Doppelsicherheiten in der Insolvenz

RA Dr. Uwe Goetker, Partner, McDermott Will & Emery, Düsseldorf

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1. 11. 2008 bestand erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, ob ein Gesellschafter bei der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den an den Gläubiger ausgekehrten Betrag zur Insolvenzmasse erstatten muss. Der BGH hat diese Frage nun mit Urteil vom 1. 12. 2011 – IX ZR 11/11, DB 2011 S. 2832 entschieden und eine Erstattungspflicht, gestützt auf eine analoge Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO, bejaht.

Die T-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) erhielt ein Darlehen von der S-Bank. Zur Sicherung bestellte ihr Alleingesellschafter Grundschulden an Grundstücken, die in seinem Eigentum standen. Zusätzlich war das Darlehen durch eine Sicherungsübereignung von Fahrzeugen besichert, die im Eigentum der Schuldnerin standen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin verwertete der später klagende Insolvenzverwalter die Fahrzeuge, zahlte den Verwertungserlös an die S-Bank aus und begehrte sodann von dem beklagten Gesellschafter Erstattung des ausgekehrten Verwertungserlöses zur Insolvenzmasse.

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Insolvenzfestigkeit der Pfändung von Versicherungsforderungen

RA Dr. Maximilian Baier, Associate, Hogan Lovells, München

In einer beachtenswerten Entscheidung vom 26. 1. 2012 – IX ZR 191/10, DB 2012 S. 684 hat der BGH zur Insolvenzfestigkeit der Pfändung aufschiebend bedingter Forderungen Stellung genommen und die bisherige Kasuistik zu § 91 Abs. 1 InsO, der grundsätzlich den Erwerb von Rechten an Gegenständen der Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung ausschließt, um einen Anwendungsfall bereichert.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Schuldner sämtliche ihm aufgrund eines Lebensversicherungsvertrags zustehenden Ansprüche für den Todesfall und weitere Ansprüche für den Erlebensfall zur Sicherheit an eine Bank abgetreten. Zudem sollte der Schuldner den Versicherungsvertrag nur mit Zustimmung der Bank kündigen dürfen. Später pfändete das Finanzamt des klagenden Landes alle Ansprüche und Rechte (einschließlich der Gestaltungsrechte) des Schuldners aus der Lebensversicherung. Im sich anschließenden Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zog der beklagte Insolvenzverwalter nach Kündigung der Lebensversicherung den Rückkaufswert zur Masse. Nach Ansicht des BGH nahm der Kläger den Insolvenzverwalter zurecht hinsichtlich des Rückkaufswerts in Anspruch, obwohl die Kündigung der Versicherung erst nach Verfahrenseröffnung erfolgt war.

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ESUG: Brauchen die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses überhaupt eine Versicherung?

Ein zentraler Aspekt der Insolvenzrechtsreform durch das „Gesetz zur wei­teren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) zum 1. März 2012 ist die Schaffung eines vorläufigen Gläubigerausschusses durch § 22a InsO n.F. Er dient der stärkeren Einbeziehung der Gläu­biger bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren, vor allem mit dem Ziel, Einfluss auf die Entscheidung zur Auswahl des Insolvenzverwalters zu nehmen.

Eines der Praxisprobleme, mit dem Gläubiger hier zu kämpfen haben, ist die Frage der Versicherung. » weiterlesen

Wird das ESUG dem Insolvenzplan zum Durchbruch verhelfen?

RA Dr. Sven Schelo, Partner, Linklaters LLP, Frankfurt/M.

Bislang fristet das Insolvenzplanverfahren im deutschen Insolvenzrecht eher ein Schattendasein und wird kaum jemals genutzt. Dies hat seinen Grund sicherlich (auch) in dem recht komplizierten Verfahren und der Möglichkeit von „Akkordstörern“, das Verfahren dauerhaft zu blockieren. Das ESUG bringt hier zwei Neuerungen. Zum einen wird die Durchführung des sog. Debt-Equity-Swap im Insolvenzplanverfahren vereinfacht, zum anderen werden die Möglichkeiten für die Gläubiger und Gesellschafter, die Rechtskraft des Insolvenzplans durch Rechtsmittel zu blockieren, eingeschränkt.

Zur Erinnerung: der Debt-Equity-Swap ist wirtschaftlich gesehen die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital; die Gläubiger des Unternehmens werden also seine Eigentümer. Er kann durch eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung erfolgen, wobei die Gläubigerforderung als Sacheinlage eingebracht wird. In der Vergangenheit wurde dieser Weg jedoch selten beschritten. Der Grund dafür war, dass Sacheinlagen, also die Forderung, bewertet werden müssen und daher im Fall der Überbewertung dem künftigen Gesellschafter stets das Damokles-Schwert der Differenzhaftung drohte (vgl. § 9 GmbHG).  Ansonsten besteht die Möglichkeit, Gesellschaftsanteile oder Aktien auf den Gläubiger zu übertragen, der im Gegenzug auf seine Forderung ganz oder teilweise verzichtet oder dem Unternehmen überträgt.  » weiterlesen

Selbstständige in der Insolvenz – Gestaltungsspielraum durch Freigabe ihrer Tätigkeit

RA Stephan Ries, Insolvenzverwalter, Schultze & Braun, Wuppertal

Wer bisher schon beruflich selbstständig gewesen ist oder es künftig sein möchte, aber derzeit ein persönliches Insolvenz­verfahren durchläuft, hat oftmals keine andere Wahl: zur künftigen Sicherung der eigenen Existenz, d. h. zur Beschaffung notwendiger Einnahmen, aber auch zur Erlangung der Wohltat einer Restschuldbefreiung, muss er weiterhin beruflich aktiv sein. Insoweit obliegt es dem Schuldner, durch angemessene Anstren­gungen der Insol­ven­zmasse pfändbare Beträge zuzuführen. Hierzu bieten sich in der wirtschaftlichen Krise sichere neue Berufsperspektiven in fester Anstellung als abhängig Beschäftigter eher selten. Das klassische Existenzsicherungskonzept der Zivil­pro­zess­­ordnung gibt zwar für insolvent gewordene Arbeitnehmer eine feste Orientierung  mittels klar definierter Tabellenwerte (§ 850c ZPO). Bei beruflich selbstständigen Personen  wird es dagegen schwierig (§ 850i ZPO). Mit Beschluss vom 20. 3. 2003 – IX ZB 388/02, DB 2003 S. 1507 hatte der BGH festgestellt, der Insolvenzbeschlag erfasse sehr weitgehend alle bereits entstandenen wie auch künftigen Einnahmen, insbesondere sämtliche Forderungen des Schuldners gegenüber Dritten. Diese fallen somit ohne Abzug voll in die Masse. Zur Erlangung eines existenzsichernden Pfändungsschutzes muss der Schuldner einen gesonderten Antrag stellen und diesen sachgerecht begründen. Das Gesetz spricht insoweit von „freier Schätzung des Gerichts“, also letztlich von einer Frage richtiger Ermessens­be­tätigung. » weiterlesen

Lizenzen in der Insolvenz – verunglückter Versuch einer Neuregelung in der 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform

Das Bundesministerium der Justiz hat vor wenigen Tagen den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vorgelegt. Auf das besondere Interesse des Wirtschaftsrechtlers stößt dabei der Vorschlag zur Neuregelung der „Insolvenzfestigkeit von Lizenzen“, mit der – so die Pressemitteilung des BMJ – es einem Lizenznehmer ermöglicht werden soll, eine Lizenz auch in der Insolvenz des Lizenzgebers fortzunutzen, indem die Interessen der Gläubiger des Lizenzgebers mit den Interessen des Lizenznehmers in angemessenen Ausgleich gebracht werden, um damit zugleich den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland zu stärken.

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Zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform – Insolvenzfestigkeit von Lizenzen

RA Dr. Gregor Schmid, LL.M. (Cambridge), Partner, Taylor Wessing, Berlin

„Die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform kommt“ – Mit dieser Ankündigung hat das  BMJ am 23. 1. 2012 einen Referentenentwurf für die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform vorgelegt (Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, DB0466327).  Der Referentenentwurf enthält auch eine Neuregelung für Lizenzverträge in der Insolvenz des Lizenzgebers.

Die Problematik von Lizenzen in der Insolvenz – insbesondere des Lizenzgebers – ist seit längerem bekannt. Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung unterliegt ein gegenseitiger Vertrag, der noch von keiner Seite vollständig erfüllt wurde, dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters (§ 103 InsO). Dem Wahlrecht unterfallen, anders als nach der zuvor geltenden Konkursordnung, auch Lizenzverträge. Wählt der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung, wird der Lizenzvertrag dauerhaft undurchsetzbar. Zugleich entfallen – nach überwiegend vertretener Ansicht – die eingeräumten Nutzungsrechte. Für den Lizenznehmer des insolventen Lizenzgebers kann der Wegfall der Nutzungsrechte einschneidende, teils ruinöse Folgen haben. Forschungs- oder Vertriebsinvestitionen, die im Vertrauen auf den Fortbestand der Rechte getätigt wurden, drohen wertlos zu werden. Auch bereits erteilte Unterlizenzen sind gefährdet. » weiterlesen

Sanierungsfalle Vorsatzanfechtung?

RA Dr. Sven-Holger Undritz, Partner, White & Case Insolvenz GbR, Hamburg

Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das in weiten Teilen am 1. 3. 2012 in Kraft tritt, schafft mehr Freiräume für eine Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens. Die Rahmenbedingungen für eine Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens bleiben von den Reformbemühungen unberührt. Die außergerichtliche Sanierung kann von den Beteiligten im Ausgangspunkt unverändert mit den Mitteln des Vertragsrechts frei gestaltet werden, insbesondere können die Beteiligten ihre eigenen Sanierungsbeiträge durch vertragliche Vereinbarungen weitgehend frei bestimmen. Die Unternehmenssanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens verspricht daher ein äußerstes Maß an Flexibilität und Effizienz. Gelingt die Sanierung, lösen sich die für Sanierungssituationen typischen Interessengegensätze der Beteiligten in Wohlgefallen auf.

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Bundesrat will ESUG an Vermittlungsausschuss überweisen

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundesrates hat vor einigen Tagen angeregt, das ESUG an den Vermittlungsausschuss zu überweisen, und zwar aus drei Gründen: Zum einen müsse die Restschuldbefreiung (deren Neuregelung im Übrigen gar nicht Gegenstand des ESUG ist) in 174 Abs. 2, 302 Nr. 1 InsO auch hinsichtlich Verbindlichkeiten aus einer (vorsätzlichen) Steuerhinterziehung versagt werden. Weiter sollen Steuerforderungen in § 225a Abs. 2 Satz 1 InsO kraft Gesetzes von der Möglichkeit einer Beteiligung an einem Debt-Equity-Swap ausgeschlossen werden. Schließlich seien die im RegE-ESUG statuierten Anforderungen an die Qualifikation des Insolvenzrichters (§ 22 Abs. 6 GVG-E) mit dem dem Deutschen Richtergesetz zugrunde liegenden Bild des Einheitsjuristen nicht vereinbar. » weiterlesen

Reformbedarf im Übernahmerecht

In der jüngeren Vergangenheit haben Übernahmen und Übernahmeversuche in Bezug auf börsennotierte deutsche Aktiengesellschaften erheblich zugenommen. Diese werden in vielen Fällen als „schädigend“ bzw. als „ungerecht“ empfunden. Hintergrund dieser Einschätzung ist, dass Übernahmen börsennotierter Kapitalgesellschaften auf der Grundlage von Börsenkursen stattfinden, und dass diese Börsenkurse angesichts der Finanzkrise in vielen Fällen den „wahren Unternehmenswert“ nicht oder nicht richtig reflektieren. Das weicht diametral von der jahre- oder jahrzehntelang vorherrschenden Lage ab, in der die Börsenkurse vielfach über den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Unternehmenswerten lagen und deshalb das Bestreben dahin ging, diese höheren Kurse im Rahmen der Preisbildung und für die Ermittlung von Abfindungen zu berücksichtigen (bestätigt durch die Judikatur des BVerfG). » weiterlesen