Das Jahressteuergesetz 2010 sieht im Internationalen Steuerrecht zwei Gesetzesänderungen vor, die als „Lex Malta“ und „Lex Mikrochirurgie“, kurz „Lex M&M“, bezeichnet werden könnten. Es geht dabei in beiden Fällen um die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung, wonach das Einkommen einer von Inländern beherrschten, niedrigbesteuerten, ausländischen Kapitalgesellschaft dann direkt ihren inländischen Gesellschaftern zugerechnet wird, wenn die ausländische Gesellschaft keine aktive Tätigkeit ausübt. Den Anwendungsbereich für diesen direkten Zugriff auf ausländisches Steuersubstrat hat der Gesetzgeber aus Furcht vor Umgehungen allerdings deutlich zu weit gezogen, sodass diese Besteuerung auch Sachverhalte mit höchst aktiver Tätigkeit und in einer abgewandelten Form auch Betriebstätten treffen kann.
Im Mittelpunkt der Kritik steht darüber hinaus, dass der relevante Steuersatz für die Prüfung der Niedrigbesteuerung nach wie vor bei 25% liegt, obwohl der Körperschaftsteuersatz längst auf 15% abgesenkt wurde.
Die „Lex Malta“ betrifft die Berechnung dieses kritischen Steuersatzes. Nach dem Referentenentwurf sollen bei der Prüfung, ob das Einkommen einer „niedrigen Besteuerung“ unterliegt auch Ansprüche der Gesellschafter auf Erstattung oder Anrechnung der von ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern einbezogen werden. Nach dieser konsolidierten Betrachtung wird die Hinzurechnungsbesteuerung auch dann ausgelöst, wenn die festgesetzte Steuer mehr als 25% beträgt, durch eine Steuererstattung an den Gesellschafter aber im Ergebnis unter diesen Schwellenwert sinkt. Unumwunden wird in der Gesetzesbegründung der Holdingstandort Malta als Grund für die geplante Änderung genannt. Nach dortigem Recht hat der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bei Ausschüttung der Dividende einen Anspruch auf Erstattung von 6/7 bzw. 5/7 der von der maltesischen Kapitalgesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer in Höhe von 35%. Im Ergebnis ergibt sich damit eine konsolidierte Belastung von 5% (0,35 – 6/7 x 0,35) bzw. 10% (0,35 – 5/7 x 0,35).
Dieses seit 2007 praktizierte Tax Refund System entspricht im Kern dem bis zur Unternehmenssteuerreform 2000/2001 in Deutschland praktizierten Anrechnungssystem, das allerdings rein national ausgestaltet war und u. a. wegen dieses klaren Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit abgeschafft wurde. Die Steuererstattung dient in beiden Fällen dem Ziel, die doppelten Belastung des Gewinns auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und des Gesellschafters (weitgehend) zu vermeiden. Aus meiner Sicht ist der Vorstoß des deutschen Gesetzgebers daher durchaus nachvollziehbar.
Steuersystematisch gehört die Änderung jedoch nicht in das AStG, das missbräuchliche Gestaltungen treffen will, sondern in den Kontext der Dividendenbesteuerung in § 8b KStG. Denn das körperschaftsteuerliche Anrechnungssystem will sicherstellen, dass das Einkommen der Kapitalgesellschaft von der Besteuerung auf Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft (weitgehend) entlastet und auf Ebene des Gesellschafters besteuert wird. Letzteres ist bislang nicht der Fall und soll durch die geplante Gesetzesänderung sichergestellt werden. Steuersystematisch ist dies eine partielle Rückkehr zum alten Anrechnungssystem als Reflex auf die grenzüberschreitende Körperschaftsteuererstattung nach maltesischem Recht.
Es handelt sich also um eine länderspezifische Ausnahme vom Grundsatz der (weitgehenden) Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Ebene der empfangenden Kapitalgesellschaft nach dem in Deutschland seit der Abschaffung des Anrechnungssystems praktizierten klassischen Körperschaftsteuerrecht. Eine solche Sonderregelung gehört nach der Systematik des Gesetztes dorthin, wo die Grundregel normiert ist und sollte nicht in einem anderen Gesetz versteckt werden, zumal das Anlass für Missverständnisse und neue Auslegungsschwierigkeiten gibt.
Die beabsichtigte Neuregelung schießt daher weit über das eigentliche Ziel hinaus und sollte noch einmal überdacht werden. Dabei wäre auch ganz grundsätzlich neu zu durchdenken, wie die relevante Steuerbelastung für die Prüfung der Niedrigbesteuerung z. B. bei einem Verlustvortrag oder einer Mindestbesteuerung sinnvollerweise zu ermitteln ist, und bzw. in wie weit geltende DBA angepasst werden müssten.
Ein Trost verbliebe in jedem Fall für die deutschen Konzerne, die Tochtergesellschaften oder Betriebstätten auf Malta unterhalten. Da das Gesetz erstmals auf Zwischeneinkünfte der maltesischen Zwischengesellschaft oder Betriebstätte erst auf Wirtschaftsjahre anwendbar wäre, die nach dem 31. 12. 2010 beginnen, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die bisherige Praxis von der Finanzverwaltung akzeptiert werden müsste.
Was es mit „Lex Mikrochirurgie“ auf sich hat, erfahren Sie am nächsten Dienstag an dieser Stelle.