer Geschäftsführer etc. Ein zuvor unternehmensloser Rechtsträger wird wieder mit einem Unternehmen ausgestattet. Da dieser wirtschaftliche Neustart mit einer formellen Neugründung einer Gesellschaft vergleichbar ist, sind nach inzwischen ständiger Rechtsprechung die Gründungsvorschriften zum Teil entsprechend anwendbar, so auch die Kapitalaufbringungs- und Haftungsvorschriften in der Gründungsphase. So bedarf es bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG der Versicherung der Geschäftsführer über den ungeschmälerten Bestand des Stammkapitals. Ist im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung das Gesellschaftsvermögen nicht mehr in dem Umfang des satzungsmäßigen Stammkapitals vorhanden, ist das Gesellschaftsvermögen wieder bis zu dieser Grenze aufzufüllen (sog. Unterbilanzhaftung). » weiterlesen