Keine Steuer auf Sanierungsgewinne: Ein Gebot der Stunde – kein Privileg!

StB Dr. Thomas Töben, Partner bei Pöllath + Partners, Berlin

Bei jeder Insolvenz werden die Schulden in der Regel nur mit einer kleinen Quote bedient, die übrigen Schulden entfallen mit der Folge, dass ein Buchgewinn entsteht. Fielen darauf Steuern an, würde jede Rettung des Unternehmens durch Übernahme scheitern. Denn diese Steuer führt, wenn man so will, zur Anschlussinsolvenz. Sie muss erlassen werden. Bei einer „normalen“ Insolvenz entsteht diese Steuer erst gar nicht. In der Planinsolvenz überlebt jedoch das Schuldnerunternehmen als Rechtsträger. Deshalb ist das Thema relevant. In der „normalen“ Insolvenz geschieht das Gleiche. Auch dort fallen die Gläubiger mit Ihren Forderungen weitestgehend aus. Keiner käme auf die Idee, dass bei einer solchen Insolvenz die ausgefallenen Forderungen Steuern kosten sollen mit dem Argument, das untergegangene Unternehmen habe einen Gewinn erzielt, weil es seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann.

Das heutige Problem der Besteuerung reiner Buchgewinne ist im Wesentlichen eine Folge von in den vergangenen Jahren eingeführten Verlustverrechnungsbeschränkungen. Denn solche Buchgewinne korrespondieren regelmäßig mit realen Verlusten und Verlustvorträgen. Ohne Verlustverrechnungsbeschränkungen entsteht kein Buchgewinn. Reale Gewinne gibt es schon gar nicht. Deshalb dürfen betriebs- und volkswirtschaftlich sinnvolle Sanierungen nicht durch Steuerbelastungen vereitelt werden.

In diesem Umfeld bereiten (vermeintlich) divergierende Finanzgerichtsurteile Probleme. Nach einem Urteil des FG München aus dem Jahr 2007 dürfe die Verwaltung auch in Sanierungsfällen keinen Steuererlass aussprechen: der Sanierungserlass vom 27. 3. 2003 habe im Gesetz keine ausreichende Grundlage. Das FG Köln entschied in 2008 gegenteilig und ging über die Erlassregelung noch hinaus: ein Steuererlass sei in Sanierungsfällen nicht nur geboten, er sei vielmehr zwingend zu gewähren.

Bei Personengesellschaften sind bisher nur „verrechenbare“, tatsächlich aber noch nicht verrechnete Verluste auch außerhalb von Sanierungen grds. immer mit späteren Gewinnen verrechenbar, ohne Einschränkungen durch die Mindestbesteuerung und auch bei vollständigem Gesellschafterwechsel. Für Kapitalgesellschaften, deren noch vorhandenes Vermögen zu Verkehrswerten die Schulden nicht mehr deckt, deren Eigenkapital also negativ ist, muss das Gleiche gelten, jedenfalls für Sanierungsgewinne als Folge eines Forderungsverzichts.

Das muss zwingend auch für die Gewerbesteuer gelten. Die Abgabenordnung stellt in § 184 Abs. 2 Satz 1 AO klar, dass die den Landesfinanzbehörden zustehende Kompetenz, Realsteuermessbeträge, wie den Gewerbesteuermessbetrag, festzusetzen, grds. auch die Befugnis zu Billigkeitsmaßnahmen, wie den Steuererlass, umfasst. Voraussetzung ist allein, dass die Bundesregierung oder eine oberste Landesfinanzbehörde durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift für derartige Maßnahmen Richtlinien aufgestellt hat.

Eine derartige Verwaltungsvorschrift ist auch der genannte Verwaltungserlass vom 27. 3. 2003. Ob dieser Sanierungserlass diese Zuständigkeit auch für die Gewerbesteuermessbeträge besonders betont, sie verschweigt oder gar verneint, ist unerheblich. Jedenfalls kann ein Steuererlass auf Basis dieser Verwaltungsanweisung eine einheitliche Rechtsanwendung bundesweit auch mit Wirkung für die Gewerbesteuer sicherstellen. Daran muss sowohl unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, aber auch zum Wohle sanierungsbedürftiger Unternehmen und seiner Mitarbeiter ein besonderes Interesse bestehen.

Alle Kommentare [2]

  1. Zunächst ist es einmal Unsinn, den staatlichen Finanzbehörden ein Recht zum Erlass von Gemeindesteuern zuzubilligen. Das Recht eine Gewerbesteuer aus \Billigkeitsgründen\ zu erlassen hat alleine derjenige, dem die Steuer auch zusteht, also die Gemeinde.

    Letztlich ist jeder Gewinn ein Buchgewinn, der der einheitlichen Steuergesetzgebung unterliegt. Der Wegfall einer Schuld ist somit ein steuerbarer Gewinn, der selbstverständlich zu besteuern ist. In der besonderen Situation der Planninsolvenz hat die Gemeinde jederzeit die Möglichkeit eine Steuerschuld mehr oder weniger unbegrenzt zu stunden um so eine Anschlußinsolvenz zu verhindern. Kriegt das Unternehmen die Kurve, kann die Steuer irgendwann geltend gemacht werden, wenn nicht ist die Steuer halt weg.

    Das Unternehmen ist dann um den Betrag der Steuer \weniger wert\, der Investor zahlt halt dann entsprechend weniger. Verringert sich halt die Insolvenzquote der Gläubiger entsprechend. Für Steuergeschenke gibt es da keine Notwendigkeit.

  2. Natürlich wäre die Steuerfreistellung eines Sanierungsgewinns ein Privileg und eine weitere Vorschrift, die dem Sinn der Ertragsbesteuerung systemwidrig entgegenläuft. Das Steuerrecht ist nicht dazu da, versteckte Wirtschaftpolitik zu machen. Auch wenn es unzählige Vorschriften gibt, die dies versuchen. Ertragssteuern sind Steuern auf den Ertrag und ein vernünftiges Steuerrecht versucht den Ertrag eines Steuersubjektes möglichst richtig zu ermitteln und dann mit einem Steuersatz zu belegen. Dem Autor ist zuzustimmen hinsichtlich der Problematik der aktuellen Verlustverrechnung / -anrechnung. Sind aber alle Verluste vollständig anrechenbar, kann in der Summe keine Steuer bei einer Sanierung entstehen. Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass im Falle eines Rechtanspruchs auf steuerliche Freistellung eines Sanierungsgewinnes leicht Steuersparmodelle entwickelt werden könnten.