Im Nachgang zur „Lex Malta“ in der letzten Woche möchte ich mich mit Ihnen gerne über die Hintergründe von „Lex Mikrochirurgie“ austauschen. Auch bei dieser Regelung geht es um den Zugriff des deutschen Fiskus auf im Ausland erwirtschaftetes Einkommen. Anders als die Hinzurechnungsbesteuerung, die auf das Einkommen niedrigbesteuerten, ausländischen Kapitalgesellschaft zugreift, geht es heute um das von gewerblichen oder freiberuflichen Dienstleistern in einer ausländischen Betriebsstätte erzielte passive Einkommen. Allein die Begrifflichkeit zeigt, zu welchen Absurditäten das deutsche Steuerrecht fähig ist. Das Markenzeichen der freien Berufe ist doch gerade die höchst persönliche Tätigkeit. Freiberufler, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten, dürfen sich zwar der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen, müssen dabei aber immer leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Hinsichtlich der Aktivität gilt Gleiches für die meisten gewerblichen Dienstleister. Wie kann eine solche höchstaktive Tätigkeit steuerlich als passiv eingestuft werden? Verstößt das nicht gegen den gesunden Menschenverstand?
Die Antwort lautet: ja; aber das allein ist im deutschen Steuerrecht leider kein ausreichendes Gegenargument. Nach dem Wortlaut des Außensteuergesetzes (AStG) können selbst höchst aktive Tätigkeiten als passiv anzusehen sein. Was sich für einen steuerrechtlich noch nicht verbildeten Leser geradezu widersinnig anhört, ist für einen Kenner des Internationalen Steuerrechts leider alles andere als abwegig und hat schon manchen Steuerberaterhaftungsfall verursacht. Eine an sich aktive Tätigkeit kann nämlich schon durch die bloße Mitwirkung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Steuerinländers zu einer passiven Tätigkeit werden. Und um genau diese Fallkonstellation geht es. Konkret sind z. B. Sachverhalte wie dieser betroffen: Ein deutscher Mikrochirurg eröffnet in der Schweiz ein eigenes Operationszentrum oder er operiert in einem ihm dort zur Verfügung stehenden Operationssaal. Gleiches gilt für andere Länder und andere, auch gewerbliche Dienstleistungen. Der geschilderte Sachverhalt ist allerdings kein Einzelfall, da die Schweiz speziell für eine bestimmte Gruppe von Mikrochirurgen eine hohe Anziehungskraft ausübt, weil dort – anders als in Deutschland – eine deutlich geringere Mehrwertsteuer auf Operationen erhoben wird, von denen sich die Patient/innen vor allem ein besseres Aussehen erhoffen. Statt hierzulande 19% erhebt die Schweiz 7,6%. Noch attraktiver sind z.B. Italien, Spanien, Tschechien und natürlich die USA, wo derzeit (noch) keine Mehrwertsteuer auf derartige Dienstleistungen erhoben wird.
So sehr diese Entschärfung des AStG zu begrüßen ist, so wenig nachvollziehbar ist der eng begrenzte Wirkungsbereich der Gesetzesänderung. Fast könnte man meinen, der Gesetzgeber traue sich keine umfassende und generelle Reform zu, obwohl diese überfällig ist, und wolle sich lieber selber mikrochirurgisch betätigen. Aus steuersystematischer Sicht wäre eine Totaloperation besser als ein solch minimalinvasiver Eingriff. Der gesamte Katalog angeblich nicht aktiver Tätigkeiten in § 8 AStG gehört auf den Prüfstand und muss durchgreifend revidiert werden. Dazu braucht es nur etwas mehr Mut und Verständnis für die Belange der Wirtschaft.