Gewerbesteuerlicher Verlustabzug – ein Mysterium!

 

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei FGS, Bonn

WP StB Prof. Dr. Ulrich Prinz, Partner bei FGS, Bonn

Der Erhalt gewerbesteuerlicher Verlustabzüge im Zusammenhang mit Umstrukturierungsvorgängen bereitet der Praxis zunehmend Probleme. Rechtsgrundlage dafür ist § 10a GewStG, der nur einen zeitlich unbegrenzten Verlustvortrag, keinen Verlustrücktrag kennt und die Grundsätze der Mindestbesteuerung – soweit die 1-Mio.-Euro-Grenze überschritten ist – undifferenziert anzuwenden verlangt, im Schlussbesteuerungsfall ein durchaus ernst zu nehmendes Verfassungsproblem (vgl. allerdings das BMF-Schreiben  vom 5. 1. 2009 – IV C 7 – G 1427/0, DB 2009 S. 877).

Ein folgerichtiges, schlüssiges Gesamtkonzept zur Behandlung von Gewerbeverlusten in Umstrukturierungsfällen ist seit längerem nicht mehr erkennbar (so auch das Resümee von Brandenberg auf der Wiesbaden-Arbeitstagung am 11. 5. 2010, Arbeitsbuch S. 289-299). § 10a GewStG ist eine „einzige Baustelle“ mit kaum noch handhabbaren Rechtsformunterschieden. Drei Fallgruppen – natürlich mit einer Reihe von streitigen Detailfragen – lassen sich erkennen, die letztlich auch gestalterisch nutzbar sind:

Bei gewerblich tätigen oder geprägten Personengesellschaften gelten die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Unternehmens- und der Unternehmeridentität. Persönlicher Träger des Verlustabzugs ist seit dem BFH-Beschluss des Großen Senats vom 3. 5. 1993 (Az. GrS 3/92, BStBl. II 1993 S. 616 = DB 1993 S. 1604) der einzelne Mitunternehmer; insoweit kann man von einem gewerbesteuerlichen Transparenzprinzip sprechen. Ist dies heute eigentlich in Anbetracht der zunehmenden Verselbstständigung von Personengesellschaften im Zivilrecht (einschließlich der GbR) noch ganz zeitgemäß? Folge daraus ist: Bei einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel werden Gewerbeverluste anteilig „zerstört“, bei mittelbarem Gesellschafterwechsel bleiben die Gewerbeverluste der Unterpersonengesellschaft erhalten. Wird aus einer unmittelbaren eine mittelbare Gesellschafterstellung (etwa bei der Einbringung eines Mitunternehmeranteils), entfallen die Gewerbeverluste anteilig. Dies alles gilt nur bei natürlichen Personen als Mitunternehmern.

Bei Körperschaften, für die unabhängig von ihrer faktischen Geschäftstätigkeit eine Gewerblichkeitsfiktion gilt (§ 2 Abs. 2 GewStG), greift der „Zerstörungsmechanismus“ des § 8c KStG bei qualifiziertem mittelbaren oder unmittelbaren Gesellschafterwechsel auch für gewerbesteuerliche Fehlbeträge ein (entsprechende Anwendung des sog. Mantelkaufs). Die kürzlich durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. 12. 2009 eingeführte Konzernklausel und die Stille Reservenklausel helfen auch bei der Gewerbesteuer; die Sanierungsklausel ist auch insoweit wegen der europarechtlichen Beihilfeproblematik „auf Eis gelegt“. Merkwürdiges Ergebnis: Eine zwischengeschaltete Personengesellschaft schirmt trotz eigentlicher Transparenzbetrachtung ab, die dem Trennungsprinzip folgende Kapitalgesellschaft tut dies wegen der Sonderwirkung des § 8c KStG nicht.

Ist nun eine Kapitalgesellschaft Mitunternehmer einer verlustführenden Personengesellschaft, sieht § 10a S. 10 GewStG eine spezielle Missbrauchsvermeidungsregelung vor, die eine entsprechende Anwendung des § 8c KStG bei unmittelbar oder mittelbar nachgeschalteten Personengesellschaften fordert. Es sollte auf die durchgerechnete Beteiligungsquote ankommen, unterjährige Verlustabzüge bleiben m. E. unberührt. Der Grundsatz der Unternehmeridentität wird durch entsprechende Anwendung des § 8c KStG überlagert. Im Detail treten kaum noch handhabbare Probleme auf.

Man sieht: Bei der von der Bundesregierung geplanten und in Arbeit befindlichen Neustrukturierung der Verlustverrechnungsvorschriften sollte auch § 10a GewStG in den Blick genommen werden. Hier besteht Handlungsbedarf. Falls eine Neuordnung der Gemeindefinanzierung wirklich kommt, wäre im Verlustabzugsbereich für die Zukunft deutlich Erleichterung zu erkennen. Für „alte“ gewerbesteuerliche Verlustabzüge muss natürlich Bestandsschutz bestehen. Der Weg bis dahin ist aber sicher noch weit. Solange gilt es, gewerbesteuerliche Verlustabzüge gestalterisch zu „konservieren“, besser schnellstmöglich zu nutzen!

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