Im modernen Interregnum einer nur geschäftsführenden Bundesregierung ist es naturgemäß schwierig, zu prognostizieren, was kommt, wenn dereinst vom Verwalten zum Gestalten umgestellt wird. Die Parteiprogramme sind zum Gesellschaftsrecht sehr enthaltsam, weshalb insoweit keine Sondierung, mit wem auch immer, nötig wäre. Am ehesten kann man sagen, was keinesfalls auf der Agenda stehen wird. Das ist zuvörderst die Mitbestimmung, das Tabu-Thema Nr. 1. Nachdem der EuGH im Juli 2017 das deutsche System als europarechtskonform ansah, wird auch von dieser Seite kein Druck mehr kommen. Ferner ist im Mai 2017 durch ein anderes höchstrichterliches Urteil der Anlass entfallen, das Vereinsrecht für bürgerschaftliches Wirtschaften zu öffnen. Der BGH hat entschieden, die Gemeinnützigkeit sei das Kriterium, welches dem Idealverein eine wirtschaftliche Betätigung erlaube. Um den Negativkatalog abzurunden, sei auf das Personengesellschaftsrecht hingewiesen. Der Deutsche Juristentag hat im vorigen Jahr inkonsistente Empfehlungen gegeben, die den Gesetzgeber nicht gerade zum Tätigwerden ermuntern. Allenfalls der Weg, die rechtsfähige BGB-Außengesellschaft in immer mehr Feldern einer Publizität zu unterwerfen (Grundbuch, GmbH-Gesellschafterliste), dürfte weiter beschritten werden. Was also ist – neben allfälligen rechtspolitischen Überraschungen – zu erwarten? » weiterlesen
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50 Jahre AktG 1965
Vor fünfzig Jahren, am 25. Mai 1965, verabschiedete der Deutsche Bundestag das Aktiengesetz – ohne Gegenstimme. Es trat am 1.1.1966 in Kraft. Die Reformdiskussion begann in den fünfziger Jahren, dann wurde der Entwurf fünf Jahre lang sehr intensiv beraten. Das AktG 65 ist mittlerweile durch 75 Gesetze an zahlreichen Stellen geändert worden, zuletzt am 24.4.2015 (Quotengesetz). Aber im Kern blieb es ein halbes Jahrhundert unverändert. Damit ist die Aussage des Abgeordneten Dr. Wilhelmi in der dritten Lesung bestätigt: „Es ist Aufgabe eines Gesetzgebers, Weichen für ein Menschenalter zu stellen. Wir hoffen, dass unsere Gesetze so lange wirksam bleiben, wenn sie modern und gut gestaltet werden. Ich glaube, im Ganzen kann man das über dieses Aktienrecht sagen.“ » weiterlesen
Ulrich Seibert zum 60. Geburtstag
Professor Dr. Ulrich Seibert vollendet heute sein 60. Lebensjahr. Der Satz ist bewusst im Aktiv geschrieben, denn genau das zeichnet den Jubilar aus. Gut ein Drittel der Lebensjahre hat er beruflich dem Gesellschaftsrecht gewidmet – und zwar dem Legal Design, wie er es zuweilen nennt. Der Jubilar ist als Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz tätig und dort Referatsleiter für Gesellschaftsrecht, Corporate Governance. Seit dem Jahr 2001 ist er Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Die Reformgesetze zum Aktienrecht – vom Gesetz über die kleine Aktiengesellschaft (1994) bis zum ARUG (2009) – sowie zur GmbH das MoMiG (2008) sind von ihm betreut worden.
Betreuung ist ein schillernder Begriff, hier in den Ausprägungen: anregen, konzipieren, begleiten, durchsetzen. Selbstverständlich hat die Politik das Primat und das Parlament beschließt die Gesetze. Aber ohne den sowohl kundigen als auch gewandten Gesetzgebungsreferenten wäre das Gesellschaftsrecht im Spiel der Kräfte weniger am Ball. Über seine Denk- und Arbeitsweise hat Ulrich Seibert in der FS Wiedemann (2002, S. 123) Lesenswertes geschrieben; gerne publiziert er über Hintergründe und Mechanismen legislatorischer Aktivitäten im Unternehmensrecht (zuletzt etwa zum „Schwarze-Peter-Spiel um das VW-Gesetz“, AG 2013, 904). Bemerkenswert, wie er den Spagat schafft, als hoher Beamter loyal den verschiedenen Regierungen bzw. Minister(innen) zu dienen (ja: dienen), jedoch über die beiden Jahrzehnte eine eigene Handschrift zu wahren und ihr in fast 200 Veröffentlichungen Ausdruck zu geben. Der selbstbewusst-lässig Auftretende ist ein gern gesehener Referent, der wohldosiert sein Publikum mit Happen aus der Gesetzesküche füttert.
Bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf – Helfen neue gesetzliche Regelungen?
Bereits zum 1. 7. 2008 ist das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) in Kraft getreten, das die bessere Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege bezweckt. Im Wesentlichen sieht das PflegeZG zwei arbeitnehmerseitige Ansprüche vor, die dazu dienen sollen, die Umsetzung der sozialpolitisch vorrangig erwünschten häuslichen Pflege zu fördern. So regelt § 2 des PflegeZG, dass ein Arbeitnehmer berechtigt ist, wegen eines akut eingetretenen familiären Pflegefalls bis zu zehn Tage der Arbeit fernzubleiben, um eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Darüber hinaus sieht § 3 des PflegeZG einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Pflegezeit, nämlich auf befristete (maximal 6-monatige) unbezahlte Freistellung zur Betreuung oder Sterbebegleitung je pflegebedürftigem nahen Angehörigen vor.
Offensichtlich hat der Gesetzgeber angesichts der demographischen Entwicklung und des steigenden Bedarfs, insbesondere für häusliche Betreuung, die gesetzlichen Regelungen des PflegeZG nicht für ausreichend erachtet. Daher hat der Bundestag am 20. 10. 2011 mit dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) die Einführung der sog. „Familienpflegezeit“ beschlossen. Das Gesetz wird zum 1. 1. 2012 in Kraft treten. Es soll neben den bereits vorhandenen Regelungen des PflegeZG die vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit bei teilweisem Lohnausgleich ermöglichen. » weiterlesen