Das BAG hat mit Urteil vom 13. 3. 2013 – 5 AZR 954/11 (DB 2013 S. 1361) die Grundlage für Lohnnachforderungen von Zeitarbeitnehmern und Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung auf „equal pay“-Basis gelegt, deren Dimension über die der CGZP-Entscheidung des Jahres 2010 noch hinausgehen dürfte. So wurden völlig neue Anforderungen an die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von mehrgliedrigen Tarifverträgen aufgestellt. Der mehrgliedrige Tarifvertrag umfasst ein Regelwerk, das zwar in einer Vertragsurkunde zusammengefasst ist, aber von mehreren Arbeitnehmervertretungen gleichzeitig unterschrieben wurde. » weiterlesen
Archiv der Kategorie: Gastbeiträge
Aufsichtsratswahlen – neue Rechtsunsicherheit für Aktiengesellschaften
Es ist eine gute Nachricht für Anfechtungskläger. Aufsichtsratswahlen bei Publikumsaktiengesellschaften entwickeln sich immer mehr zu einem aussichtsreichen Betätigungsfeld. Vor einigen Jahren etwa ließ das OLG München (Urteil vom 6. 8. 2008 – 7 U 5628/07) die Wahlanfechtung zu, wenn die Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex fehlerhaft ist. Nun verschärft der BGH auch die Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtung. Solange der Prozess läuft, muss die Gesellschaft möglicherweise über Jahre um die Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen bangen. Das ist z. B. für die Bestellung des Vorstandes und die Zahlung von Dividenden bedeutsam.
Kündigungsfrist: Bestimmbarkeit genügt
Mit Urteil vom 20. 6. 2013 (Az: 6 AZR 805/11, DB0598025) hat das Bundesarbeitsgericht zu der Frage Stellung genommen, ob im Kündigungsschreiben ein konkreter Kündigungstermin anzugeben ist.
Im entschiedenen Fall hatte der Insolvenzverwalter – ohne einen Kündigungstermin im Kündigungsschreiben zu nennen – eine Kündigung zum „nächstmöglichen Zeitpunkt“ ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben enthielt aber Hinweise darauf, welche Kündigungsfristen sich aus § 622 BGB ergeben und dass § 113 InsO eine Begrenzung der gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Kündigungsfristen auf drei Monate bewirke, wenn anderenfalls eine längere Kündigungsfrist gelten würde.
Die beiden Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin mit der Begründung stattgegeben, dass die Kündigungserklärung unbestimmt sei (LAG Hamm, Urteil vom 6. 4. 2011 – 6 Sa 9/11). Dem ist das BAG nunmehr entgegengetreten. » weiterlesen
Neue Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes: Verlierer – und vielleicht auch Gewinner?
Das Bundeskartellamt (BKartA) hat am 25. 6. 2013 neue Leitlinien für die Bußgeldzumessung bei Kartellrechtsverstößen erlassen, weil der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung Grauzementkartell die bisherigen Leitlinien des BKartA praktisch für unanwendbar erklärt hatte (Beschluss vom 26. 2. 2013 – KRB 20/12, DB0588199).
Nach den bisherigen Leitlinien von 2006 baute das BKartA die Bußgeldberechnung auf dem tatbezogenen Umsatz auf, d. h. dem Umsatz mit den kartellierten Produkten; dies entspricht im Wesentlichen dem Ansatz der Europäischen Kommission (nach deren Leitlinien von 2006):
Spartengewerkschaften: BAG kippt erneut unwirksame Tarifverträge
Nicht immer können sich Unternehmer darauf verlassen, dass ihre Tarifverträge wirksam sind. Jüngstes Beispiel ist die die Arbeitnehmervereinigung „medsonet. Berufsverband für das Gesundheitswesen“.Denn „medsonet“ ist keine Gewerkschaft, die Tarifverträge abschließen kann.
Das steht seit der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) rechtskräftig fest (Beschluss vom 11. 6. 2013 – 1 ABR 33/12, DB0596145)
Alle Tarifverträge, die „medsonet“ seit 2008 mit einer großen Zahl von Privatkliniken und Gesundheitseinrichtungen abgeschlossen hat, könnten ungültig sein. » weiterlesen
Irrtum schützt vor (Kartell-) Buße nicht
Ein Unternehmen kann sich einer Kartellbuße nicht mit dem Verweis entziehen, es sei aufgrund einer fehlerhaften anwaltlichen Beratung irrtümlich von der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens ausgegangen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt in der Rs. „Schenker“ klargestellt und damit der Einführung des Schuld ausschließenden „Verbotsirrtums“ in das europäische Kartellrecht eine klare Absage erteilt (Az. C-681/11).
Speditionsunternehmen aus Österreich hatten bei ihrer „Kooperation“ u. a. auf die fehlerhafte anwaltliche Beratung vertraut – die nationale Kartellbehörde sprach dennoch ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen europäisches Kartellrecht aus. Generalanwältin Kokott hatte in ihren Schlussanträgen gefordert, den Verbotsirrtum unter strengen Voraussetzungen auch im europäischen Kartellrecht anzuerkennen (vgl. Mäger, Rechtsboard vom 24. 5. 2013). Im konkreten Fall sah sie diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt.
Europäische Kommission veröffentlicht Vorschläge zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen
Die EU-Kommission hat am 11. 6. 2013 ihr lang erwartetes Vorschlagspaket zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten veröffentlicht. Das Paket besteht aus einem Richtlinienvorschlag zu Schadensersatzklagen sowie jeweils dem Entwurf einer Empfehlung zu kollektiven Rechtschutzverfahren und einer Empfehlung zur Ermittlung des Schadensumfangs.
Derzeit sind insbesondere vor nationalen Gerichten in Deutschland und Großbritannien zahlreiche kartellrechtliche Schadensersatzklagen anhängig, die auf Basis der geltenden nationalen Regeln entschieden werden. Die Geschädigten können dementsprechend nicht auf einheitliche Regelungen vertrauen, da zwischen den einzelstaatlichen Regelungen der Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bestehen.
8. GWB-Novelle: Kompromiss in letzter Minute
Dank eines im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat in letzter Minute gefundenen Kompromisses kann die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Nach Referentenentwurf 2011, RegE Anfang 2012, Ausschussberatung und Bundestagsbeschluss im Oktober 2012 entzündeten sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungskoalition und SPD/GRÜNEN-regierten Ländern im Bundesrat vor allem an den Plänen, das Kartellrecht ganz weitgehend auf die gesetzlichen Krankenkassen anzuwenden. Nun kommt für die Kassen nur die Fusionskontrolle. Das Kartellrecht dagegen wird auch zukünftig nicht im Verhältnis der Krankenkassen untereinander und zu den Versicherten Anwendung finden. Weitere Änderungen in letzter Minute können Kommunen und kommunale Betriebe aufatmen lassen.
Ad-hoc-Publizität: Zum Zeitpunkt der Pflichtveröffentlichung bei zeitlich gestrecktem Vorgang
Der BGH hat ein Jahr nach dem Urteil des EuGH das Verfahren zwecks Feststellung des richtigen Zeitpunkts der Pflichtveröffentlichung nach § 15 WpHG („Ad hoc-Veröffentlichung“) im Fall des Rücktritts des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Prof. Jürgen Schrempp, erneut an das OLG Stuttgart verwiesen. Dabei geht es um Schadensersatz wegen nicht rechtzeitiger Ad hoc-Veröffentlichung. Das OLG Stuttgart wird in diesem Verfahren die siebte Gerichtsentscheidung liefern. Das Bußgeldverfahren hatte ebenfalls die Gerichte, abschließend das OLG Frankfurt/M., beschäftigt. Beide Verfahren verdeutlichen die große Bedeutung der Ad hoc-Meldepflichten.
Zur Erinnerung: Am 28. 7. 2005 beschloss der Aufsichtsrat im Einvernehmen mit Prof. Schrempp, dass er zum Jahresende aus dem Amt ausscheiden solle. Die Ad-hoc-Veröffentlichung erfolgte unmittelbar danach. Bereits seit dem 17. 5. hatte es vorbereitende Gespräche und Informationen unter Beteiligung von Prof. Schrempp, dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat gegeben. Am 27. 7. hatte der Präsidialausschuss des Aufsichtsrats sich mit der Sache befasst. Die bisherigen Gerichtsentscheidungen umfassen hinsichtlich des richtigen Zeitpunkts die volle Spanne vom 17. 5. bis zum 28. 7. 2005.
Betriebsratswahlen 2014: Da kommt was auf uns zu
Die Betriebsratswahl ist (neben der Aufsichtsratswahl) leider mit die komplizierteste Wahl, die es im deutschen Wahlrecht gibt; selbst die Wahl des Bundespräsidenten gestaltet sich einfacher. Das Positive daran ist, dass der Gesetzgeber den Unternehmen, Betriebsräten und Wahlausschüssen offenbar mehr zutraut als sich selbst.
Die „berühmtesten“ Hürden, die es regelmäßig zu nehmen gilt, wenn man sich Anfechtungsanträge ansieht, sind wohl die zu berücksichtigenden Fristen, das Thema ‚Gemeinsame Betriebe‘, die Abgrenzung zwischen leitenden Angestellten und anderen Mitarbeitern, die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer und die Ermittlung der relevanten Schwellenwerte, neuerdings auch unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer. » weiterlesen